Ich habe lange über mein Verfahren gegen den Hansa Funk nicht mehr berichtet. Jetzt gibt es einen neuen Beschluss des OLG Hamburg, der eine Niederlage des Hansa Funks ankündigt und dem Hansa Funk nahelegt, schon aus Kostengründen die Berufung zurückzuziehen. Hier der Text:
Beschluss
In der Sache
Ivica Krijan, Ernst-Horn-Straße 36c, 22525 Hamburg
Beglaubigte Abschrift
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte van de Velde, Beim Schlump 58, 20144 Hamburg, Gz.: 2/21
gegen
Hansa Funktaxi e. G., vertreten durch d. Vorstand Thomas Lohse und Murat Öztürk, Am Schiff- beker Berg 6 a, 22111 Hamburg
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Kluth & von Zech, Mönckebergstraße 17, 20095 Hamburg, Gz.: 346/20 K01
beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht - 15. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dörffler, die Richterin am Oberlandesgericht Ellerbrock und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Hewicker am 23.02.2022:
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 06.08.2021, Aktenzeichen 415 HKO 13/21, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Beklagte kann hierzu binnen 3 Wochen Stellung nehmen.
Gründe:
Nach einstimmiger Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung geben keinen Anlass, von dieser Entscheidung abzuweichen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Satzungsregelungen in § 9 m) und § 5 Abs. 1 h) nicht ge- gen § 1 GWB verstoßen würden und deshalb nicht nichtig seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes sei der räumlich relevante Markt für das Konkurrenzverhältnis zwischen der Be- klagten und der vom Kläger (auch) genutzten App Free Now nicht auf die Metropolregion Ham- burg zu beschränken, sondern europaweit zu bestimmen, da diese App nach den Angaben der Betreiber die führende Taxivermittlung (europaweit mehr als 100.000 Fahrer) in Europa sei und über ihre App Taxifahrten sowohl deutschlandweit als auch in neun europäischen Ländern anbie- te. Weiter erstrecke sich der sachlich relevante Markt nicht nur auf die Vermittlung von Taxen, sondern auch auf die Vermittlung von Mietwagen und weiteren Beförderungsalternativen, nämlich Carsharing, E-Roller und E-Scooter. Diese würden zum einen von der App Free Now vermittelt und seien zum anderen eine Alternative zur Beförderung mit dem Taxi. Auf diesem Vermittlungs- markt sei der Marktanteil der Beklagten mit 600 Taxen sehr gering. Deshalb sei nicht von einem Marktanteil der Beklagten von 19% auszugehen. Bei der Bestimmung des relevanten Marktes sei auch die Anzahl der Fahrten mit den vorgenannten Beförderungsmitteln zu berücksichtigen. Der Marktanteil der Beklagten hieran sei ebenfalls sehr gering. Beweisbelastet für den Marktanteil der Beklagten am relevanten Markt sei der Kläger.
Es liege keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vor. Die hier angegriffenen Satzungsrege- lungen würden dazu dienen, die Funktionsfähigkeit der Beklagten aufrechtzuerhalten. Es solle ge- währleistet werden, dass die Beklagte gegenüber ihren Kunden die Bedienfähigkeit aufrecht er- halte, wozu erforderlich sei, dass die Fahrzeuge der Mitglieder für die Annahme der Vermittlungs- aufträge der Beklagten uneingeschränkt während ihrer Betriebszeit zur Verfügung stehen. Die Be- klagte würde Kunden verlieren, wenn sie diesen kein Taxi mehr zuverlässig zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung stellen könne.
Die Satzungsregelung in § 9 m) führe auch nicht zu einer Beschränkung des Wettbewerbs der Taxiunternehmer. Vielmehr führe sie dazu, dass die der Beklagten angeschlossenen Taxiunter- nehmer weiterhin vollumfänglich durch die Beklagte mit Fahraufträgen versehen werden könnten und deshalb vollständig ausgelastet seien, da die Beklagte dazu in die Lage versetzt werde, Kun- den zu jeder Zeit, auch zu Stoßzeiten, bedienen zu können. Die von der Beklagten aufgestellten Qualitätsstandards und das entsprechende Renommée bei den Kunden werde erschüttert, wenn die Beklagte den Kunden eine Bedienfähigkeit rund um die Uhr nicht gewährleisten könne.
Zudem sei der Kläger durch die in § 9 m) der Satzung enthaltene Regelung nicht beeinträchtigt. So habe der Kläger seine Fahrzeuge durch die Vermittlung von Fahraufträgen, welche er von der Beklagten erhalten hat, vollumfänglich auslasten können. Der gegenteilige Vortrag des Klägers werde bestritten.
Bei Berücksichtigung des dargelegten richtigen relevanten Marktes sei eine Spürbarkeit der streit- gegenständlichen Bestimmung nicht gegeben. Dies sei auch nicht in Anlehnung an die Bagatell- bekanntmachung der Kommission und des Bundeskartellamtes der Fall, da der relevante Markt- anteil der Beklagten erheblich unter 10 % liege.
Es sei auch nicht richtig, dass auf dem vorliegenden Angebotsmarkt wenig Spielraum für Wettbe- werb sei. Denn es herrsche ein großer Wettbewerb auf dem individuellen Personenbeförde- rungsmarkt, sofern man die weiteren benannten Beförderungsmittel mit einbeziehe. Daneben würden weitere neue Mobilitätsformen bestehen, die von Anbietern wie MOIA, Clevershuttle, IOKI oder Uber angeboten würden. Deshalb würde sich der Angebotsmarkt der heutigen Zeit in funda- mentaler Weise vom Taximarkt der Neunzigerjahre unterscheiden, der der vom Landgericht zi- tierten Entscheidung des BGH zugrunde lag.
Auch sei der Preiswettbewerb entgegen der Auffassung des Landgerichtes nicht wegen der (fest- gelegten) Beförderungstarife für Kunden innerhalb des Stadtgebietes ausgeschaltet, da bei Fahr- zielen außerhalb Hamburgs der Fahrpreis frei vereinbart werden könne. Der Taxitarif gelte auch nur zwischen Taxiunternehmer und Kunden. Die Höhe der Vermittlungsprovision sei hingegen ge- setzlich nicht geregelt, sondern werde frei vereinbart. Die Beklagte lege die Entgelte für die Ver- mittlung ihrer Mitglieder nicht selbst fest, vielmehr bestimmten die Mitglieder diese im Wege der Selbstverwaltung. Deshalb habe dieser Aspekt keinen Einfluss auf die Spürbarkeit der von der Beklagten vorgenommenen Satzungsregelung.
Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf (VI-U (Kart) 3/17) habe ein Doppelfunkverbot erst dann eine erhebliche marktabschottende Wirkung, wenn jedes zweite registrierte Taxi sowie zwei von drei vermittelten Taxifahrten den Konkurrenten nicht als Absatzalternative zur Verfügung ste- hen würden. Von dieser Voraussetzung sei die Beklagte weit entfernt.
Die Regelungen in § 9 m) und § 5 Abs. 1 h) der Satzung der Beklagten seien genossenschafts- immanent. Der Zweck und die Struktur der Beklagten als solche seien kartellrechtsneutral. Die Satzungsregelungen seien erforderlich, um den Zweck und die Funktionsfähigkeit der Genossen- schaft zu sichern und deshalb nicht per se kartellrechtswidrig. Zweck der Dienstleistungsgenos- senschaft sei es, ihre Mitglieder wirtschaftlich zu fördern, d.h. ihre Wettbewerbsfähigkeit zu för- dern, insbesondere auf Märkten mit zunehmendem Konzentrationsprozess. Die Sicherung der Einnahmen der Vermittlungszentrale der Beklagten und der ihr als Mitglieder angeschlossenen Taxiunternehmer würden nur dann erreicht, wenn alle Taxiunternehmer mit ihren Fahrzeugen für eine Vermittlung durch die Beklagte vollumfänglich zur Verfügung stehen, um einen kontinuierli- chen Vermittlungsbetrieb und damit eine hohe Bedienfähigkeit aufrechterhalten zu können. Die Beklagte könne ihren 24-stündigen Vermittlungsdienst an 7 Tagen der Woche nicht mehr auf- rechterhalten und verliere wegen einer mangelnden Bedienfähigkeit Aufträge der Kunden, wenn Mitglieder parallel die Vermittlungsleistung der Klägerin in Anspruch nehmen. Um den Zweck der Genossenschaft auch künftig zu erreichen, sei es daher erforderlich, dass die Genossenschafts- mitglieder ausschließlich zur Erfüllung der von der Beklagten vermittelten Fahraufträge zur Verfü- gung stehen. Würden Mitglieder, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, parallel die Vermitt- lungsleistungen der Klägerin in Anspruch, so könne die Beklagte ihren 24-stündigen Vermittlungs- dienst an 7 Tagen der Woche nicht mehr aufrechterhalten.
Die streitgegenständliche Satzungsregelung sei mithin erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Genossenschaft zu sichern, da die Beklagte als lokaler und kleiner genossenschaftlicher Zusam- menschluss von Taxiunternehmern nur so verhindern könne, dass die Existenz der Genossen- schaft gefährdet werde und die Mitglieder sodann gezwungen seien, sich den marktbeherrschen- den Apps zur Vermittlung ihrer Taxifahrzeuge anzuschließen und zu den von diesen vorgegebe- nen Konditionen Taxifahrten zu erhalten. Das Verbot der Regelung habe zur Folge, dass die Be- klagte als kleiner lokaler Zusammenschluss von Taxiunternehmen vom Markt verschwinde und in- ternational operierende Großunternehmen wie Free Now den Markt beherrschen würden.
Den Urteilen des BGH, des OLG München, des OLG Düsseldorf und OLG Nürnberg hätten ande- re Sachverhalte zugrunde gelegen, so dass sie nicht vergleichbar seien. Der Markt hätte sich seit
den 90-iger Jahren völlig verändert und auch die Entscheidungen der Oberlandesgerichte hätten einen sehr viel höheren Marktanteil der jeweiligen Beklagten zum Gegenstand gehabt. Diese Ver- hältnisse würden jedoch nicht mehr dem heutigen durch Digitalisierung und internationalen Wett- bewerb geprägten Multimobilitätsservices-Markt entsprechen.
Die angegriffene Satzungsregelung sei auch zur Wahrung des Gemeinschaftsfriedens in der Ge- nossenschaft erforderlich. Wegen der geschilderten Folgen einer Aufgabe des Doppelfunkverbots käme es zwangsläufig zu Misshelligkeiten unter den Mitgliedern, und zwar zwischen denjenigen Mitgliedern, die nur für die Beklagte fahren und daher den Rund-um-die-Uhr-Service aufrecht zu erhalten versuchen und denjenigen Mitgliedern, die sich auch über die App Free Now vermitteln lassen und dadurch den Rund-um-die-Uhr-Service der Beklagten untergraben.
Diese Darlegungen der Beklagten rechtfertigen keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtsla- ge. Insoweit wird zunächst auf die überzeugenden Gründe im angefochtenen Urteil verwiesen, denen der Senat sich anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genom- men wird. Lediglich ergänzend sei folgendes angemerkt:
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 1 GWB iVm § 134 BGB auf Feststel- lung, dass die Mitgliedschaft des Klägers in der Beklagten durch den Ausschluss des Klägers durch Beschluss des Ausschlussgremiums der Beklagten vom 23.12.2020 nicht beendet worden ist. Die Regelung in § 9 m) der Satzung der Beklagten, auf die sie sich zur Begründung des Aus- schlusses des Klägers stützt, ist nichtig, da sie eine Vereinbarung von Unternehmen und aufein- ander abgestimmte Verhaltensweisen darstellt, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt und deshalb spürbar ist, die für die Funktionsfähigkeit der Beklagten nicht erforderlich ist. Demzu- folge ist auch die Regelung in § 5 Abs. 1 h) der Satzung, die auf § 9 m) Bezug nimmt, nichtig und kann zur Begründung des Ausschlusses des Klägers nicht herangezogen werden.
1)
In der Berufung von der Beklagten nicht angegriffen werden die zutreffenden Feststellungen des Landgerichts dazu, dass vorliegend eine Anfechtungsklage gemäß § 51 GenG nicht erforderlich ist und dass die Beklagte als Genossenschaft eine Vereinigung von Unternehmern und die be- schlossene Satzung eine Vereinbarung jeweils im Sinne von § 1 GWB ist, die aufeinander abge- stimmte Verhaltensweisen enthalten.
2)
Die mit der Klage angegriffenen Satzungsbestimmungen sind eine bezweckte Wettbewerbsbe- schränkung.
Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen stellt dann eine bezweckte Wettbewerbsbeschrän- kung dar, wenn die Vereinbarung den Wettbewerb so hinreichend beeinträchtigt, um davon aus- gehen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht notwendig ist. Es sind nicht nur beson- ders schwere und offenkundige Verstöße als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen anzuse- hen. Bei der Prüfung, ob eine Vereinbarung eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, die als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen werden kann, ist auf den Inhalt ihrer Bestimmungen, die mit ihr verfolgten Ziele und auf den wirtschaftlichen und recht- lichen Zusammenhang abzustellen. Ferner sind die Art der betroffenen Waren und Dienstleistun- gen sowie die auf dem betreffenden Markt bestehenden tatsächlichen Bedingungen und Struktu- ren zu berücksichtigen. Die Wettbewerbsbeschränkung muss „ihrer Natur nach in sich selbst’’ hinreichend gravierend sein. Ob es sich so verhält, ist im konkreten Einzelfall nach den vorge- nannten Bedingungen im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu beurteilen und anzu- nehmen, wenn eine hinreichende Beeinträchtigung erkennen lässt, dass die Wettbewerbsbe-
schränkung als bezweckt anzusehen ist. (BKartA Beschl. v. 26.2.2015 – B 1-62/13, BeckRS 2016, 14326; EuGH, Urteil vom 11.9.2014, C-67/13 P, Rn. 53 und Rn. 57).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorlie- gend zu bejahen. Denn die Satzungsbestimmungen haben nach ihrem Wortlaut den Zweck einen Wettbewerb zwischen der Beklagten und der Free Now App und für sie tätige Taxiunternehmer zu verhindern, indem den Mitgliedern der Beklagten untersagt wird, an dem Angebot von Free Now teilzunehmen. Damit zielt die Regelung darauf ab, den Wettbewerb zwischen der Beklagten und Free Now um Taxiunternehmer, die für sie Touren fahren, zu behindern. In der BGH- Ent- scheidung vom 10.11.1992 (KVR 26/91 – Taxigenossenschaft II) wird deshalb auch festgestellt, dass der Ausschluss der Doppelmitgliedschaft wettbewerbsbeschränkend wirkt und dadurch ge- eignet ist, die Marktverhältnisse zu beeinflussen. Auch das OLG Nürnberg (Urteil vom 22.1.2016, 1 U 907/14, Rn. 65 u. 66) beschränkt sich auf die Feststellung, dass sich die Beschränkungen der wettbewerblichen Handlungsfreiheit unmittelbar aus der Satzungsbestimmung selbst ergeben und von daher schon „bezweckt“ sind.
Dies wird im Ergebnis auch von der Berufung nicht in Abrede gestellt. Sie trägt hierzu vor, dass die Regelungen dazu dienen würden, die Funktionsfähigkeit der Beklagten aufrechtzuerhalten und die der Beklagten angeschlossenen Taxiunternehmer weiterhin vollumfänglich durch die Beklagte mit Fahraufträgen versehen zu können. Hierbei handelt es sich aber um Argumente, die nicht die Frage der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung betreffen, sondern die Erforderlichkeit der Re- gelung zur Aufrechterhaltung des Zwecks der Genossenschaft (und dort zu diskutieren sind). Aus diesem Grunde setzt sich die Berufung nicht mit den Ausführungen des Landgerichtes auseinan- der, sodass zu diesem Punkt keine weiteren Ausführungen veranlasst sind.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass ein großer Wettbewerb auf dem individuellen Personen- beförderungsmarkt herrsche und daneben ein Preiswettbewerb bestehe, ist das für den vorlie- genden Rechtsstreit nicht von Relevanz. Denn es ist nicht der Wettbewerb zwischen den einzel- nen Taxiunternehmern in den Blick zu nehmen, sondern der Wettbewerb zwischen der Beklagten und der Free Now App, also der Vermittlungszentralen für Taxifahrten, deren Wettbewerb durch die beschlossenen Regelungen unterbunden wird.
Da es sich vorliegend um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung handelt, kommt es auf die Frage der „Spürbarkeit“ und somit auf den „relevanten Markt“ nicht an. Nach Ansicht des EuGH ergibt sich schon aus der Natur die Schädlichkeit für das gute Funktionieren des normalen Wett- bewerbs, sodass es auf die Auswirkungen gar nicht ankommt. Solche Vereinbarungen unterfallen schon deshalb Art. 101 AEUV und § 1 GWB, weil sie geeignet sind, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten (EuGH Urt. v. 11. 9. 2014 – C-67/13 P Rn. 49 – Groupement des cartes bancaire mwN; BGH NZKart 2018, 52 (53) – Almased Vitalkost). Der BGH schließt sich der Rechtsprechung des EuGH, an führt dazu in der zitierten Entscheidung aus (Rn. 20):
„Der Gerichtshof der Europäischen Union hat wiederholt ausgeführt, dass bestimmte Formen der Kol- lusion zwischen Unternehmen, mit denen eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt wird, schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angese- hen werden und deshalb grundsätzlich unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs darstellen. Eine solche Vereinbarung unterfällt dem Verbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bereits deshalb, weil sie geeignet ist, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten. Ihre tatsächlichen Auswirkungen brauchen daher nicht berücksichtigt zu werden, weil die Erfahrung lehrt, dass solche Verhaltensweisen zu einer Beeinträchtigung der Marktverhältnisse füh- ren, etwa Minderungen der Produktion und Preiserhöhungen mit sich bringen, die zu einer schlechte- ren Verteilung der Ressourcen führen (EuGH, Slg. 2008, I-8637 Rn. 17 – Beef Industry; Slg. 2009, I-4529 Rn. 29 f. – T-Mobile Netherlands; EuGH, GRUR Int. 2013, 285 Rn. 36 f. – Expedia; EuGH, WuW/E EU-R 2696 Rn. 34 f. – Allianz Hungária Biztosító; EuGH, NZKart 2013, 367 Rn. 95 ff. – Stichting Administratiekantoor Portielje; EuGH, WuW/E EU-R 3090 Rn. 50 f. – Groupement des car-
tes bancaires; EuGH, WuW/E EU-R 3272 Rn. 115 – Dole; EuGH, EuZW 2015, 802 Rn. 31 f. – ING Pensii; EuGH, EuZW 2016, 180 Rn. 18 f. – Maxima Latvija; EuGH EuZW 2016, 354 Rn. 25 f. – Toshi- ba; EuGH, Urteil vom 27. April 2017 – C-469/15 P Rn. 103 f. – Bonita-Bananen; s. auch schon EuGH, Slg. 1966, 322, 390 – Consten und Grundig/Kommission).“
Danach erübrigt sich vorliegend die gesonderte Feststellung der Spürbarkeit der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung.
3)
Die mit den Satzungsregelungen eingetretene Wettbewerbsbeschränkung ist für die Funktionsfä- higkeit der Beklagten nicht erforderlich. Zwar hat der BGH entschieden, dass Beschränkungen in einer Gesnossenschaftssatzung keine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB sind, soweit sie insbesondere zur Sicherung des Zwecks oder der Funktionsfähigkeit der Genossen- schaft erforderlich sind (BGH, Urteil vom 10.11.1992, KVR 26/91 - Taxigenossenschaft II). Die Be- klagte stellt insoweit darauf ab, dass sie ihren 24-stündigen Vermittlungsdienst an 7 Tagen der Woche nicht mehr aufrechterhalten könne und wegen einer mangelnden Bedienfähigkeit Aufträge der Kunden verliere, wenn Mitglieder parallel die Vermittlungsleistung der Klägerin in Anspruch nehmen. Um den Zweck der Genossenschaft auch künftig zu erreichen, sei es daher erforderlich, dass die Genossenschaftsmitglieder ausschließlich zur Erfüllung der von der Beklagten vermittel- ten Fahraufträge zur Verfügung stehen würden.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob diese Argumentation grundsätzlich die Erforderlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung begründen kann. Denn die Beklagte legt die Gefahr für den Zweck der Genossenschaft durch die Teilnahme ihrer Fahrer an dem Angebot von Free Now nicht aus- reichend substantiiert dar. Das Landgericht hat zu diesem Punkt zutreffend darauf abgestellt, dass der Zweck der Genossenschaft bis 2019 (Zeitpunkt der Satzungsänderung) auch ohne die Wettbewerbsbeschränkung erfüllt werden konnte, und die Berufungsbegründung setzt sich damit nicht auseinander. Auch die Existenz der drei anderen größeren Taxivermittlungszentralen in Hamburg (Taxi Hamburg, DAS TAXI, Autoruf) zeigt, dass eine Zentrale ohne Doppelfunkverbot bestehen kann.
Erstinstanzlich hatte die Beklagte zur Begründung der Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Ge- nossenschaft – vom Kläger bestritten - vorgetragen, dass die Zahl der nicht vermittelten Aufträge von 10,99 % in 2016 auf 12,99 % in 2019 angestiegen sei, was darauf zurückzuführen sei, dass Mitglieder der Beklagten zugleich die Vermittlung von Free Now in Anspruch genommen hätten. Eine Begründung für diese Kausalitätsbehauptung oder nur Sachverhalt, der diese – ebenfalls be- strittene - Behauptung stützen könnte, trägt die Beklagte indes nicht vor. So fehlen Angaben dazu, seit wann Free Now ihre App in Hamburg anbietet oder wie viele Mitglieder der Beklagten zeit- gleich die Leistungen dieser App in Anspruch genommen haben. Bemerkenswert ist insoweit auch, dass die Beklagte in dem Parallelverfahren 15 U 101/21 Kart (S. 3 der Klagerwiderung) an- dere Zahlen vorträgt, nämlich nicht vermittelte Aufträge von 34 % in 2016 und jeweils 37 % in 2017 und 2018. Insoweit kann auf diese Angaben nichts gestützt werden, und weitere Indizien für einen Anstieg nicht vermittelter Aufträge durch die Teilnahme von Mitgliedern der Beklagten an dem Angebot der Free Now App trägt die Beklagte nicht vor.
Darüber hinaus hätte die Beklagte andere, nicht wettbewerbsbeschränkende Möglichkeiten, ihren Pool an Fahrern dadurch zu vergrößern, dass sie die Unternehmer, die über ihre Tochtergesell- schaften Fahrten vermittelt bekommen, in ihre Kapazitäten einbindet, wie es - nach dem unbe- strittenen Vortrag des Klägers - über die von der Beklagten genutzten App schon geschieht. Hier- zu trägt die Beklagte nur pauschal und damit unzureichend vor, dass es sich um eine Notlösung handele, die nur in geringem Umfang möglich sei, ohne dies zu konkretisieren oder auf die kon- kret vom Kläger vorgetragenen Zahlen einzugehen.
Schließlich greift das Argument der zu befürchtenden Misshelligkeiten zwischen den Mitgliedern nicht, um die Wettbewerbsbeeinträchtigung zu rechtfertigen. Denn dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass diese Misshelligkeiten den Zweck oder die Funktionsfähigkeit der Beklagten beeinträchtigen könnten.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine mündliche Verhandlung ist nicht veranlasst. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 38.680,-- € festzusetzen. Auf diesen Betrag hat das Landgericht den erstinstanzlichen Streitwert festgesetzt (Beschluss vom 16.11.2021) und die Parteien haben hiergegen keine Einwände erhoben.
Der Beklagten wird geraten – schon aus Kostengründen – die Berufung zurückzunehmen.