Paralleltarif in der Kritik

Personenbeförderungsrecht, Taxitarife.
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jr
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Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von jr » 08.10.2014, 17:37

Die Hamburger wollten ihn, die Niedersachsen auch: Strecke und Zeit sollten gleichzeitig die Taxameteranzeige voran treiben. Doch der Paralleltarif hat außerhalb des Taxigewerbes wenig Freunde gewinnen können. Die Hamburger Behörden setzten ihre eigenen Vorstellungen auf Basis des bisherigen Karentarifs durch, Hannover zieht jetzt nach. In OL wurde der Umstieg zum Paralleltarif zwar schon in der Zeitung verkündet, er dürfte aber durch ein klassisches Modell ersetzt werden. In OS sieht es dagegen anders aus: Hier hat die Tarifvorlage die erste Ausschußhürde schon genommen.

Aus Hannover gibt es eine ausführliche Stellungnahme zur Ablehnung: http://www.hannover.de/Service/Presse-M ... Taxipreise - Die unter dem Text verlinkte Präsentation zeigt neben der Unberechenbarkeit einen weiteren Kern der Kritik recht deutlich auf. Preissteigerungen bis über 70 % lassen sich auch unter Mindestlohnbedingungen schlecht verkaufen. Immerhin sind in Hannover je Beispielstrecke drei verschiedene Zeitbedarfe angegeben. Die Osnabrücker Vorlage basiert dagegen auf einem völlig unrealistischen Zeitbedarf. 30 km/h bzw 36 km/h sind dort weder tagsüber noch nachts machbar, so daß die angestrebte Erhöhung deutlich höher ausfallen dürfte, als die Zahlen zeigen.

Keine Frage: Der Mindestlohn erfordert ein Nachdenken, wie er zu finanzieren ist. Das Modell "Lohn nach Zeit - Tarif nach Zeit" ist da nicht ganz abwegig. Aber es birgt in der beabsichtigten Form eine gewaltige Tücke: Die Preissicherheit ist damit Geschichte. Während man Kunden bisher recht genau den Fahrpreis ansagen (und im Fall der Karenztarife auch Bescheissereien und Umwegfahren aufdecken) konnte, braucht man bei einem Paralleltarif eine Glaskugel. Denn hier wird die Fahrgeschwindigkeit zum dominierenden Element.

Daß die Verkehrssituation sich auf den Fahrpreis auswirkt, kann man im Sinn einer Lenkungsfunktion sogar noch als wünschenswert bezeichnen. Der Preis ist bei einem Paralleltarif aber anders als bei einem Karenztarif durch den Fahrer manipulierbar oder etwas positiver ausgedrückt: beeinflußbar. Bei einem Karenztarif liegt der Einfluß des Fahrers im Prinzip bei Null. Bei einem "Klassiktarif" mit Umschaltgeschwindigkeit ist der Fahrpreis in kleinem Ausmaß manipulierbar, z.B. durch das gezielte schnelle Heranfahren an rote Ampeln. Ich habe schon Beiträge in Verbraucherforen gesehen, wo Fahrgäste diese Wirkung verstanden und kritisiert haben. Im Einzelfall geht es dabei aber nur um einige Cent, erst die Masse bringts. Kurz: Vielleicht 1 % des Fahrpreises unterliegen dieser Manipulationsmöglichkeit.

Beim Paralleltarif liegt der manipulierbare Anteil erheblich höher. Durch gezieltes Langsamfahren lassen sich insbesondere hilflose (ältere, betrunkene, uninformierte) Fahrgäste abziehen. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß die Fahrer (nicht alle, aber eben doch eine relevante Menge) sich diese Option entgehen lassen. Gegenüber dem gelegentlich praktizierten Abzocken mit der Zuschlagtaste dürfte das über den mitlaufenden Zeittarif viel leichter zu handhaben sein, da der Einfluß der Zeit anders als der des Zuschlags "weich" und nicht konkret faß- und aufdeckbar ist. Dadurch könnte auch die Zahl der Fahrer steigen, die ihre Umsätze auf diese Weise aufbessern. Nun mag man erwidern: Der Umsatz ist nicht mehr relevant, wenn es Stundenlohn statt Prozenten gibt. Das mag ich aber nicht glauben. Denn anders als bisher dürfte künftig ein immenser psychischer Druck auf den Fahrern liegen, zum Lohn passende Umsätze reinzuholen oder im Falle des Mißlingens nach Haus gehen zu dürfen. Diejenigen, die halbwegs korrekt die Geschwindigkeitslimits einhalten, werden sich Forderungen der (tarifkundigen) Fahrgäste ausgesetzt sehen, mehr aufs Gas zu treten. Und sie könnten sich Abzocker-Vorwürfe einzuhandeln, falls sie dem nicht nachkommen.

Links zum Thema:

Vorschlag der Landeshauptstadt - Alternativmodell für höhere Taxipreise
http://www.hannover.de/Service/Presse-M ... Taxipreise

GVN hält das Modell der Stadt für "eine Katastrophe"
http://www.ndr.de/nachrichten/niedersac ... xi332.html

Verwaltungsvorlage Osnabrück
https://ris.osnabrueck.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1004885

Taxiunternehmen wollen von Fahrgästen 25 Prozent mehr
http://www.noz.de/deutschland-welt/nied ... ozent-mehr

Taxifahren in Osnabrück wird ab Januar teurer
http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/ar ... uar-teurer

Taxikunden in Oldenburg sollen bei Stau mehr zahlen
http://www.nwzonline.de/oldenburg/wirts ... 47838.html

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von alsterblick » 10.10.2014, 00:32

Glaube, viele Taxifahrer hätten der Fahrpreismitgestaltbarkeit momentbedacht wegen, gerne den Paralleltarif , um Schmerzgrenzen bei FG mal zu testen. Die unabsehbaren Folgen lägen eben auch für viele EWU unerkennbar hinterm Mützenrand. :shock:
Zum Glück kennt die HH_Behörde ihre Kutscher bereits und macht nicht noch so!ne Spielwiese auf. :mrgreen:
Zuletzt geändert von alsterblick am 10.10.2014, 00:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Otto126
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Beitrag von Otto126 » 11.10.2014, 22:46

jr hat geschrieben: Denn anders als bisher dürfte künftig ein immenser psychischer Druck auf den Fahrern liegen, zum Lohn passende Umsätze reinzuholen oder im Falle des Mißlingens nach Haus gehen zu dürfen.
Wieso "anders als bisher?"
jr hat geschrieben: Diejenigen, die halbwegs korrekt die Geschwindigkeitslimits einhalten, werden sich Forderungen der (tarifkundigen) Fahrgäste ausgesetzt sehen, mehr aufs Gas zu treten. Und sie könnten sich Abzocker-Vorwürfe einzuhandeln, falls sie dem nicht nachkommen.
Der erste, der das versucht, geht zu Fuß weiter...
"In der Lebenswelt gibt es drei Kategorien, das Essbare, das Kopulierbare und das Gefährliche"

"Mir gefällt Ihr Benehmen nicht."
"Macht nichts. Ich verkauf's ja nicht."

Wat woll'n die Atzen eigentlich von mir?

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von HW » 12.10.2014, 00:50

jr hat geschrieben:Die Hamburger wollten ihn, die Niedersachsen auch: Strecke und Zeit sollten gleichzeitig die Taxameteranzeige voran treiben.
Man sollte es aus Sicht der Kunden sehen.
Ich stelle gerade in der letzten Zeit fest das mich am Ende der Tour die Fahrgäste fragen was es kostet. Sie nehmen das Taxameter gar nicht war.

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von nightrider » 12.10.2014, 07:00

Warum nur geht es bei jeder Sache die neu ist immer sofort darum, dass und wie man besch... kann?

Für mich wäre der Paralleltarif der einzig Richtige. Bei jedem Handwerker wird Zeit + Material berechnet, warum nicht bei uns?

Material = Auto + Verschleiß usw. = Kilometerpreis, Zeit ist die Zeit die der Chauffeur für den Kunden aufwendet (Arbeitszeit)
Sprich der Kunde zahlt die Gesamtleistung, nicht nur Kilometer. Wenn man mit dem Kunden im Stau steht ist das Heute „Schicksal”, der Kunde ärgert sich der Fahrer und Unternehmer hat kaum was davon, obwohl es seine Arbeitszeit ist und er auch nichts dafür kann.

Kurz dieses Modell ist das Gerechteste das machbar wäre, wie in jeder anderen Branche, sei es Dienstleistung, oder Handwerk und nur so kann man auch Preise erzielen die eine vernünftige Bezahlung des Personals ermöglichen, dann kann man auch guten Fahrern etwas mehr geben.

Wenn ein Handwerker eine Wand einreissen soll die eigentlich „normal” aussieht und dann stellt sich bei der Arbeit heraus die hat einen Betonkern, oder da laufen zig Leitungen durch und dadurch dauert alles doppelt so lang, dann muss die doppelte Zeit eben bezahlt werden, zusätzlich evtl noch anderes Material für Änderungen. Ist überall völlig normal.
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von Jim Bo » 12.10.2014, 11:40

Ich sehe das Problem vor allem darin, dass wir zum Rasen genötigt werden.

Leute, die heute schon nörgeln, weil man eine andere Route wählt als die Kürzeste... aus welchem Grund auch immer... werden nach diesem System genauso rumnörgeln, wenn man an einer roten Ampel steht, in ein Stau gerät, auf der langsameren Fahrspur fährt.

Ich sehe es kommen, dass man sich mit dem Fahrgast streiten wird, von wegen:
"Ach es geht Ihnen nicht schnell genug? Wenn ich hellsehen könnte..."

Die Beteiligung am Straßenverkehr ist kein Wettrennen. Ich habe mich nie gegen die Karenzminute ausgesprochen, weil diese uns vor dem schützt, was wirklich lebensgefährlich ist.
"Oh Mann, wie der Typ nervt, es geht einfach nicht schneller. Obwohl die Ampel wird gerade rot. Wenn ich da jetzt rüberfahre, geht der nächste Abschnitt schneller. Also gut, Gas geben. Oh nein, ein Kind läuft über die Straße, ich kann nicht mehr ausweichen. Aaaaaaah."

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von mario » 12.10.2014, 11:47

Dazu muss man noch sagen, daß mindestens 95% der Hamburger-Fahrgäste wissen nichts von der Karenzminute.
Dadrunter auch Stammkunden/Vielfahrer, Geschäftskunden etc.
Und das obwohl die schon seit ca. 14 Jahren bei jeder Fahrt an die Fahrgäste verschenckt wird.
Zuletzt geändert von mario am 12.10.2014, 11:48, insgesamt 1-mal geändert.
Für meine Grammatik und Interpunktionsfehler übernehme ich keine Haftung

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alsterblick
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von alsterblick » 12.10.2014, 13:05

mario hat geschrieben: mindestens 95% der Hamburger-Fahrgäste wissen nichts von der Karenzminute.
Widerrede :!:

Verbeiß dich nicht im Begriff „Karenzminute“.
Entscheidend ist, was die Fahrgäste wahrnehmen.
Nämlich, dass die Taxiuhr (an der Ampel stehend) bis 1 Min lang nicht weiterläuft.
Wohl aber läuft die Taxiuhr stillstehend ab 1 Min weiter (auch an der Ampel / im Stau).

:arrow: Insofern stelle ich Deine Behauptung: „95% der Hamburger….“
zu 100 % in Zweifel. :idea:

PS
Übrigens gehört sich auch eine Quellenangabe dazu, es sei denn, es ist Deine persönliche Ermittlung.
Auch dann schreib das bitte dazu.
Meine FG wussten in mancherlei Gespräch übrigens sehr wohl um die Bedeutung.
Der Begriff „Karenzminute“ ist dabei zu 100% unerheblich !
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von nightrider » 12.10.2014, 16:40

Jim Bo hat geschrieben:Ich sehe das Problem vor allem darin, dass wir zum Rasen genötigt werden.
Also mich nötigt kein Mensch, ich fahre so wie ich es für richtig halte, es ist mein Führerschein und meine Verantwortung und wenn es Einem absolut nicht passt, bleibe ich stehen, kassiere und er kann gehen wohin er will, Ende.

In der Praxis kam das in all den Jahren 1 x vor und zwar ganz genau so w.O.. Der kann sich dann beschweren wo immer er will das geht mir am A. vorbei.
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von E. G. Engel » 12.10.2014, 17:39

Interessante Zusammenfassung mit viel Liebe zum Detail gemacht. 1+.



Allgemein.


Im Taxengewerbe ist vieles nicht mehr im Lot, war es vielleicht oder besser, wahrscheinlich, auch nie. Die Frage kann nur sein, wie viel. So hat z.B. das Hamburger Gutachten (1. Teil) 2005 gezeigt dass es fast nur noch „vermietete Taxen“ an Hartz IV Empfänger auf der Straße waren. Der Wettbewerb über den Weg von Steuer- und Sozialabgabenbetrug plus illegal bezogener Hartz IV Leistungen hatte in Hamburg einen unrühmlichen Höhepunkt erreicht, die Geschichte des Hamburger Taxenunternehmers S. in der Spitze mit 170 Taxen dürfte bekannt sein. Der gesellschaftliche Schaden dürfte zu dieser Zeit für Hamburg ca. 40 Mio. € +- per anno gewesen sein. Berlin dürfte heute noch ähnliche Verhältnisse wie damals Hamburg aufweisen wobei der „Schaden“ aber über 80 Mio. € per anno liegen dürfte.


Ist hier im Forum schon alles gesagt worden. Warum jetzt schon wieder? Es ist wichtig noch einmal festzuhalten dass diese Summen, 40 Mio. €, 80 Mio. € und in anderen Tarifgebieten entsprechend, aus der wirtschaftlichen Betrachtung heraus letztendlich eine massive Subvention des Dienstleistungsangebotes Taxi bedeuten welche sich nicht nur in einer illegalen Wirtschaftlichkeit des Verkehrsmittel Taxi niederschlägt bezogen auf Unternehmer/Fahrer, sondern sich auch in einer massiv verzerrten Erwartungshaltung der Öffentlichkeit niederschlägt. So können Beamte der Verkehrsgewerbeaufsichten und Kommunalpolitiker Tarife beschließen die genau genommen aus dem Ärmel geschüttelt werden und der Sache nicht gerecht werden und zusätzlich noch ein Mengenangebot auf die Straße bringen, sprich Verfügbarkeit, die einer wirtschaftlichen Betrachtung regelrecht Hohn spricht.


Jetzt kommt der ML. Die wesentliche Eigenschaft des ML liegt für das Gewerbe darin, und das ist die eigentliche Neuerung, dass nun im großen Umfang die „Subventionen“ (siehe oben) zu einem großen Teil wegfallen werden. Die „echten Personalkosten“ werden qualifizierbar und quantifizierbar werden und das illegale Wirtschaften immens erschweren bis unmöglich machen respektive das Risiko immens erhöhen. Auf gut deutsch gesagt, in Zukunft weniger „Subventionen“ für das Verkehrsmittel Taxi auf Kosten des/der Steuerzahlers/Sozialversicherer und weniger Hartz IV Betrug weil mehr Lohn auf der Abrechnung des Fahrers stehen wird, stehen werden muss. Um das auf einfache Art zu verstehen, stelle man sich einmal vor dass jede zweite Taxe bsw. in Berlin mit 2.000.- € pro Monat illegal subventioniert wird. Dies wird durch die über den ML besser mögliche steuer- und abgabenrechtliche Nachkalkulation in Frage gestellt.


Um es zum Abschluss der allgemeinen Betrachtung noch einmal auf den Nenner zu bringen:

Gewerbe, Beamte, Kommunalpolitiker und Nachfrager (Kunden) haben sich bisher an ein Kosten- und Mengenangebot regelrecht gewöhnt dass es genau genommen bei Beachtung bundesdeutschen Rechtes so nie hätte geben dürfen. Übertrieben (?), nun sollte Schluss sein, nix mehr mit Taxi in drei Minuten für (zu?) kleines Geld.



Preiserhöhungen statt Strukturreformen?

Kommen wir zum engeren Thema. Derzeit, ausgehend von den unrealistischen Vorstellungen des BZP, sollen überall die Tarife dem ML, bzw. dem illegalen Wirtschaften, angepasst werden. Dabei ist eines klar, Preiserhöhungen anstelle von Strukturreformen sind i.d.R. kontraproduktiv. In den Letzten Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Unternehmensberater von McKinsey. Wir waren uns einig.


Um das Problem zu verdeutlichen. Man stelle sich ein Fahrzeug vor wo die Assistenzsysteme ESP, ABS etc. nicht richtig funktionieren, der Verbrauch ist zu hoch und die Kiste klappert und infolge dessen hapert es mit dem Absatz. Umsatz- und Renditeprobleme folgen. Fahrzeuge stehen auf Halde. Sollte man in dieser Situation die Preise erhöhen um die Rendite zu sichern? Eine Firma die so regiert kann gleich die Insolvenz anmelden. Und es ist zu befürchten dass es Teilen des Taxengewerbes ähnlich ergehen wird. Denn ob der Markt, die Kunden, den Vorstellungen des Gewerbes folgen wird dürfte fraglich sein. Das Problem könnte selbstverstärkend werden. Um es rein fiktiv auf eine Rechnung zu bringen. 15% Tarifsteigerung gehen einher mit 15% Nachfragerückgang. Wer bezahlt dann nun den ML? Alles in Butter? Oder die nächste Tarifrunde? Und was machen wir 2017 (FT)? Die nächste 20%-Tarifrunde weil auch Taxenunternehmer Steuern zahlen müssen?


Soweit zum Grundproblem. Dieses sollte man immer im Kopf haben wenn man (Struktur)Probleme versucht über Preise zu lösen.


Bevor ich jetzt über die diversen Tarifmodelle meinen Senf ablasse ein Resümee in Bezug zu den zwei vorausgegangenen Themen.


Das Gewerbe wird sich daran gewöhnen müssen die Geschäftsbücher, vor allem die Personalkosten, näher an die Wirklichkeit heran zu führen. Das wird weh tun.


Die Beamten/Kommunalpolitiker werden sich daran gewöhnen müssen ihre Rechtsaufsicht mehr war zu nehmen und auch den wirtschaftlichen Part des PBefG ins Auge zu fassen, vor allem die Relation Tarif zur Angebotsmenge in Abhängigkeit der Nachfragekomponente. Sie werden sich vor allem daran gewöhnen müssen dass das Gewerbe die Lücke zur echten Wirtschaftlichkeit nicht mehr mit Steuer-, Sozialabgaben- und Hart IV Betrug wird schließen können. Schlecht gelaufen.


Die Kunden werden sich so langsam an echte Preise und an eine wirtschaftlich vertretbare Verfügbarkeit gewöhnen müssen. Nix mehr mit Taxi zu jeder Zeit um die Ecke zu kleinen Preisen. Sie werden ev. lernen müssen ihr Taxi zu disponieren. Wer zu Nachfragespitzen einen Platz im Lieblingsrestaurant haben will bestellt auch vor. Wer das nicht will muss eben warten bis ein Platz frei wird. Business as usual.



Welcher Tarif ist der richtige?

In Bezug zu dem bisher gesagtem kann eine Tarifdiskussion genau genommen nur theoretischer Natur sein.


Zur engeren Wahl an Tarifstrukturen stehen, jr hat es gut vorgezeichnet:

a. Optisch hoher km-Tarif mit Karenzminute, faktisch ohne extra ausgewiesenen Zeitanteil, soll/ist im km-Preis enthalten/eingearbeitet.

b. Optisch mittlerer km-Tarif ohne Karenzminute, wechselt unterhalb einer Geschwindigkeit x km/Std. in den Zeittarifmodus,


c. Optisch geringer km-Tarif mit permanent mitlaufendem Zeitanteil (Uberpop-Tarif)

Unterschiede in der Einschaltgebühr sind vernachlässigbar.


Die Unterschiede in der Optik verschwinden allerdings sofort wieder wenn der Fahrgast die Rechnung begleichen muss. Die Optik verschwindet für Unternehmer/Fahrer auch am Ende eines Kalkulationszeitraumes wieder wie Monats- oder Jahresende. Denn entscheidend für einen Tarif muss sein welchen Beitrag er dazu liefern kann dass am Ende der Umsatz stimmt um einen Taxibetrieb im Rahmen geltenden Rechts betreiben zu können.


Aus der Gewerbesicht kommt dann aber noch das gefühlte Preis-/Leistungsverhältnis dazu. Wer die Dinge und den Tarif immer nur aus der Froschperspektive, aus der gerade gefahrenen Tour betrachtet, also sich selbst nur wie ein Tagelöhner sieht, wird mit der Variante a. sehr unzufrieden sein wenn er im Stau steht. Meist steckt er dann aber gerne stillschweigend in den km-Tarif einkalkulierte Zeit ein wenn er zügig vorankommt. Gewerbetreibende mit Tarif Typ a. schauen neidisch auf Gewerbetreibende mit Tarif Typ b. (Zeitanteil). Gewerbetreibende mit Tarif Typ b. schauen neidisch auf €/km- Werte von Gewerbetreibenden mit Tarif Typ a.. Nachtfahrer mit Tarif Typ a. sind happy, Tagfahrer mit Tarif Typ a. sind angesäuert.


Und, was bestimmt gerne übersehen wird, wenn die Taxe steht, also auf Kundschaft wartet, läuft bei der Variante c. auch das Taxameter nicht und der ML muss trotzdem finanziert werden!!!


In dieser Art kann man ganze Seiten füllen und wird zu keinem Ergebnis kommen. Denn alle Formen eines Taxentarifes haben Vor- und Nachteile. Je nach persönlichem Gefühl oder anderen Umständen.


Aus der Gesamtsicht ist immer entscheidend welcher Umsatz in einem Kalkulationszeitraum erzielt werden kann und wird. Egal mit welchem Tarif. Und in dieser Folge kommen wir zu folgenden Fragen:


- Welche zu erwartenden Rückwirkungen auf die Nachfrage (Kunden) und damit auf den Umsatz hat ein Tarif (Preiselastizität der Nachfrage)?


- Welche zu erwartenden Rückwirkungen auf das Angebot (Taxen) und damit ebenfalls Umsatz pro Taxe hat der Tarif (Preiselastizität des Angebotes)? Hier ist noch besonders zu berücksichtigen dass die Umsätze des Taxengewerbes (Personenbeförderung) zunehmend auch für bisher externe Marktteilnehmer interessant werden wie Uber und Co. Der Preis pro Tour wird dabei eine Schlüsselfunktion übernehmen.


- Und letztendlich. Wird das Ziel höherer Umsatz mit den angedachten Preissteigerungen erzielt?





Mein persönliches Resümee.


Variante a:

Obwohl ich früher anders gedacht habe, halte ich die Variante a. für die beste. Nicht nur ich weiß was die Tour bringt sondern der Fahrgast auch. Natürlich ist es ärgerlich im Stau zu stehen und das Taxameter läuft nicht. Andererseits fahre ich manche Touren auch zügig und bekomme Zeit vergütet welche ich nicht benötigt habe. Auch ich vergesse dies manchmal. Ärgerlich ist auf jeden Fall die optisch hohe Darstellung des Tarifes. Vor allem wenn auf dem Tarifaufkleber 30.- €/Std. stehen die ich so nicht ansatzweise bekomme. Schwachsinn. Die Gefahr bei diesem Tarif liegt u.a. darin dass manche Kundengruppen sich quersubventionieren lassen. Bsw. die Oma um 10:00 Uhr zahlt hier für den Geschäftsmann um 17:00 Uhr mit. Aber das muss nicht sein. So habe ich schon 2008 vorgeschlagen den km-Preis zeitlich zu staffeln. Ebenfalls wäre konsequenter zu überlegen wie die unterschiedlich verbrauchten Zeitanteile einer Fahrt vor allem bei kurzen Touren sich fix und transparent einarbeiten lassen. Ich denke dass wir in überschaubarer Zukunft noch einige Tarifgestaltungen erleben werden. Für mein Wohlbefinden ist es aber wichtiger schneller eine Anschlusstour zu bekommen als x% Tariferhöhung, dann stecke ich auch gerne eine wenig lukrative kurze Tour weg. Bei mir wird am Ende des Monats und am Ende des Jahres gezählt. Und wenn es nicht passt dann weil es insgesamt zu viele Marktteilnehmer gibt die sich die Reifen eckig stehen und nicht wegen x% Tarif.


Variante b:

Vor 2000 war in Hamburg auch diese Variante üblich. Die von jr vorgebrachten Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen, wobei jr irrt, 2% sind in Hamburg statistisch schon mit der Karenzminute gegeben. Dabei ist es weniger interessant um wie viele Cent es sich handelt, sondern mehr darum dass der Fahrgast sich während der ganzen Fahrt veräppelt fühlt. Polemisch, mit 30 km/h auf die Grüne Ampel zu und mit 70 km/h auf die rote. Oder, wo ist gerade der Stau? Denn 30.- €/Std. sind im Tagesgeschäft eine Schallmauer. Mittlerweile ist der Zeitanteil in Hamburg schon besser eingearbeitet. Hilfreich war die letzten Tariferhöhungen sowie die von mir bei der Anhörung 2008 eingebrachte Kritik an dem „stufenlosen“ Tarif. Seitdem werden „kurze“ und lange“ km unterschiedlich gewichtet. Wer aber diese Variante will soll sich im Klaren darüber sein dass dann der km-Tarif massiv sinken wird. Ob sich dann am Ende eines Kalkulationszeitraumes ein „Mehr“ einstellen wird erscheint mir fraglich. Aber ob sich der Frosch besser fühlt wenn die Anzahl der „Mücken“ gleich bleibt? Ich denke dass bis auf relativ wenig Spielraum die massivsten Verwerfungen eines Tarifes mit KM egalisiert wurden. Persönlich habe ich keine Lust auf einen Tarif bei dem die Fahrgäste permanent auf das Taxameter glotzen oder mit Misstrauen einsteigen: „Mit welchem Typ Fahrer habe ich es jetzt zu tun.“ Als Kompromiss könnte ich es ansehen wenn „beim Rollen“ es eine Umschaltgeschwindigkeit gibt, aber nicht beim Stehen. Aber das ist jetzt nur ein kurzer, unausgereifter Gedanke.


Variante c:

Diese Idee gibt es schon länger. Erstmals hörte ich von dem Kollegen Alexander Lux in den Jahren 2000 bis 2003 davon. Jetzt, durch Uber und Co. wieder in den Blickpunkt gerückt, scheinen sich auch Gewerbevertreter an dieser Idee zu erwärmen. Aus der Kundensicht ist solch ein Tarif im ersten Moment auch wesentlich preiswerter wie herkömmliche Taxitarife, wobei mit dem Risiko nach oben der Ubertarif lediglich ca. 10 bis 15% günstiger war. Solch ein Tarif ist mit Sicherheit gut dazu geeignet die echten Kosten einer Fahrt zu verschleiern. Das böse Erwachen für den Kunden kommt dann später. Die Leistung einer Beförderung schwerpunktmäßig nach Zeit zu berechnen würde, da gebe ich jr vollkommen Recht, dazu führen dass dieser Faktor von den jeweiligen Fahrern ausgewalzt würde. Ich könnte mir sogar vorstellen dass es dann entsprechende Betriebsanweisungen geben wird. Aber bevor ich mich mit diesem Gedanken ernsthaft auseinander setze würde ich gerne eine Kalkulation sehen die eindeutig zeigt dass sich meine Lage spürbar verbessert. Um den ML zahlen zu können ist diese Tarifvariante nicht notwendig. Denn wenn die Taxe steht läuft auch kein Zeittarif. Vielleicht würden, wettbewerbsbedingt, unter der Hand wieder vermehrt „Festpreise“ vereinbart werden. Viele Kunden würden sie dann verständlicherweise auch fordern.



Schlussbemerkungen:

Ich habe eingangs versucht darzulegen dass gewerbetypische Probleme nicht mit Preisen, Preiserhöhungen, zu bewältigen sind. Für den ML ist unternehmerische Kalkulationen auf Jahressicht unter der Maßgabe gesetzlicher Gegebenheiten notwendig. Palliative Medizin in Form von Tariferhöhungen oder Tarifverschleierung ist keine Überlebensmedizin, sondern verlängert nur das unweigerliche Sterben. Es scheint so dass Taxiunternehmen, siehe auch Unternehmen in Hamburg wie St. und H., letztendlich zu dämlich sind ihre Interessen folgerichtig zu vertreten und weiter zu blicken wie auf die täglichen Einnahmen zu schielen.


Nicht der Tarif muss sich ändern, sondern Unternehmer müssen sich ändern, sie müssen anfangen unternehmerisch zu handeln und nicht nur als Taxenverleiher und Tageskassenzähler zu denken. Ähnliches gilt auch für Behörden und Kommunalpolitiker.


Wir bräuchten eine Grundsatzdiskussion derart, was kann das Taxengewerbe tatsächlich leisten und was nicht. Oder was müsste gegeben sein damit es gesetzlich sauber, wirtschaftlich und dennoch leistungsfähig ist.


Und grundsätzlich. Vielen scheint nicht klar zu sein, dass wir öffentlich konzessionierte Unternehmer sind, reglementiert und mit einem gewissen Schutz. Zugegebenermaßen ist wird die Reglementierung von den zuständigen Stellen schlecht bis nicht vorhanden ausgeführt und verstanden. Daran wäre intensiv zu arbeiten. Aber wer meint das Taxengewerbe wäre ein Handwerk oder ähnlich der sollte eben Handwerker werden oder einen anderen Betrieb gründen in dem er machen kann was er will und auf diesen Schutz verzichten. Zur Öffentlichkeit gehört auch Transparenz und Schutz der Öffentlichkeit vor Willkür. Auch taxitariflich. Ich bleibe dabei. Das Taxigewerbe wird über kurz oder lang in irgendeiner Form dereglementiert werden. Vergleichen wir uns selber mit x-beliebeigen Betrieben dann ist dies ein weiterer Schritt dazu. Wo ist eigentlich die Angst der Taxileute vor den Mietwagen geblieben? Gibt es keine Mietwagen mehr?



It’s showtime. Kino, ganz großes Kino.





Direkte Reaktionen auf bisherige Beiträge:

Zitate nightrider:

„Warum nur geht es bei jeder Sache die neu ist immer sofort darum, dass und wie man besch... kann?“

Weil sobald irgendwo eine Lücke auftaucht ein Taxenunternehmer kommt und versucht diese Lücke mit Sch…. zu füllen. Erfahrungswerte. Reicht das?


„Sprich der Kunde zahlt die Gesamtleistung, nicht nur Kilometer.“

Tut er, zumindest in Hamburg. Wenn Du es nicht erkennen kannst dann ist es Dein Problem.



Zitate jr:

„Die Hamburger wollten ihn, die Niedersachsen auch: Strecke und Zeit sollten gleichzeitig die Taxameteranzeige voran treiben.“

Ne, der Hansafunk will ihn. Schon deshalb weil seine Fahrzeuge laufend (?), also zeitlich, im Einsatz sind. Die können den ML schon mit dem derzeitigen Tarif locker bezahlen.


„In OS sieht es dagegen anders aus: Hier hat die Tarifvorlage die erste Ausschußhürde schon genommen.“

Na denn, viel Spaß. Hoffentlich haben die Vollauslastung.


„Keine Frage: Der Mindestlohn erfordert ein Nachdenken, wie er zu finanzieren ist.“

Da gebe ich Dir vollkommen Recht. Allerdings ist der Tarif der falsche Ansatzpunkt. Wie wäre es mit einer vernünftigen betrieblichen Kalkulation? Schließt u.U. ein gesundschrumpfen, Konzentration auf das machbare, wesentliche mit ein.



Engel

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von Jim Bo » 12.10.2014, 19:00

Hallo E.G. Engel,

Vielen Dank für deine Recherche.

Man kann in Zukunft davon ausgehen, dass Taxifahrer keine Einzelkämpfer mehr sind, sondern ein Team.
Jedes Fahrzeug muss gepflegt und gewartet werden. Schiebt man diese Aufgaben auf den Tagfahrer ab, so kann der Nachtfahrer sich in den Umsatz stärksten Zeiten auf die Touren konzentrieren.

Der Umsatz einzelner Fahrer spielt keine Rolle. Entscheidend ist der Gesamtumsatz einer Firma. Multikonzerne, die sich nicht ausschließlich aus den Umsätzen der Fahrer ernähren, werden am erfolgreichsten sein. Sie haben mehrere Einnahmequellen und sind nicht darauf angewiesen einen Mindestumsatz für jeden Fahrer zu fordern.

Mein Tipp an die Kollegen: Sucht euch am besten ein Multikonzern.

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von am » 12.10.2014, 23:07

@ Engel

Einziger Kritikpunkt von meiner Seite ist die "fiktive Annahme" von 15% Preissteigerung = 15% Nachfragerückgang.

Es gibt sicherlich einen Punkt, an dem aufgrund einer Tarifanpassung ein Break Even erreicht werden wird, wenn man es so bezeichnen will. Der wird jedoch vermutlich von so vielen Faktoren abhängen, wie es Tarifgebiete gibt.

Allerdings kenne ich außer der theoretischen Behauptung "wenn wir die Preise anheben, fahren die Leute nicht mehr", keinen einzigen belegten Fall, auf den dies nachweislich zutrifft. Ja, ich führe wieder Lübeck an, denn weder bei der über 20 prozentigen Erhöhung vor vier Jahren, noch jetzt aktuell bei (gestaffelt zum 1.10. und 1.1.) knapp 13% gab und gibt es tatsächliche, auf die Anpassung zurückzuführende Rückgänge. In der langjährigen Betrachtung, 23 Jahre, kann ich da keinen Zusammenhang herstellen.

Alles andere, was Du nicht zum ersten Mal anführst, mag ja richtig sein, allem voran das strukturelle Überangebot, zumindest in den meisten Städten.

Jedoch frage ich mich, wo genau liegt der Break Even?

Und weiterhin würde 1% Rückgang pro 1% Tarifanhebung unter'm Strich immer noch einen um die sinkenden variablen Kosten erhöhten Ertrag bedeuten, wenn es denn so einträte.
Es gibt kein gefährliches Halbwissen, aber zu viele schlechte Informationen.

E. G. Engel
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von E. G. Engel » 13.10.2014, 00:22

Bevor ich antworte.

Glaubt irgend jemand dass nach den anstehenden Tariferhöhungen, egal welche neue Struktur der Tarif haben wird, dass das Getrickse im Gewerbe aufhören wird?

Glaubt jemand dass nicht 12 Std. Schichten auf 8 Std. oder 6 Std. heruntergerechnet werden und ein Teil schwarz über den Tisch geht oder wie man es sonst noch machen könnte. Es gibt zu viele im Gewerbe die auf Zuschüsse von Peter Hartz nicht verzichten wollen. Und der Unternehmer spart auch wieder seine USt, Sozialkosten, etc. Seien wir doch nicht naiv. Hoffentlich fühlen sich viele verschei.ßert wenn das Gewerbe wegen ML in der Presse erscheint.

Und je mehr Zeitanteil im Tarif umso schlechter die Nachkalkulation. Ganz schön clever. Die Tariferhöhungen sollen also den ML ermöglichen. Da bekomm ich doch glatt wieder Schweißfüße.



@ am


Ich bewerte in erster Linie aus Hamburger Erfahrungen. Ich habe bewusst „fiktiv“ geschrieben. Aber allgemein. Wir haben in Deutschland seit 2, 3 Jahren einen wirtschaftlichen Sonderfall. Insgesamt scheinen die Touren und damit die Nachfrage mehr geworden zu sein. Wir haben trotz schwachen € fallende Rohstoffnotierungen in €, z.B. Rohöl (Treibstoff), und deutsche Qualitätsprodukte gibt es in der Welt zum Schnäppchenpreis. Aber alles hat ein Ende. Die ersten Wolken zeichnen sich ab.


Sicher ist es richtig bei tariflichen Betrachtungen die jeweilige Regionalität einfließen zu lassen. Was kostet eine mittlere Tour in Lübeck? Du weißt es besser wie ich. Von welchem Niveau kam Lübeck? Auch das weißt Du. Für Hamburg kann ich sagen dass eine mittlere Tour, vorgestern vom Flughafen zur Neubertstraße ca. 23,50 € kostete, heute vom Flughafen zur Methfesselstraße/Lutherotstrasse € 22.50. Eine Tour wo man als Flughafenfahrer vor 2 bis 3 Jahren ein grimmiges Gesicht gemacht hat (ca. 13 bis 14 €) kostet heute ca. 18.- €. Ich denke, nur meine persönliche Meinung, dass wir den „Break-even“ schon überschritten haben. Wir merken es nur noch nicht. Jetzt kommt noch die Vorweihnachtszeit, da haben die Leute besseres zu tun als über Taxipreise nachzudenken. Aber im Januar sind die Taschen wieder leer. Dann sehen wir weiter. Am meisten Angst habe ich vor den Kunden die nichts sagen und schweigend den geforderten Preis zahlen, so als wenn nichts geschehen wäre.


Aber um mit Deinen Worten zu sprechen. Ich will gar nicht wissen wo der „Break even“ ist, denn wenn ich es weiß, dann ist es zu spät. Natürlich kann man mit einer konservativen Einschätzung daneben liegen wenn man die Zukunft einschätzen will. Tut man es aber nicht, dann ist der Weg zurück meist nicht möglich. Es geht für viele Kollegen die noch jünger sind nicht nur um die nächsten 3 Jahre sondern es geht um den Geschäftserhalt für die nächsten 30 Jahre. Hast Du Kinder? Verantwortliche Positionen muss man vorher einnehmen, nicht hinterher wenn nichts mehr zu ändern ist. Dann heißt es: „Hätte, hätte, Fahrradkette.“


Und als Zitat:

„Und weiterhin würde 1% Rückgang pro 1% Tarifanhebung unter'm Strich immer noch einen um die sinkenden variablen Kosten erhöhten Ertrag bedeuten, wenn es denn so einträte.“


Wir wollen doch nicht kleinlich werden. Und wie sieht es dem motivationalen Faktor aus, der Arbeitszufriedenheit? Du weißt doch: „Müßiggang ist aller Laster Anfang.“ Und wie sieht es mit dem Tipp aus? Den bekommst Du doch pro Tour, oder pro Minute Standzeit?


Aber wir müssen uns nicht einig werden. Du bleibst in Lübeck und ich in Hamburg. Und noch ein Sprichwort: „Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht.“


Meine Restlaufzeit als Taxifahrer ist absehbar. Was stört es mich. Ich nehme jetzt mit was es gibt und nach mir die Sintflut.


In diesem Sinne, it's showtime. Kino, ganz großes Kino.

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von nightrider » 13.10.2014, 00:27

@ am
Der Break Even ist so flexibel wie es Firmen und Konstrukte gibt, sprich bei praktisch Jedem anders.
In unserer Branche gibt es leider sehr wenig wirklich durchkalkulierte Betriebe, viel zu viel arbeiten aus dem Bauch raus und betrachten nur den Umsatz als allein seeligmachende Größe zur Beurteilung ihrer Situation. Den wirklich exakten Break Even für ihre Firma, ihr Auto kennen so behaupte ich wenn es hochkommt 10% aller Taxiunternehmer, ist aber schon sehr hoch gegriffen.

Der Break Even ist der Punkt an dem nach allen Kosten Gewinn erwirtschaftet wird, aber wer kennt schon wirklich alle Kosten? Besonders die die nicht offensichtlich täglich vorliegen.

Genau das ist nämlich der Knackpunkt der gesamten Branche. Wichtig ist nicht wieviel Umsatz mache ich, sondern was kostet mich der Umsatz den ich mache. Bei uns wird mit purem Umsatzdenken viel zuviel Umsatz teuer erkauft. Hier gilt wie so oft im Leben, Weniger ist manchmal mehr.

Übrigens ich kenne auch keinen einzigen belegbaren Fall bei dem eine Preisanhebung Umsatzeinbußen gebracht hätte, eher im Gegenteil.
Zuletzt geändert von nightrider am 13.10.2014, 00:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von E. G. Engel » 13.10.2014, 00:32

Zitat nightrider:

"Übrigens ich kenne auch keinen einzigen belegbaren Fall bei dem eine Preisanhebung Umsatzeinbußen gebracht hätte, eher im Gegenteil."

Kann es sein dass Du Deinen persönlichen Break even schon bei Deiner Geburt überschritten hast?

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von nightrider » 13.10.2014, 00:36

@ engel
kann es sein, dass du deinen Horizont bereits nach der Geburt überschritten hast?
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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von jr » 13.10.2014, 04:53

Zwei Beiträge gelöscht, beißen solltet ihr euch besser draußen.

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von HW » 13.10.2014, 04:57

Jim Bo hat geschrieben:Man kann in Zukunft davon ausgehen, dass Taxifahrer keine Einzelkämpfer mehr sind, sondern ein Team.
Schön wenn man noch Träume hat aber das wird wohl nie passieren.Was hat der Tagfahrer mit dem Nachtfahrer zutun ?
Ich kann dir es sagen:
Nichts , rein gar nichts.
Tanken: Unter 1/2 wird getankt und gleichzeitig gewaschen.
Fenster: putzt der Tagfahrer weil es in der Nacht keinen Sinn macht.(Kunstlicht geht nicht)
Saugen: kann der Nachtfahrer übernehmen und die Matten abkerschern auch.
Jim Bo hat geschrieben:Der Umsatz einzelner Fahrer spielt keine Rolle. Entscheidend ist der Gesamtumsatz
,
das wiederum ist dein Wunschdenken.
Jeder einzelne Fahrer möchte nach seinen Leistungen bezahlt werden und wird nicht seinen Tagfahrer ernähren.
Wenn der Tagfahrer keinen Umsatz erwirtschaftet muss er gehen!
Jim Bo hat geschrieben:Multikonzerne, die sich nicht ausschließlich aus den Umsätzen der Fahrer ernähren, werden am erfolgreichsten sein. Sie haben mehrere Einnahmequellen und sind nicht darauf angewiesen einen Mindestumsatz für jeden Fahrer zu fordern.

Das verstehe ich nicht wirklich was du meinst.
Die füttern dann die unfähigen Fahrer durch ?
Übernehmen sie dann die Aufgaben des Sozialamtes oder erkläre es doch mal näher.
Jim Bo hat geschrieben:Mein Tipp an die Kollegen: Sucht euch am besten ein Multikonzern.
Klar doch , am besten Dr. Oetker

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von jr » 13.10.2014, 04:59

E. G. Engel hat geschrieben:Am meisten Angst habe ich vor den Kunden die nichts sagen und schweigend den geforderten Preis zahlen, so als wenn nichts geschehen wäre.
Weil sie zu den "bösen" Kunden zählen könnten, die später schweigend ein anderes Verkehrsmittel suchen? Oder weil das Taxigewerbe das Schweigen als Verständnis deuten könnte? Oder gar als nicht weiter relevante Ignoranz?

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Re: Paralleltarif in der Kritik

Beitrag von scarda » 13.10.2014, 07:37

nightrider hat geschrieben:... Wichtig ist nicht wieviel Umsatz mache ich, sondern was kostet mich der Umsatz den ich mache. Bei uns wird mit purem Umsatzdenken viel zuviel Umsatz teuer erkauft. Hier gilt wie so oft im Leben, Weniger ist manchmal mehr. ...
Wie jetzt, is doch alles schwarz ... :mrgreen:
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