Die verpeilte Frau (Taxikurzgeschichte)
Die verpeilte Frau (Taxikurzgeschichte)
Die verpeilte Frau (Copyright 2005, J.Lembke)
Die verpeilten Frauen, sie werden immer mehr.
Parties, Drogen, One-Nights-Stands. Immer mehr. Rauchen, Zappen, Computer. Grelle Neonlichter. Techno, stampf, stampf. Immer mehr und mehr. Die verpeilten Frauen, sie raffen es nicht.
Leute nehmen oft ein Taxi, weil es ihnen hilft ihrem Leben Struktur zu geben. Der letzte Halt, der Retter vor dem endgültigen Chaos – ein elfenbeinfarbenes Auto mit einem Schild auf dem Dach. Der Fahrer, er weiß Bescheid. Er fährt einen wohin. Das Taxi, es ist warm und trocken, hier hat man Zeit seine Gedanken zu sortieren, bevor man wieder raus muss, raus ins Leben, das grelle, schrille Leben, stampf, stampf.
Die verpeilte Frau, sie nimmt gerne ein Taxi.
Sie steigt ein, „Mann, ich nehm jetzt ein Taxi, weil ich Geld dabei habe und es mir zu riskant ist jetzt hier abends rum zu laufen.“
„Und das sagen Sie mir, wo wir Taxifahrer doch so arm sind. Was ist, wenn ich jetzt einer wäre, der die Gelegenheit ausnützen würde?“
Doch die verpeilte Frau hat mit ihrem naiven Charme bisher immer Glück gehabt. Sie bedeutet nun abzubiegen.
„Die nächste links, bitte.“ Sie zeigt die Richtung an, in die der Fahrer abzubiegen hat, die Hand zeigt nach rechts.
„Äh, links, hm, so?“ Der Fahrer zeigt dabei gleichzeitig übertrieben deutlich nach links.
„Nein, nein, links so!“ Sie weist weiterhin nach rechts, fängt an zu fuchteln (nach rechts).
Der Fahrer lacht, spekuliert ob das „Rechts/Links-Verwechseln“ gehäuft bei Frauen auftritt, vielleicht mit dem X-Chromosom vererbt wird. Die verpeilte Frau dementiert jedoch entschieden eine solche Schwäche zu haben, sie hätte nur gerade mal was getrunken.
Am Jos-Fritz-Café erhält sie vom Fahrer einen Handzettel. Gleichzeitig kramt sie nach Geld, um die fünf Euro Fahrpreis bezahlen zu können, zudem beschließt sie dem Fahrer einen Euro Trinkgeld zu geben. Sie hat also in der rechten Hand den Fünf-Euro-Schein, in der Linken hält sie den Handzettel und eine Ein-Euro-Münze. Sie reicht dem Fahrer die Linke und sagt „stimmt so“. Der Fahrer schaut auf den Handzettel und die Euromünze und lacht. Dann denkt er an die Links/Rechts-Geschichte und fängt jetzt erst mal so richtig zu lachen an.
Die verpeilte Frau schmollt. Sie schaut auf den Handzettel und liest: „Der Job ist so mies, doch ich brauch den Kies. Ja“, sagt sie und geht nebenbei zum ‚Du’ über, „den Job wollte ich auch nicht machen. Einmal ‚durch die Scheibe durch und Blut überall’ ist mir genug.“
„Hm? Im Taxi?“
„Nein, ich bin Friseurin…“
Der Fahrer stutzt.
„…Ökofriseurin.“
Der Fahrer lacht. Dieser Fahrgast ist zu lustig.
Sie ist gekränkt, erklärt, dass sie eben mal mitbekommen hatte, wie einer jemanden durch die Scheibe warf und das war halt bei der Arbeit gewesen. Der Fahrer lacht wieder, nimmt sich den Handzettel noch mal und schreibt seine Handynummer dazu, mehr als eine nette Geste. Doch sie fühlt sich berufen, ihn zum Mitkommen zu veranlassen, dabei jedoch eine Kleinigkeit vergessend…
Der Fahrer ist ein wenig skeptisch, aber muss mal dringend und könnte außerdem einen Kaffee gut vertragen. Sie erklärt ihm weitschweifig ihren Geheimtipp-Parkplatz in der Nähe. Er winkt ab, er hat seinen Geheimtipp-Parkplatz gleich nebenan, am Taxistand Bahnhof, direkt vor dem Kreisel.
Er parkt, betritt das Jos-Fritz-Café, sieht sie verlegen lachen, wie als ob sie sich wundert, dass er auch tatsächlich kommt. Er geht aufs Klo, kommt zurück. Neben ihr sitzt ihr Freund. Er passt zu ihr, Glatze, Stecker in der Braue, Ziegenbart.
Es ist der verpeilte Typ.
Die verpeilten Frauen, sie werden immer mehr.
Parties, Drogen, One-Nights-Stands. Immer mehr. Rauchen, Zappen, Computer. Grelle Neonlichter. Techno, stampf, stampf. Immer mehr und mehr. Die verpeilten Frauen, sie raffen es nicht.
Leute nehmen oft ein Taxi, weil es ihnen hilft ihrem Leben Struktur zu geben. Der letzte Halt, der Retter vor dem endgültigen Chaos – ein elfenbeinfarbenes Auto mit einem Schild auf dem Dach. Der Fahrer, er weiß Bescheid. Er fährt einen wohin. Das Taxi, es ist warm und trocken, hier hat man Zeit seine Gedanken zu sortieren, bevor man wieder raus muss, raus ins Leben, das grelle, schrille Leben, stampf, stampf.
Die verpeilte Frau, sie nimmt gerne ein Taxi.
Sie steigt ein, „Mann, ich nehm jetzt ein Taxi, weil ich Geld dabei habe und es mir zu riskant ist jetzt hier abends rum zu laufen.“
„Und das sagen Sie mir, wo wir Taxifahrer doch so arm sind. Was ist, wenn ich jetzt einer wäre, der die Gelegenheit ausnützen würde?“
Doch die verpeilte Frau hat mit ihrem naiven Charme bisher immer Glück gehabt. Sie bedeutet nun abzubiegen.
„Die nächste links, bitte.“ Sie zeigt die Richtung an, in die der Fahrer abzubiegen hat, die Hand zeigt nach rechts.
„Äh, links, hm, so?“ Der Fahrer zeigt dabei gleichzeitig übertrieben deutlich nach links.
„Nein, nein, links so!“ Sie weist weiterhin nach rechts, fängt an zu fuchteln (nach rechts).
Der Fahrer lacht, spekuliert ob das „Rechts/Links-Verwechseln“ gehäuft bei Frauen auftritt, vielleicht mit dem X-Chromosom vererbt wird. Die verpeilte Frau dementiert jedoch entschieden eine solche Schwäche zu haben, sie hätte nur gerade mal was getrunken.
Am Jos-Fritz-Café erhält sie vom Fahrer einen Handzettel. Gleichzeitig kramt sie nach Geld, um die fünf Euro Fahrpreis bezahlen zu können, zudem beschließt sie dem Fahrer einen Euro Trinkgeld zu geben. Sie hat also in der rechten Hand den Fünf-Euro-Schein, in der Linken hält sie den Handzettel und eine Ein-Euro-Münze. Sie reicht dem Fahrer die Linke und sagt „stimmt so“. Der Fahrer schaut auf den Handzettel und die Euromünze und lacht. Dann denkt er an die Links/Rechts-Geschichte und fängt jetzt erst mal so richtig zu lachen an.
Die verpeilte Frau schmollt. Sie schaut auf den Handzettel und liest: „Der Job ist so mies, doch ich brauch den Kies. Ja“, sagt sie und geht nebenbei zum ‚Du’ über, „den Job wollte ich auch nicht machen. Einmal ‚durch die Scheibe durch und Blut überall’ ist mir genug.“
„Hm? Im Taxi?“
„Nein, ich bin Friseurin…“
Der Fahrer stutzt.
„…Ökofriseurin.“
Der Fahrer lacht. Dieser Fahrgast ist zu lustig.
Sie ist gekränkt, erklärt, dass sie eben mal mitbekommen hatte, wie einer jemanden durch die Scheibe warf und das war halt bei der Arbeit gewesen. Der Fahrer lacht wieder, nimmt sich den Handzettel noch mal und schreibt seine Handynummer dazu, mehr als eine nette Geste. Doch sie fühlt sich berufen, ihn zum Mitkommen zu veranlassen, dabei jedoch eine Kleinigkeit vergessend…
Der Fahrer ist ein wenig skeptisch, aber muss mal dringend und könnte außerdem einen Kaffee gut vertragen. Sie erklärt ihm weitschweifig ihren Geheimtipp-Parkplatz in der Nähe. Er winkt ab, er hat seinen Geheimtipp-Parkplatz gleich nebenan, am Taxistand Bahnhof, direkt vor dem Kreisel.
Er parkt, betritt das Jos-Fritz-Café, sieht sie verlegen lachen, wie als ob sie sich wundert, dass er auch tatsächlich kommt. Er geht aufs Klo, kommt zurück. Neben ihr sitzt ihr Freund. Er passt zu ihr, Glatze, Stecker in der Braue, Ziegenbart.
Es ist der verpeilte Typ.
Da erlebste was, als Taxifahrer, vor allem nachts.
Meine Kurzgeschichte ist deutlich kürzer, dafür etwas aktueller (vor anderthalb Wochen passiert):
Samstagnacht kurz nach Mitternacht:
3 Mädels steigen an der Kneipe ein. Das Ziel, wie üblich um diese Zeit, unsere einzige Disco weit und breit, der spätere gesamte Fahrpreis 7,60 Euro. Die vorne sitzende junge Dame erzählt den beiden anderen im Zeitraffer von ihrer letzten Eroberung und fixiert auf halber Strecke plötzlich den Taxameter. "Boah!" schreit sie auf, "ist DAS aber teuer!"
Ich biete in solchen Situationen immer höflich an, die Fahrt vorzeitig zu beenden, damit meine Fahrgäste eine faire Chance haben, durch einen Fußmarsch Kosten zu sparen (die winterliche Kälte wirkt außerdem aktivierend auf die Hirntätigkeit und könnte zukünftig die Akzeptanz der Taxitarifordnung fördern).
Die Antwort: "Ach komm, Taxifahrer, können wir das nicht irgendwie anders regeln? Wir sind drei arme Mädels, wir haben kein Geld und wir sind geil ..."
Ich gebe zu, ich war überrascht. Nicht vom unmoralischen Angebot, das kommt gelegentlich schon mal vor, aber bei 7,60 Euro ....?!
Da könnte man direkt anfangen, die Leiharbeiterfirmen zu verstehen.
Meine Kurzgeschichte ist deutlich kürzer, dafür etwas aktueller (vor anderthalb Wochen passiert):
Samstagnacht kurz nach Mitternacht:
3 Mädels steigen an der Kneipe ein. Das Ziel, wie üblich um diese Zeit, unsere einzige Disco weit und breit, der spätere gesamte Fahrpreis 7,60 Euro. Die vorne sitzende junge Dame erzählt den beiden anderen im Zeitraffer von ihrer letzten Eroberung und fixiert auf halber Strecke plötzlich den Taxameter. "Boah!" schreit sie auf, "ist DAS aber teuer!"
Ich biete in solchen Situationen immer höflich an, die Fahrt vorzeitig zu beenden, damit meine Fahrgäste eine faire Chance haben, durch einen Fußmarsch Kosten zu sparen (die winterliche Kälte wirkt außerdem aktivierend auf die Hirntätigkeit und könnte zukünftig die Akzeptanz der Taxitarifordnung fördern).
Die Antwort: "Ach komm, Taxifahrer, können wir das nicht irgendwie anders regeln? Wir sind drei arme Mädels, wir haben kein Geld und wir sind geil ..."
Ich gebe zu, ich war überrascht. Nicht vom unmoralischen Angebot, das kommt gelegentlich schon mal vor, aber bei 7,60 Euro ....?!
Da könnte man direkt anfangen, die Leiharbeiterfirmen zu verstehen.
Ooooch...
Aber vielleicht sollte ich mal einen erotischen Taxiroman schreiben, das würde sich doch viel besser verkaufen als all dieses intellektuelle Zeugs was ich sonst so schreibe und eh keiner kapiert.
Samstagnacht, party-people, es geht nur um das EINE, alles sind zu besoffen und zu müde um sich noch zu beherrschen und der Fahrer atmet schon seit Stunden Alkoholdunst und Sexualhormone ein.
Die Realität eben, man müsste das nur noch ein wenig verdichten und, naja, vielleicht den dazu gehörigen Frust der Übriggebliebenen weglassen. (Obwohl, Sex und Crime...?)
Aber vielleicht sollte ich mal einen erotischen Taxiroman schreiben, das würde sich doch viel besser verkaufen als all dieses intellektuelle Zeugs was ich sonst so schreibe und eh keiner kapiert.
Samstagnacht, party-people, es geht nur um das EINE, alles sind zu besoffen und zu müde um sich noch zu beherrschen und der Fahrer atmet schon seit Stunden Alkoholdunst und Sexualhormone ein.
Die Realität eben, man müsste das nur noch ein wenig verdichten und, naja, vielleicht den dazu gehörigen Frust der Übriggebliebenen weglassen. (Obwohl, Sex und Crime...?)
Oder die Fahrerin? Mit einem weiblichen Pseudonym weckst Du auch die weibliche Neugier, und ein paar Episoden packst Du als Fortsetzungsgeschichte in einschlägige Friseurmagazine. Dann kannst Du die Auflage gleich mal verzehnfachen ...Jochen Lembke hat geschrieben:... und der Fahrer atmet schon seit Stunden Alkoholdunst und Sexualhormone ein.
Wie wir hier alle wissen bin ich ohnehin zu eitel dazu.
Aber mir liegen diese Strategiespielchen auch nicht, dazu bin ich zu ehrlich und zu gerade heraus. Anderseits - ein Pseudonym hat große Vorteile, etwa wenn es ums Recherchieren geht. Aber das hätte ich mir früher überlegen sollen, bzw. diesen Gedanken hatte ich schon früher verworfen. Insofern war mein Einwurf hier eh nicht so ernst gemeint.
Aber mir liegen diese Strategiespielchen auch nicht, dazu bin ich zu ehrlich und zu gerade heraus. Anderseits - ein Pseudonym hat große Vorteile, etwa wenn es ums Recherchieren geht. Aber das hätte ich mir früher überlegen sollen, bzw. diesen Gedanken hatte ich schon früher verworfen. Insofern war mein Einwurf hier eh nicht so ernst gemeint.
- Thomas-Michael Blinten
- Vielschreiber
- Beiträge: 7337
- Registriert: 03.02.2005, 17:52
- Wohnort: Düsseldorf
- Otto126
- Vielschreiber
- Beiträge: 7679
- Registriert: 20.03.2005, 07:51
- Wohnort: Oldenburg
- Kontaktdaten:
Als Frau war sie ihre Stories nicht an die SF-Magazine losgeworden, als Mann klappte es.James Tiptree, Jr. (eigentlich Alice B. Sheldon; * 24. August 1915 in Chicago; † 19. Mai 1987 in McLean in Virginia, USA) war eine US-amerikanische Schriftstellerin und Psychologin. Die Autorin benutzte zwischen 1968 und 1987 für die Veröffentlichung der überwiegenden Mehrzahl ihrer Science-Fiction-Kurzgeschichten sowie zweier SF-Romane das Pseudonym James Tiptree, Jr.. Einige ihrer Erzählungen erschienen jedoch unter ihrem weiteren Pseudonym Raccoona Sheldon.
Besonders durch die inhaltlichen und stilistischen Leistungen ihrer Stories der 1970er Jahre gilt Alice Sheldon heute als eine der besten Kurzgeschichten-Autorinnen des Science-Fiction-Genres. Nach ihrem Pseudonym wurde der James Tiptree, Jr. Award benannt, der jedes Jahr für Werke der Science-Fiction oder Fantasy vergeben wird, die die Geschlechterrollen untersuchen und das Verständnis dafür erweitern.
http://de.wikipedia.org/wiki/James_Tiptree_junior
"In der Lebenswelt gibt es drei Kategorien, das Essbare, das Kopulierbare und das Gefährliche"
"Mir gefällt Ihr Benehmen nicht."
"Macht nichts. Ich verkauf's ja nicht."
Wat woll'n die Atzen eigentlich von mir?
"Mir gefällt Ihr Benehmen nicht."
"Macht nichts. Ich verkauf's ja nicht."
Wat woll'n die Atzen eigentlich von mir?
@Otto: Das ist lange her, dass Frauen männliche Pseudonyme brauchten, heute ist es ehrlich eher anders rum. Aber der ganze Literaturmarkt ist es wahnsinnig im Fluss, siehe dazu auch http://www.spiegel.de/kultur/literatur/ ... 20,00.html Mit E-books zum Millionär! (Die großen Verlage sind bald zu schwerfällig für einen sich kurzfristig wandelnden Markt, die Zukunft gehört wohl dem E-book im Selbstverlag! (Ich werde das wohl auch bald selber in Angriff nehmen.)
- Otto126
- Vielschreiber
- Beiträge: 7679
- Registriert: 20.03.2005, 07:51
- Wohnort: Oldenburg
- Kontaktdaten:
Na ja, in die Richtung gingen doch Bernis und TMBs Aussagen...Jochen Lembke hat geschrieben:heute ist es ehrlich eher anders rum.
"In der Lebenswelt gibt es drei Kategorien, das Essbare, das Kopulierbare und das Gefährliche"
"Mir gefällt Ihr Benehmen nicht."
"Macht nichts. Ich verkauf's ja nicht."
Wat woll'n die Atzen eigentlich von mir?
"Mir gefällt Ihr Benehmen nicht."
"Macht nichts. Ich verkauf's ja nicht."
Wat woll'n die Atzen eigentlich von mir?