[MiLoG] Mindestlohn

Löhne, Arbeitsbedingungen, Recht.
eichi
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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von eichi » 06.01.2015, 17:56

Zum Urlaubsentgelt enthält der § 11 Bundesurlaubsgesetz folgendes:
(1) Das Urlaubsentgelt bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes*. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten*², ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.
(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.
* Zum Thema Überstunden hatte JR im anderen Thread was geschrieben.
*² Dies könnte auch eine inzwischen eingetretene Taxi-Tarifänderung sein.
Die Art und Weise der Entgeltberechnung scheint demnach unerheblich zu sein.
Bei der bisher in vielen Betrieben üblichen Praxis der Umsatz abhängigen
Entgeltberechnung (Provisionslohn) ist eine Taxi-Tarifänderung unmittelbar
auf den Bruttolohn wirkend gewesen und somit auch zu berücksichtigen.
Zuletzt geändert von eichi am 06.01.2015, 18:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Haschmich
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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von Haschmich » 06.01.2015, 18:02

eichi hat geschrieben:Zum Urlaubsentgelt enthält der § 11 Bundesurlaubsgesetz folgendes:
Ich nehme jetzt mal an, @LRKN meinte hier die Lohnfortzahlung während seines Urlaubs, also nicht das (zusätzliche) Urlaubsgeld.

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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von eichi » 06.01.2015, 18:11

Ich schrieb deshalb ja von "Urlaubsentgelt"
und nicht vom zusätzlichen Urlaubsgeld.
Ich habe mich in der Wortwahl am Gesetzestext
orientiert, ist ähnlich, aber nicht gleich.
Vergleiche hierzu: das Selbe ./. das Gleiche
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Haschmich
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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von Haschmich » 06.01.2015, 18:23

eichi hat geschrieben: Vergleiche hierzu: das Selbe ./. das Gleiche
Mich hat nur irritiert, dass das Geld vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen ist. Wenn der Taxler am Monatsende sein Geld bekommt, dann kriegt er es doch nicht vor Antritt des Urlaubs.

Er kriegt für eine 40 Stunden Woche 12 x 1473 € Brutto. Das Geld kann er also auch erhalten, nachdem der Urlaub schon beendet ist.

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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von Poorboy » 06.01.2015, 19:50

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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von KlareWorte » 06.01.2015, 20:41

Mindestlohn gilt auch für die Lohnfortzahlung bei Urlaub und Krankheit, auch für Minijobber. Macht man dabei Fehler und weicht nach unten ab, rutscht man automatisch in die Strafbarkeit. Sprich ist kein Urlaub dokumentiert bzw. korrekt ausgezahlt - hat man sich strafbar gemacht. Da werden, auch in anderen Branchen, noch so mancher sein blaues Wunder erleben mit den Minijobbern.

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Re: Mindestlohn und Urlaub

Beitrag von Haschmich » 06.01.2015, 20:48

KlareWorte hat geschrieben:Da werden, auch in anderen Branchen, noch so mancher sein blaues Wunder erleben mit den Minijobbern.
Vor allem, weil einer, der nur den Minijob hat jetzt als arbeitslos gilt. Um nicht als arbeitslos zu gelten, braucht man 15 Stunden in der Woche.

Wenn man aber schon mit 53 Stunden im Monat die 450 € Grenze reißt, ist man kein Minijobber mehr.

Da werden viele Kollegen sich wundern, wenn sie das nächste Mal im Jobcenter (ergänzendes) ALG II wollen und sagen, sie haben ja mehr als 53 Stunden gearbeitet, aber unter 450 € verdient. Deren Unternehmer werden sich noch viel mehr wundern.

Genauso werden sich voll erwerbsgeminderte Rentner wundern, wenn die Rentenversicherung die Gehaltsbelege sehen will. Entweder er arbeitet wirklich unter den ominösen 53 Stunden, was im Taxigewerbe schon eine doofe Schichtaufteilung wäre, oder er arbeitet darüber, dann verliert er ein Drittel seiner Erwerbsminderungsrente. Auch wenn es nur 450,01 € sind.
Zuletzt geändert von Haschmich am 06.01.2015, 20:55, insgesamt 3-mal geändert.

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90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von SindSieFrei? » 14.04.2015, 14:34

Eine erste Umfrage aus dem Gewerbe veröffentlichte die IG Bremer Taxifahrer:
...Ein Vierteljahr nach Einführung des flächendeckenden Mindestlohns (ML) ist es an der Zeit für eine erste Bestandsaufnahme zur Situation im Taxengewerbe...
http://www.ig-bremer-taxifahrer.de/unse ... ndestlohn/
Zuletzt geändert von SindSieFrei? am 14.04.2015, 14:37, insgesamt 1-mal geändert.
Dura lex, sed lex.

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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von LRKN » 14.04.2015, 15:21

Wenn dies alles stimmt ist es wohl notwendig, dass der Zoll mal in Bremen einmarschiert und sämtliche Unternehmer auf den Kopf stellt.

Ich will mal auf meine Petition verweisen: Durch die flächendeckende Einführung von Fahrtenschreibern würde eine Umgehung des ML deutlich erschwert werden. Denn selbst wenn die Angestellten einer falschen Aufzeichnung der Arbeitszeit zustimmen würden, könnte ein Fahrtenschreiber die realen Arbeitszeiten lückenlos und gerichtsfest dokumentieren.

Man kann aber nur grundsätzlich hoffen, dass der Zoll wirklich sehr bald aktiv wird und die ersten Arbeitgeber auflaufen lässt. Das wird sich sicherlich dann auch schnell rumsprechen und zu mehr ehrlichkeit bei den restlichen führen. Und man kann hoffen, dass die SPD in Sahcne Arbeitszeitaufzeichnung hart bleibt und das gejammer der Arbeitgeberseite ignoriert.

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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von eichi » 14.04.2015, 17:51

Zitat LRKN:
Ich will mal auf meine Petition verweisen: Durch die flächendeckende Einführung von Fahrtenschreibern würde eine Umgehung des ML deutlich erschwert werden. Denn selbst wenn die Angestellten einer falschen Aufzeichnung der Arbeitszeit zustimmen würden, könnte ein Fahrtenschreiber die realen Arbeitszeiten lückenlos und gerichtsfest dokumentieren.
Dem ist nur zuzustimmen.
Dieses widerlich/ weinerliche Gejammere div. Arbeitgeber über
den "Bürokratieaufwand" ist grundlos. Wer AN mit Stundenlohn
beschäftigt, musste auch früher die Grundlagen der Entlohnung,
sprich Arbeitszeit, dokumentieren, um den Lohn zu errechnen.

Eben der pervertierte Kaufmannsgrundsatz:
Lerne klagen, ohne zu leiden.
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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von Guter_Kollege » 14.04.2015, 18:27

Schade eigentlich das wir zu meiner Zeit beim HTV eine solche Umfrage nicht hinbekommen haben.
Habe heute noch ca. 10 ausgefüllte Umfragebögen hier liegen.
In Bremen sind sie einfach besser organisiert als in Hamburg. Was sicher auch daran liegt das sie es vorwiegend
mit einer einzigen Taxizentrale zu tun haben. Die sich den freundlichen und fairen Umgang mit Angestellten und
selbstständigen Taxifahrern auch noch verscherzt haben.
Ich rede hier von Solidarität gegenüber den zu mächtigen Taxizentralen.


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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von AsphaltRunner » 18.04.2015, 11:33

Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden

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Anrechenbarkeit von Vergütungsbestandteilen auf Mindestlohn

Beitrag von Guter_Kollege » 07.05.2015, 18:23

Vorweg: An anderer Stelle hier hatte ich vor kurzem dargelegt und kritisiert das die Bundesregierung es bislang versäumt hat
selbst darzulegen und gesetzlich festzuschreiben welche Vergütungsbestandteile im Mindestlohn enthalten sein sollen.
Und sich mit ausreichender europäischer Gesetzgebung herausgeredet.
Nett darum finde ich nun die Bestätigung eines Gerichts dieser meiner Kritik, Zitat:

"Nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ............ gibt auch die Richtlinie 96/71 selbst keinen Anhaltspunkt für eine inhaltliche Definition des Mindestlohns."
und
c) Schon aus diesen Gründen ist es kaum nachvollziehbar, dass die Bundesregierung auf die ausdrückliche Bitte des Bundesrats einer Klarstellung, welche Lohnbestandteile auf das gesetzlichen Mindestlohnstundenentgelt anrechenbar sind ...... nicht gesetzgeberisch reagiert hat.
Und eine schallende verbale Ohrfeige:
"Der gesetzliche Verzicht auf die Definition, welche Lohnbestandteile auf den Mindestlohn anrechenbar sind, wird nicht dadurch ersetzt,
dass die Bundesregierung statt entsprechender Regelungen im Gesetz ihre Vorstellungen auf einer Internetseite kommuniziert."


Tenor des Urteils (nur bezogen auf den Titel):
Der Ausspruch einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Streichung von Leistungszulage, zusätzlichem Urlaubsgeld und der Jahressonderzuwendung ist bereits unzulässig.

Und zum Thema 'betriebsbedingte Kündigung':
c)
"Die Beklagte hat gemessen an diesen Grundsätzen nicht ausreichend vorgetragen, dass die Einführung des Mindestlohns sie in eine derartige
wirtschaftliche Notlage gebracht habe, dass der Bestand des Unternehmens in Gefahr ist."


Das Urteil im Volltext zu finden - wie immer - auf meinem "Taxirecht"-Blog unter der Rubrik Arbeitnehmer – Lohn & Arbeitsplatz
https://dl.dropboxusercontent.com/u/171 ... 3.2015.pdf
Zuletzt geändert von Guter_Kollege am 07.05.2015, 18:33, insgesamt 3-mal geändert.

Wattwurm
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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von Wattwurm » 15.05.2015, 06:24

Komisch, ein Kilo deutscher Spargel kostet auf dem Wochenmarkt je nach Qualität zwischen 8,50 bis 10,50 Euro. Der ist nicht viel teurer als im letzten Jahr, obwohl auch Erntehelfer den Mindestlohn bekommen. Was machen Landwirte besser als Taxiunternehmer die ihre Preise durchschnittlich um 20 Prozent angehoben haben? Betanken die jetzt auch ihre Privatautos mit billigen Agrardiesel. Oder was ist der Trick an der Sache?
Zuletzt geändert von Wattwurm am 15.05.2015, 06:30, insgesamt 3-mal geändert.

Sascha1979
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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von Sascha1979 » 15.05.2015, 08:39

Wattwurm hat geschrieben:Komisch, ein Kilo deutscher Spargel kostet auf dem Wochenmarkt je nach Qualität zwischen 8,50 bis 10,50 Euro. Der ist nicht viel teurer als im letzten Jahr, obwohl auch Erntehelfer den Mindestlohn bekommen. Was machen Landwirte besser als Taxiunternehmer die ihre Preise durchschnittlich um 20 Prozent angehoben haben? Betanken die jetzt auch ihre Privatautos mit billigen Agrardiesel. Oder was ist der Trick an der Sache?
Das kann ich dir zufällig beantworten:

99% der Spargelhelfer kommen aus dem Ostblock. Werden für die kurze Ernte Saison in Bussen rüber geholt, schlafen hier die Zeit, und Reisen dann wieder ab.

Die Spargelhelfer sind entweder direkt selbstständig (selten), oder bekommen ihr Geld von einem Ost europäischen Unternehmer.
Der deutsche Spargelbauer bezahlt nur einen Unternehmer per Rechnung.

Es gibt keine deutschen Löhne und es greift ganz legal kein Mindestlohn.
Zeige einem schlauen Menschen einen Fehler und er wird sich bedanken, zeige einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen.
Laotse

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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von Löwenzahn » 15.05.2015, 10:49

Bist wohl in der Branche tätig.

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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von am » 15.05.2015, 12:25

Für Erntehelfer gilt der Mindestlohn nicht vollumfänglich. Kann man wissen, wenn man politisch multiinterssierter Hansdampf in allen Taxiforen ist, Holger.
Es gibt kein gefährliches Halbwissen, aber zu viele schlechte Informationen.

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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von SindSieFrei? » 15.05.2015, 17:15

Mir ist die Reaktion zu gering. Eigentlich hätte ein Aufschrei durch die gesamte virtuelle Taxiwelt gehen müssen nach dem, was die Bremer Kollegen evaluiert haben. Totenstille! Warum war mir das klar? Über "Betriebsgeheimnisse" redet man nicht gerne! Meldungen von Zoll und Razzien, Arbeitsschutz? Kleckerweise nehmen sie mal alle paar Wochen irgendwo D ne kleine Klitsche hoch. Das Pulverfass bleibt. Wir haben Mitte Mai! Meine Baubrigade gegenüber am Neubau schiebt mittlerweile 70 Stunden-Wochen. Da ist man als Kutscher doch echt gut dran! :roll:

LG
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Re: 90% der Fahrer erhalten keinen Mindestlohn

Beitrag von am » 15.05.2015, 17:33

Niemand hat vor etwas zu ändern
Es gibt kein gefährliches Halbwissen, aber zu viele schlechte Informationen.

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