Der Wettbewerb der Ahnungslosen

Personenbeförderungsrecht, Taxitarife.
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jr
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Der Wettbewerb der Ahnungslosen

Beitrag von jr » 26.09.2015, 23:41

Entschließt sich die Behörde vor Ort auf eine Konzessionsbeschränkung zu verzichten, so vergibt sie auslaufende Konzessionen nicht erneut.
...
Die Fahrer müssen nach Vorstellung der FDP auch außerhalb einer Taxikonzession bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Künftig ist jedoch jedem Antragsteller, der über ein polizeiliches
Führungszeugnis ohne einschlägige Verurteilungen sowie über eine Insassenversicherung verfügt, ein Personenbeförderungsschein zu erteilen.

http://www.fdp.de/sites/default/files/u ... imarkt.pdf
Da hat mal wieder jemand nicht verstanden, wie das Personenbeförderungsrecht aufgebaut ist und welche Optionen es bereithält. Wir sind das inzwischen gewohnt, wenn es sich mal wieder um einen der üblichen unterinformierten, nicht recherchierenden, desinformierenden Presseschreiber handelt. Doch die obigen Auszüge finden sich in einem ziemlich frischen Beschluß des Bundesvorstands der FDP zu "Wettbewerb und Fortschritt im Taximarkt". Diese Partei ist zwar in den letzten Jahren nicht mehr von sonderlich großer Relevanz. Angesichts des hier offensichtlich völlig fehlenden Sachverstands halte ich es für fraglich, ob man ihr ein Ende der Auszeit wünschen soll.

Watti, du kannst deine Finger von der Tastatur lassen: Hier wird auch jetzt nicht über Parteien diskutiert. Dagegen ist eine andere Diskussion offenbar mehr als nötig: Die über den Informationsstand der Leute, die an den Gesetzen und Verordnungen feilen, denen das Taxigewerbe unterworfen ist.

Schreit das Taxigewerbe nicht laut genug?
Das jedenfalls war schon einige Male aus Politik- und Wirtschaftskreisen zu hören.

Schreit es die falschen Parolen?
Den Streit Uber vs Taxi auf P-Scheine und Versicherungen zu konzentrieren, führte erkennbar sehr viele Leute in die Irre. Ich würde sogar von einem PR-Fiasko sprechen.

Ist es tatsächlich zu unflexibel?
Die nicht kleine Zahl derer, die weiter von der Hand in den Mund leben möchten anstatt den Mobilitätswandel zu nutzen oder gar zu steuern, stützt diese Ansicht.

Oder haben die politischen Kreise einfach nur den Überblick verloren und leben in einer realitätsfremden Gedankenwelt?
Ein Blick auf den No-Taxibereich zeigt, daß auch das nicht ganz abwegig ist.

Der Wettbewerb der Ahnungslosen - Wie kann die Abhilfe aus dem Taxigewebe aussehen?

Löwenzahn
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Re: Der Wettbewerb der Ahnungslosen

Beitrag von Löwenzahn » 27.09.2015, 01:40

Schon jetzt gibt es beispielsweise in Berlin oder Hamburg keine Wartezeit mehr, um eine Taxi-­‐
Konzession zu bekommen. Soweit etwa in Ballungsgebieten die Angebote so genannter  Funkmietwagen oder digitaler Vermittlungsdienste vorhanden sind, sollen diese Dienste Teile  der Beförderungskapazitäten übernehmen können. Die öffentliche Hand gewährleistet auf  diese Weise wie bisher, dass alle Menschen ohne eigenes Auto auch außerhalb der Fahrzeiten  von Bus und Bahn zum Ziel kommen – einzig wie die Leistung erbracht wird, legt der Staat  nicht mehr fest. Entschließt sich die Behörde vor Ort auf eine Konzessionsbeschränkung zu  verzichten, so vergibt sie auslaufende Konzessionen nicht erneut. Damit wird die Konzessions-­‐ bindung behutsam zurückgeführt und der Vertrauensschutz für Einzelunternehmer wird ge-­‐ währleistet. 
Um während dieses Prozesses zwischen Taxen, Funkmietwagen und Fahrten, die über Online-­‐
Vermittlungsdienste zur Verfügung gestellt werden, einen fairen Preiswettbewerb zu ermögli-­‐ chen, sollen die Behörden für einen Übergangszeitraum einen Höchstpreis festlegen können,  wenn auf eine Konzessionsbeschränkung verzichtet wird. Im Übrigen können die Fahrpreise  frei verhandelt werden. 
Habe deinen Auszug mal etwas verlängert, weil so der Zusammenhang besser zur Geltung kommt, was die Politik anstreben will.

Oberstes Ziel: eine Personenbeförderung soll für den Verbraucher lukrativ sein, nicht für die Firmen oder einer Branche.

Dann geht es drum, dass Entscheidungen getroffen werden, ob man die Anzahl an Konzessionen begrenzt oder nicht. Wenn es nach oben hin keine Grenzen gibt, ist ja vom Prinzip klar, dass irgendwann die Tarife teurer gemacht werden müssten, damit die Firmen überleben. Dem will man aber eine Grenze setzen. Während sich Konzessionen weiter vermehren, soll der Umsatz konstant bleiben. Kunden sollen eine hohe Taxendichte und bezahlbare Preise genießen dürfen.

Das funktioniert aber nicht, wenn mehrere Taxifirmen sich an einem Auftragskuchen bedienen. Laut Artikel setzt man auf Einwagenunternehmen. Funktioniert aber auch nicht, weil die betrieblichen Abgaben von 8000 Taxifirmen höher sind als die von 1000 Taxifirmen mit aufgeteilten 8000 Taxen. Die Folge wäre eine drastische Ausbeutung von Taxiunternehmer, die wohl kaum noch Gewinn erzielen dürften.

Irgendwann sinkt dann die Taxiunternehmerzahl von 8000 auf beispielsweise 5000. Doch was passiert dann? Entweder finden sich dann andere Taxifahrer, die gutgläubig und naiv ihr Taxiunternehmen gründen... dann steigt die Zahl von 5000 wieder auf 8000 oder sogar 9000, würde nach kürzester Zeit wieder herabsinken, weil das gleiche Problem wiederkehrt.

... oder aber die Behörden würden sich einschalten und die Konzessionen begrenzen. Doch wenn das eintrifft, dann gilt ja nicht mehr die Regel eines Höchstpreises für eine Taxifahrt. Und es darf auch bezweifelt werden, ob die bestehende Taxendichte für den Kunden angemessen ist.

Ich könnte platzen vor Lachen, weil der Beschluss Klauseln enthält, die nach meiner Meinung so nicht realisierbar ist. Jede Region hat zuviele Taxiunternehmen. Wenn der Beschluss Wirkung zeigen soll, dann muss es pro Region nur eine Firma geben und selbst die muss dann noch durch den Staat unterstützt werden.

Was daran komisch ist? Eine Unterstützung vom Staat bedeutet das Einsetzen von Steuergelder. Diese Gelder kommen unter anderem auch vom Fahrgast und vom Taxifahrer. Darüber hinaus noch von anderen Leuten, die mit dem allen nichts zu tun haben.

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Re: Der Wettbewerb der Ahnungslosen

Beitrag von pauline » 27.09.2015, 11:34

Bedingungslose Verbraucherbevorzugung durch Politiker gibt es nur in den Branchen, die keine wahrnehmbare Lobby haben. Wir sind nicht die Pharma-oder Autoindustrie oder womöglich öffentlicher Dienst (ganz besonders heikel bei verbraucherfreundlichen Verbesserungen).
Macht euch bitte keine Illiusionen was die Politiker betrifft. Die wollen nur wiedergewählt werden.

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alsterblick
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UBERS offenbare Federführung

Beitrag von alsterblick » 27.09.2015, 12:26

Im Grunde hätte die FDP auch ohne UBERS offenbarer Federführung derart verantwortungslose Ungereimtheiten formuliert.
Da UBER jedoch bis zur nächsten Bundestagswahl 2017 hoffentlich und vermutlich weltweit untergegangen sein wird, bleibt zu hoffen, dass selbst noch „billigere finanzielle Wahlkampfhelfer“ die FDP aus der Versenkung nicht wieder hervorholen können.
„Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten. Vom Feinde bezahlt, dem Volke zum Spott. Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann gnade Euch Gott !“

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