hjm hat geschrieben:Immerhin hat sich der Ausschuss der Idee genähert, dass es möglich sein könnte, die Verkehrsprobleme mit gänzlich neuen Ansätzen zu lösen. Einige Gehirne im Ausschuss werden anfangen zu rattern: Wie viele MOIAs würde man brauchen, um x % des Busverkehrs und y % des PKW-Verkehrs auf MOIA zu verlagern? Sollte man MOIA dazu die Busspuren öffnen? Welche Buslinien sind defizitär? Hat der Linienverkehr überhaupt noch eine Zukunft? Was kostet eine neue U-Bahnlinie, was eine gleichlange ÖPNV-Sonderspur für Fahrzeuge bis 3,5 t? Wie fällt ein Betriebskostenvergleich U-Bahn/BUS/MOIA aus?
Da haben wir es wieder. Die Privatisierung öffentlichen Daseinsvorsorge zum Wohle der Konze… Verzeihung, zum Wohle der Umwelt, zum Wohle der Kinder, zum Wohle bedrohter Vogelarten.
Wenn die Rädchen in den Hirnen der Politiker gerattert haben, dann vielleicht auch deshalb, weil der Trick mit der Privatisierung schon bei Krankenhäusern, der Energieversorgung und der Telekomunikation zum Nachteil der Menschen funktioniert hat. Bahn, Kranken- und Sozialversicherung, sowie städtischer ÖPVN sind im Grunde das gleiche Versagen, denn dort wird nach den gleichen Regeln agiert, wie in Konzernen. BWL und nicht Daseinsvorsorge. Staatsversagen oder Privatversagen - es bleibt Versagen.
Dein Vergleich mit den Eisenbahnen und den Pferdekutschern ist deshalb schief, weil im Gegensatz zur Eisenbahn, Moia keine von Technik geprägte Umwälzung ist, keine technische Innovation, sondern eine betriebswirtschaftliche. Selbst der Vorstand vom Hansafunk war in der Lage, Pooling per App programmieren zu lassen und auf die Menschheit los zu lassen.
Die Antwort auf die Frage, wer Moia am Ende bezahlen wird - *das* ist die „Innovation“, um die es hier geht.
Auch deshalb rattern die Hirne der Politiker, denn sie begreifen, dass es der Staat sein könnte, der es bezahlt. Wenn der Staat aber immer mehr Aufgaben privatisiert, verliert er pro privatisierter Aufgabe Legitimation und irgendwann auch die Legitimation für "Legitimeure". Im Moment ist noch alles chico, aber wenn Uber an Sozialkassen und Staat vorbei, seinen Reibach machen will, dann begreift auch ein Politiker, dass es ihm dafür irgendwann an den Kragen geht. Das gleiche trifft auch auf Moia zu.
Denn wenn ganz normale Bürger, in einem echten Alltag und nicht in der Simulation einer Agentur für Zukunftsforschung in Kassel, ohne Internet aufm Smartie nicht mehr zur Arbeit, zum Shoppen oder nach Hause kommen, weil das Geld für öffentliche Busse und Bahnen in Sonderspuren für Moia-Transporter und Konzerngewinne in Wolfsburg investiert wurde und wenn die Gewissheit von Fahrplänen, einem launischen Transport auf Zuruf gewichen ist, weil ein paar late Adopters im Sakko eine verspätete erotische Beziehung zu ihrem iPhone hatten, dann müssen die Politiker mit den kleinen Rädchen im Hirn, Fragen beantworten und es ausbaden.
Henrich von Moia glaubt vermutlich, dass seine einseifenden Nichtaussagen, bei Politikern auf leere Hirne stoßen und deshalb erfolgreich sein werden. Vermutlich glaubt er das auch zu Recht, aber nicht, weil die Hirne der Politiker leer wären, sondern weil die ihr Fähnchen nach dem Wind hängen. Was alle reden, reden auch Politiker. Du hast Recht, dass „Mobilität“ und alle damit verbunden Heilsversprechungen, die es auf dieser Messe geben wird, bald hot hot hot sein werden. Aber nach jedem Hype kommt ein Jammertal. Die ganzen Schlangenölverkäufer von Moia, Clevershuttle, Wundercar und you-name-it, werden dann nicht mehr da sein, um sich zu verantworten, sondern ihr Schäfchen im Trockenen kraulen.
Beim Dieselskandal hat das Einseifen der Öffentlichkeit in der Tat hervorragend funktioniert und würde immer noch funktionieren, wären die amerikanischen Gerichte da nicht rein gegrätscht. Dieses eine Mal ist die Sache für die Schlangenölverkäufer von VW schief gegangen und ihnen droht der private Ruin und amerikanischer Knast.
Womit wir zu einem interessanten Stichwort kommen, dass Du aufgebracht hast.
hjm hat geschrieben:Kaltblütigkeit
Es braucht Kaltblütigkeit um das Moia Geschäftsmodell zur Bürgerpflicht zu stilisieren. Der ganze Sharing-, Pooling- und Greenwashing-Bullshit, dient dazu, dieses irre Geschäftsmodell eines irren Konzerns zur Bürgerpflicht zu machen.
Taxifahrern fehlt diese Kaltblütigkeit. Sie sind eher Wamblüter. Stetig, genügsam und nicht bereit auf jeden fahrenden Zug aufspringen. Deswegen sind sie vermutlich auch Taxifahrer und nicht COO bei einem ach-so-hippen- Start-Up aus Wolfsburg oder Bielefeld. Taxifahrer glauben an Regeln, denn sie sind jeden Tag damit konfrontiert und sie kalkulieren genau welche Verkehrsregeln sie wann überschreiten oder auch nicht. Aber sie glauben an Regeln und wollen, dass sie gelten. Denn sie wissen, dass Regeln die Allgemeinheit beschützen. Ganz anders denken da die Konzerne.
Kaltblütigkeit hatte VW als sie die betrügerische Schummelsoftware eingebaut haben und jede Regel regungslos überschritten haben. Wo war da „die Umwelt“, „die Kinder“, die „bedrohten Vogelarten“?
Kaltblütigkeit hatte VW auch bei den Affen, die sie zu Testzwecken vergasen wollten.
Die Marionetten aus dem Moia Vorstand, mit ihrem zur Schau gestellten sanften Wesen und - im Fall des CEO einer schiefen Hippster-Frisur - halten sich vermutlich auch für kaltblütig, weil Parlamente, Behörden und Gerichte in der Welt ihrer Herren nur das Äquivalent zu Peanuts sind und weil sie sich sicher wähnen, ihr Geschäftsmodell, nach dem Vorbild ihrer Herren, durch ähnliche Marionetten in der Politik durchsetzen zu können.
Siehe Deine Aussage zu Staatrat Rieckhof oder dieses fröhliche Zitat:
hjm hat geschrieben:
So gibt es hier in Hamburg auch keinen stundenlangen Boxkampf zwischen dem Senat und Hr. Müller, bei dem am Ende *) das Blut von den Seilen tropft, sondern es gibt lediglich zu Beginn der 1. Runde einen kurzen linken Haken an den Kopp. Schon liegt der Held auf den Brettern. Einfach keine Klagebefugnis, sehr frei nach Machiavelli: Ein linker Haken zur rechten Zeit - schafft Ruhe und Gemütlichkeit.
Ich halte das für Arroganz der Macht. Mal sehen, was daraus wird.
hjm hat geschrieben:
Jungs, habe ihr es endlich geschafft die BWVI sauer zu machen!? „Herzlichen Glückwunsch“!
Zur Klarstellung:
Die Auseinandersetzung mit der Behörde ist geprägt von Sachlichkeit und einer gewissen Entspanntheit. Sehr hamburgisch, sehr angenehm. Jedenfalls ist das mein laienhafter Eindruck. Um so verblüffender, dass der Verantwortliche des betreffenden Schreibens, der Versuchung nicht widerstehen konnte, bei einem behördlichen Schriftstück - und nicht bei einer privaten Postkarte - die Grenzen seines Amtes voll auszureizen und sich verbal gehen ließ. Nicht zum ersten und sicher auch nicht zum letzten Mal. Auch das ist Arroganz der Macht. Aber weil dies in der Kommunikation mit der Behörde die Ausnahme ist, spielt es auch einfach keine Rolle, sondern ist deswegen „irgendwie auch witzig“.