Arbeitnehmerhaftung beim Unfall mit dem Pkw des Arbeitgebers?
Verursacht der Mitarbeiter mit dem Fahrzeug seiner Firma einen Unfall, so kann dies drastische Konsequenzen für alle Beteiligten haben.
Es stellt sich die Frage, ob hier auch der Mitarbeiter selbst zahlen muss. Das Spektrum ist hier sehr breit.
Man stelle sich den Fall vor, dass dem Fahrer eine Mücke in das Auge fliegt, er versehentlich das Lenkrad verreißt und insoweit ein stehendes Fahrzeug touchiert sowie das "eigene" erheblich beschädigt wird. Sollen hier die Reparaturkosten vom Fahrer vollständig selbst getragen werden? Wie sieht es dann weiter aus, wenn der Fahrer vielleicht einen Bruttoverdienst von 2.000,00 EUR hat, der Eigenschaden jedoch 10.000,00 EUR beträgt? Kann der Arbeitgeber dann, letztendlich das Bruttogehalt für 5 Monate vom Mitarbeiter ersetzt verlangen?
Die Rechtsprechung beschäftigt sich seit mehr als 50 Jahren intensiv mit dieser Thematik. Sie ist letztendlich gekennzeichnet von dem Bemühen, den Mitarbeiter nicht einem Haftungsrisiko auszusetzen, das unter Umständen seine wirtschaftliche Existenzgrundlage zerstört.
Vor diesem Hintergrund werden zunächst einmal Fallgruppen für den Verschuldensgrad des Mitarbeiters gebildet. Bei leichtester Fahrlässigkeit soll keine Haftung bestehen, bei normaler Fahrlässigkeit eine Haftungsteilung vorgenommen werden und bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz eine volle Haftung dem Grunde nach bejaht werden. Selbst für den Fall, dass man von einer Haftung des Mitarbeiters sodann ausgeht, kommen diesem jedoch gewisse Erleichterungen und Haftungsbegrenzungen zugute.
Leichteste Fahrlässigkeit (also ohne Haftung) ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer eine geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtwidrigkeit begangen hat, wie sie jedem anderen Arbeitnehmer hätte unterlaufen können. Beispiel hierfür wäre das berühmte Insekt, das im Auge landet und insoweit den Fahrer zu einer fehlerhaften Fahrreaktion veranlasst.
Bei normaler Fahrlässigkeit sind die gesamten Umstände des Falles gegeneinander abzuwägen. Hier kann eine anteilige Haftung bejaht werden.
Vorsatz ist ferner gegeben, wenn der Schaden am Firmenfahrzeug wissentlich und willentlich herbeigeführt wird.
Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt.
Grobe Fahrlässigkeit wurde insoweit in der Rechtsprechung bejaht für die Fahruntüchtigkeit in Folge Alkoholgenusses (BAG, Urteil vom 13.03.1961), Handybenutzung während der Fahrt im Bereich einer Kreuzung (BAG, Urtiel vom 12.11.1998), Nichtbeachtung einer auf "rot" geschalteten Ampel (BAG, Urteil vom 12.11.1998) und beispielsweise auch für bestimmte Fälle der Vorfahrtsverletzung (BAG, Urteil vom 30.10.1963).
Gehen wir also von einem vermeintlich klaren Fall aus, wonach der Berufskraftfahrer wegen Nichtbeachtung einer auf rot geschalteten Lichtzeichenanlage einen Verkehrsunfall verursacht und insoweit in aller Regel dem Arbeitgeber wegen grob fahrlässig begangener positiver Vertragsverletzung auf den dadurch entstandenen Schaden haftet (so eine Entscheidung des BAG vom 12.11.1998), so ist dennoch in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob dem Mitarbeiter nicht Haftungserleichterungen zugute kommen, wenn sein Verdienst in einem deutlichen Mißverhältnis zum verwirklichten Schadensrisiko liegt (so auch Urteil des BAG vom 12.11.1998).
Liegt der zu ersetzende Schaden nicht erheblich über einem Bruttoeinkommen des Arbeitnehmers, besteht allerdings zu einer Haftungsbeschränkung keine Veranlassung (BAG, wie vor). Konkret bedeutet dies, dass bei einem Bruttomonatsverdienst von 2.000,00 EUR und einem Schaden von beispielsweise 10.000,00 EUR der Mitarbeiter lediglich in Höhe von 2.000,00 EUR persönlich in Anspruch genommen werden kann.
Auch wenn es generell keine Beschränkungen der Höhe nach für die Haftung des Mitarbeiters gibt, so sind die unteren Instanzen in den letzten Jahren faktisch dazu übergegangen, in vergleichbaren Fällen die Haftung des Mitarbeiters auf bis zu 3 Monatsverdienste zu beschränken (LAG Nürnberg vom 18.04.1990; LAG Köln vom 17.06.1993).
Relevant wird im übrigen dann noch die Frage, ob der Arbeitgeber nicht eigentlich eine Vollkaskoversicherung hätte abschließen müssen um den Mitarbeiter vor überzogenen Risiken zu schützen.
Hier hat das Bundesarbeitsgericht eine etwas "teuflische" Lösung entwickelt. Grundsätzlich soll es dem Arbeitgeber frei bleiben, eine Vollkaskoversicherung abzuschließen. Es besteht also kein entsprechender Zwang.
Der Nichtabschluss kann jedoch bei der Abwägung zu Lasten des Arbeitgebers mit der Folge ins Gewicht fallen, dass der Arbeitnehmer nur in Höhe der Selbstbeteiligung haftet die beim Abschluss der Kaskoversicherung zu vereinbaren gewesen wäre (BAG vom 24.11.1987; entsprechend auch LAG Köln vom 07.05.1992 und LAG Bremen vom 26.07.1999).
Der Abschluss einer Vollkaskoversicherung kann dem Firmeninhaber also nur dringend empfohlen werden, da der Schadenersatz beim Mitarbeiter nur in sehr begrenztem Umfang zu erlangen ist.
Gez. Gerhard Richter
Rechtsanwalt
(Fachanwalt für Versicherungsrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht)
Quelle