Wattwurm hat geschrieben:1. Kann man einen branchenbezogenen und länderübergreifenden Mindestlohn, so wie erst vor kurzem im Frisörhandwerk eingeführt wurde ( Mindestentgelt-Tarifvertrag ), durch einen gesetzlich und bundesweit eingeführten Mindestlohn wieder kippen?
Nein, vorausgesetzt der gesetzliche Mindestlohn bewegt sich in der angestrebten Größe von mind. € 8,50. Dabei darf nicht übersehen werden, dass diese jetzt breit als Diskussionsgrundlage angenommenen € 8,50 immer noch Niedriglohnbereich darstellt, denn erst im Bereich von € 11,- oder 12,- sind die abzuführenden Rentenbeiträge so, dass auch Altersarmut verhindert wird.
Wattwurm hat geschrieben:2. Wenn man einen derartigen branchenbezogenen und länderübergreifenden Mindestlohn juristisch auch nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohn nicht angreifen kann, wäre es dann nicht ratsam das die Taxi-und Mietwagenverbände ganz schnell einen branchenbezogenen Mindestlohn mit Ver.di aushandeln, der dann zum Ziel hat eine noch vertretbare im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten, Lohnuntergrenze vertraglich abzusichern?
Das wäre ein wunderbarer Weg, würde es auf beiden Seiten verhandlungswillige Verbände und Gewerkschaften geben. Die sind leider nicht zu sehen, und das hat auch mit den teils erbärmlichen Organsisationsgraden zu tun, bei den Arbeitnehmern noch schlimmern denn bei den Arbeitgebern. Und Tarifverträge mit Fake-Geschwerkschaften - solche Modelle hat es auch schon gegeben - sind nicht (mehr) geeignet, von der Politik als "allgemeinverbindlich" anerkannt zu werden. Ähnliche Verhältnisse gibt es in vielen Branchen und Regionen (z.B. im Osten), und deshlab ist ein flächiger, bundesweiter Mindestlohn so hilfreich und nützlich, um unhaltbare Zustände und verkrustete Srukturen aufzubrechen.
Wattwurm hat geschrieben:Ein branchenbezogener Mindestlohn von 7.- Euro wäre möglich, ein gesetzlicher Mindestlohn von 10.- Euro wie DIE LINKE fordert, der Ruin des Taxigewerbes! (...) Selbst bei einem vom DGB geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro habe ich Bedenken!
Nein, höhere Mindestlöhne wären höchstens der Ruin des Taxengewerbes in der heutigen Form. Da es ja weiterhin millionenfach Beförderungs-Bedürfnisse gäbe, die nicht mit Carsharing-Modellen à la Smart zu erledigen wären, gäbe es auch nach teurerer Taxi-Dienstleistung eine große Nachfrage. Nur möglicherweise nicht mehr ganz so groß wie heute. Das Gewerbe wird sich aber die Frage stellen müssen, ob es dauerhaft auch im Billigsegment mithalen will oder diesen bereich aufgibt, um dafür in anderen Bereichen zu wachsen. Derzeit ist die Lage wohl so, dass das Gewerbe zumindest in seiner Gänze noch nicht zu einer intelligenten Antwort auf diese Frage in der Lage ist. Der Anteil derjenigen, die Transformations-Prozesse auch in dieser Richtung (Welche Marktsegmente geben wir auf? Welche Marktsegmente erobern wir dafür, und zwar nicht nur kompensatorisch, sondern mit Wachstumsperspektiven?) zunehmend diskussionsbereit bis willig zulassen, scheint nach meiner Beobachtung aber zu steigen.
Telefonat mit einem bundesweit bekannten Taxenunternehmer, der in seinem Landkreis auch andere Beförderungs-Dienstleistungen, von Schülerbeförderung bis Krankenfahrten, anbietet: Er hätte gerne einen Mindestlohn, seinetwegen auch € 8,50 (zahlt derzeit seinen Mitarbeitern gut 6 Euro/h). Ein Mainzer Mittbewerber hat gerade eine Ausschreibung über Schülerbeförderung gewonnen - weil er seinen Fahrern nur gut € 4,- bezahlt und entsprechend günstiger anbieten kann. Gäbe es einen Mindestlohn von € 8,50, hätte er bei solchen Ausschreibungen eine Chance, bei dieser Form des Wettbewerbs durch Lohndumping nicht. Konsequenz für ihn: Lieber gesetzlich für alle die gleichen Mindestlöhne und fairen Wettbewerb, als die derzeitige Situation.
Die tarifverordnenden Institutionen wären schließlich gesetzlich verpflichtet, die Taxifahrpreise auf ein Niveau zu heben, das geeignet ist, allen (verbleibenden) Taxifahrern einen entsprechenden Mindestlohn auch zu zahlen. Was durch den entstehenden ökonomischen Druck auch eine Reihe von Überkapazitäten, gerade bei Mehrwagen-Unternehmern, abschmelzen ließe. Selbst die nicht tarifgebundenen Beförderungsdienstleistungen würden teurer werden - was nicht schlimm wäre, denn es käme mehr Geld in jene gesellschaftlichen Bereiche, in denen nahezu alles wieder in den Konsum und damit in den Wirtschaftskreislauf fließt - Gesellschaftsbereiche, in denen die Sparquote nahe Null liegt. Der Effekt wäre eine Belebung der Binnennachfrage (deren Schwäche sich Deutschland in mittlerweile teils scharfer Form von seinen europäischen nachbarn, auch der EU-Komission vorhalten lassen muss), und diese Belebung würden auch die Personenbeförderungs-Dienstleister wie wir zumindest mittelfristig positiv zu spüren bekämen.