Stammkunden versus Umsatz

Der Bereich für Fragen rund um das Taxigewerbe.
Antworten
Zwinkel
User
Beiträge: 61
Registriert: 29.03.2011, 08:05
Wohnort: Bodensee

Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von Zwinkel » 17.02.2014, 10:28

Hallo und guten Morgen,

zuerst mal zur Situation: mein Chef hat sich vor zwei Jahren selbstständig gemacht. Vorher 13 Jahre als Aushilfe auf % an den Wochenenden unterwegs. Wir arbeiten hier in einer Kleinstand mit round about 25000 Einheimischen und das doppelte an Touris im Sommer. Viele Hotels, Kneipen und wenig Industrie. Direkte Infrastruktur ist ein Bahnhof mit Zugankunft von 4.30 bis 0.16 Uhr.

Mein Chef hat sich in der Zeit viel Stammkundschaft aufgebaut. 90 % davon ertrinken sich am Wochenende den Titel Promillekönig des Wochenendes. Oder sie sitzen in irgendwelchen komischen Kneipen, die man als Taxler nicht direkt anfahren darf ( 500 Meter davor parken, reinlatschen durch irgendwelche dunklen Gefilde, durch die Hintertür in die Kneipe weil es beim Parken vor der Türe Ärger mit den Nachbarn gibt ) um dann zu erfahren das der Fahrgast sein Bier noch nicht ausgetrunken oder gar noch eins bestellt hat. Und das meist am Samstag nacht.......

Egal wo die sich rumgetrieben haben - mein Chef hat die - egal wo sie waren - heimgebracht. Die haben sich also immer darauf verlassen mit ihm heimzukommen. Egal wie breit sie sind. Und auch - weil er ein sehr gutmütiger Mensch ist - auf sie gewartet. Da wird halt erst mal das Bier leergetrunken, zum pinkeln gegangen, sich innig verabschiedet - und der Taxler steht da und wartet auf den Kapeiken mit seiner rund 10 Euro Fahrt während er Fahrgäste abwimmeln muss, die ihm 50 und mehr Euro einbringen könnten. Nur weil dieser Kapeike halt ein Stammgast aus früheren Tagen meines Chefs ist.

Aber versteht das bitte nicht falsch: ich mag Stammgäste und ich disponiere das auch dementsprechend: bei einem Anruf der Leute kann ich denen mit Plus/Minus ein paar Minuten Differenz sagen wann das Taxi für sie da ist. Wenn die dann an dem vereinbarten Treffpunkt parat sind ist das ok. Aber einen dann wohlmöglich nochmal 15 MInuten warten lassen finde ich ziehmlich dreist. Fünf Minuten lass ich mir noch eingehen.

Oder der Fall vom letzten Wochenende: Anruf von einer dieser besagten Stammgäste. Sohnemann sei auf einem Narrentreffen ( Freinacht ) in einem Kaff 25 KM von uns weg. Zeit und Treffpunkt ausgemacht und losgeritten. Wer war da ? Natürlich ich aber vom Fahrgast keine Spur. Aber jede Menge anderer Touren. Ich nachtürlich einen nach dem anderen eingepackt und weggekarrt und Umsatz gemacht ( klar auf einem anderen "Spielfeld" - aber die hatten eh wenig eigene Taxen unterwegs.... ). War gerade auf dem Rückweg zu dem Fest, da ruft der Junge wieder an wo ich denn bleiben würde ? Ich sagte ihm, das er am vereinbarten Treffpunkt nicht da war und jetzt bitte dort stehen bleiben sollte und ich in fünf Minuten wieder da bin. Richtig, der Kapeike war wieder nicht an dem Platz. Ich die gleiche Tour wieder gefahren und danach hat`s dann funktioniert. Er ist, mit seinem Kumpel und einer Schickse als Aufriss, weil Sohnemann von der Stammkundin, recht günstig nach Hause gekommen.

Ich bin dann nochmal zu dem Feschtle gefahren und merkte wie das Publikum immer "extremer" wurde und sich auch die Anzahl der heimischen Taxen durch den frühen Morgen spürbar erhöhten. Bin dann mit einer kleinen Tour in meiner Richtung nach Hause abgedampft. Dann erfuhr ich ( da wieder in Funkreichweite ) von meiner Zentrale, das die Mutter des Jungen noch auf dem Fest geschätzt 500 Meter vom Taxiplatz in einer Kneipe hockt und von uns heimgebracht werden will. Ich war schon fast daheim, hätte gut mehr wie 20 Leerkilometer für die Tour gehabt und habe meine Zentrale gebeten die doch auf die hübschen Taxen aus der Stadt in der sie jetzt ist hinzuweisen. Die würden sie auch nach Hause bringen.

Gab natürlich ne Beschwerde. Da Problem ist, das die Olle Gott und die Welt kennt, und wieder rumtratscht. Mein Chef steht auf dem Standpunkt das ich sie hätte holen sollen. Egal wieviel Leerkilometer es ausmacht. Aber ich habe aus meiner vorherigen Firma es noch irgendwie drin effektiv zu disponieren und diese besagen Leerkilometer auch zu vermeiden. Und auf manche Schnapsdrosseln als "Stammkunden" ehrlich gesagt zu verzichten. Oder diese mit ihrem besoffenen Schädel durch den Mäcdrive zu fahren und danach die Schweinerei wegzuputzen und eine nach Pommesbude stinkende Karre zu haben.

Jetzt erstmal Danke für`s Lesen. Und nun zu meiner sehr einfachen Frage: wie steht ihr ( gerade die Unternehmer aus dem ländlichen Raum ) zu diesem Thema ?

Benutzeravatar
nightrider
Vielschreiber
Beiträge: 2052
Registriert: 31.01.2008, 03:37
Wohnort: IN

Re: Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von nightrider » 17.02.2014, 11:57

Also gleich zu Anfang, ich entferne mich besonders Nachts niemals von meinem Taxi, kann ich nicht vor die Tür fahren, rufe ich an (mir (bzw. meiner damaligen Fahrerin) wurde schon mal die Scheibe eingeschlagen, Geld und Handy geklaut) und spätestens wenn der Kunde weiß ich bin da läuft die Uhr dann kann der ruhig noch 15 Minuten brauchen, die Uhr läuft mit.

Gerade bei „Stammkunden” hat das auch eine erzieherische Wirkung.

In manchen Fällen, wenn ich mal keine Telefonnummer habe (was sehr selten passiert) warte ich max. 3 bis 5 Minuten, kommt dann Keiner ist das eine Fehlfahrt und ich nehme andere Kunden falls vorhanden, oder fahre wieder.

Hier kannst du auch deiner Zentrale sagen, keine Telefonnummer, keine Anfahrt zu Kunden, der soll eine Nummer angeben, oder ein anderes Taxi bestellen.

Anfahrten außerhalb der Stadt werden bei uns berechnet, die Uhr läuft ab Stadtgrenze hier ist die Angabe einer Telefonnummer absolute Pflicht und ich rufe schon an bevor ich überhaupt losfahre, sag dem auch gleich die Uhr läuft und er soll in ca xx Minuten bereit stehen, ansonsten ist das eine Fehlfahrt und er bekommt eine Rechnung darüber.

Anders geht das nicht, wir sind nicht zum Rumstehen da und die sollen ein Taxi bestellen wenn sie tatsächlich eines brauchen, nicht eine halbe Stunde vorher.
everybodys darling is everybodys hausdepp (FJS)

casi
Vielschreiber
Beiträge: 269
Registriert: 18.04.2007, 16:12
Wohnort: Reinfeld
Kontaktdaten:

Re: Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von casi » 17.02.2014, 14:21

Das kenne ich auch noch von früher.
Der Chef denkt (verständlicherweise) an seine Umsätze, der Besoffski hält sich für den Papst und der Kutscher muß den Deppen spielen.
Du wirst aber weder deinen Deinen Chef noch diese Sorte Kunden ändern. Die Kunden suchen sich einfach ein anderes Taxi.

Suche dir einen anderen Unternehmer, der auf diese Klientel nicht so viel Wert legt.


Gruß
Casi
https://taxi-reinfeld.de - Taxibetrieb C. Braasch

Benutzeravatar
nightrider
Vielschreiber
Beiträge: 2052
Registriert: 31.01.2008, 03:37
Wohnort: IN

Re: Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von nightrider » 17.02.2014, 15:31

casi hat geschrieben:Die Kunden suchen sich einfach ein anderes Taxi.

Gruß
Casi
Solche Kunden werden unter Umständen lange suchen bis sie ein anderes Taxi bekommen, da kommt 1 x ein Anderer spätestens nach dem 2. x kommt der auch nicht mehr, so gutmütig sind die Meisten nicht.
everybodys darling is everybodys hausdepp (FJS)

Benutzeravatar
H&K
User
Beiträge: 249
Registriert: 13.12.2005, 18:06
Wohnort: Niederbayern

Re: Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von H&K » 14.03.2014, 00:52

Stammkunden sind gut für die Tagschicht, bei der Nachtschicht erweisen die sich am Wochenende ehrlich gesagt eher kontraproduktiv.
Beispiel A:
Einsteiger in den Westen der Stadt, dort als freies Taxi über Zentrale einen Raumruf ergattert und mit der neuen Kundschaft zurück in die Innenstadt, Einsteiger gehabt, wieder raus in einen Stadtteil, Raumruf etc. etc. etc.
Beispiel B:
Anruf aus dem Westen der Stadt (an 20 Leuten, die winken, vorbei), am Ziel der nächste Anruf, natürlich aus dem Osten der Stadt (wieder an winkenden Leuten vorbei).... und die Taxivermittlung bekommt die Funkfahrten nicht los, weil alles nur noch Handyfahrten machen...
So.... Gretchenfrage: wer hat mehr Umsatz und weniger Kilometer?

Also hunderte Meter hinterher laufen und die Leutchen womöglich noch samt dem Barhocker zum Taxi tragen ist echt zu viel verlangt. Wenn die anrufen und man sagt, man könne in ca. 10-15 Minuten da sein, haben die genug Zeit das Bierchen auszutrinken und an die Strasse vorzugehen. Nichts ist schlimmer mitten im schönsten Geschäft, wenn man ewig auf Leute warten muss, die offenbar alle Zeit der Welt haben und man könnte in dieser Zeit mal locker zwei andere Fahrten machen.
Auf solche Art Stammkunde ist leicht zu verzichten.
Diskutiere nie mit einem Idioten, er zieht dich auf sein Niveau herunter und schlägt dich mit seiner langjährigen Erfahrung.

Benutzeravatar
nightrider
Vielschreiber
Beiträge: 2052
Registriert: 31.01.2008, 03:37
Wohnort: IN

Re: Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von nightrider » 14.03.2014, 04:40

H&K hat geschrieben:Stammkunden sind gut für die Tagschicht, bei der Nachtschicht erweisen die sich am Wochenende ehrlich gesagt eher kontraproduktiv.
Das muss zwar jeder für sich entscheiden, aber für mich sind Stammkunden fast immer kontraproduktiv, auch am Tag.
Die können zwar nichts dafür, aber sie rufen grundsätzlich im „falschen” Moment an, nämlich wenn du genau am entgegengesetztem Ender der Stadt bist und x Kilometer Anfahrt hast. Oder sie rufen schon Stunden vorher an, „ich brauch dich heute um xx Uhr”. Schön, aber eigentlich kann ich dann schon eine halbe Stunde vorher nichts mehr machen. Nehme ich einen Auftrag, oder Einsteiger weiß ich ja nicht wo der hinwill, womöglich will der 20 Km weit weg und dann? Dann kannst du schauen ob ein Kollege einspringt, oder ihn an die Zentrale geben und ob das dann so kurzfristig klappt weiß auch niemand.

Ganz am Anfang meiner „Karriere” als Taxler habe ich den Fehler gemacht und mir Stammkunden angeschafft, ein absolut undankbarer Job, würde ich nie mehr tun, von mir bekommt keiner mehr meine Nummer, ich verweise immer auf die Zentrale, dann kann ich in Ruhe und ohne Stress arbeiten, meinen Umsatz mache ich so genauso, sogar besser und mit deutlich weniger Leerkilometern.

Stammkunden sind gut für Taxen am Land, da gibt es keine Einsteiger und meistens auch keine Zentrale, aber in der Großstadt (fast) unmöglich, viel zu aufreibend und zu unwirtschaftlich.
everybodys darling is everybodys hausdepp (FJS)

Benutzeravatar
H&K
User
Beiträge: 249
Registriert: 13.12.2005, 18:06
Wohnort: Niederbayern

Re: Stammkunden versus Umsatz

Beitrag von H&K » 14.03.2014, 11:46

nightrider hat geschrieben:Die können zwar nichts dafür, aber sie rufen grundsätzlich im „falschen” Moment an, nämlich wenn du genau am entgegengesetztem Ender der Stadt bist und x Kilometer Anfahrt hast. Oder sie rufen schon Stunden vorher an, „ich brauch dich heute um xx Uhr”. Schön, aber eigentlich kann ich dann schon eine halbe Stunde vorher nichts mehr machen. Nehme ich einen Auftrag, oder Einsteiger weiß ich ja nicht wo der hinwill, womöglich will der 20 Km weit weg und dann?
Stimmt, Anrufe aufs Handy kommen immer, wenn eh Geschäft läuft, wenn man rumsteht, ruft auch keiner an (Murphys Gesetz).
Vorbestellungen haben mir auch oft genug einen guten Lauf versaut. Da braucht man sich gar nicht mehr an den Taxiplatz zu stellen oder muss von der Pole Position weg fahren...
nightrider hat geschrieben:Stammkunden sind gut für Taxen am Land, da gibt es keine Einsteiger und meistens auch keine Zentrale, aber in der Großstadt (fast) unmöglich, viel zu aufreibend und zu unwirtschaftlich.
Das braucht keine Großstadt sein, das läuft bei kleineren, aber lebhafteren Städten auch schon so. :wink:
Diskutiere nie mit einem Idioten, er zieht dich auf sein Niveau herunter und schlägt dich mit seiner langjährigen Erfahrung.

Antworten