Arbeit auf Abruf...

Der virtuelle Taxitreff.
Antworten
Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Wattwurm » 09.08.2014, 12:10

... und ständige Verfügbarkeit das kommenden Arbeitszeitmodel im Zeichen des Mindestlohnes?

LRKN
Vielschreiber
Beiträge: 869
Registriert: 10.11.2010, 15:38
Wohnort: Hamburg

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von LRKN » 09.08.2014, 13:16

Wattwurm hat geschrieben:... und ständige Verfügbarkeit das kommenden Arbeitszeitmodel im Zeichen des Mindestlohnes?
Wenn der Arbeitnehmer dies vertraglich Akzeptiert dann ja.

Wenn er einen normalen Arbeitsvertrag unterschreibt mit festen Arbeitszeiten ohne Rufbereitschaft u.ä. dann nein.

Wenn der Arbeitgeber kurzfristig überstunden anordnet dann greifen entsprechende Tarifvertragsregelungen (wenn es den Tarifvertrag gibt) oder allgemeine Arbeitsrechtlichen regelungen.

Antwort also : ja / nein / eventuell

Yes
Vielschreiber
Beiträge: 330
Registriert: 05.08.2005, 20:09
Wohnort: Hamburg

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Yes » 09.08.2014, 15:20

Wattwurm hat geschrieben:... und ständige Verfügbarkeit das kommenden Arbeitszeitmodel im Zeichen des Mindestlohnes?
Statt starrer Arbeitszeiten macht Arbeit auf Abruf für den Unternehmer schon Sinn. Diese ist aber kein Allheilmittel, um für den Mindestlohn fehlende Betriebseinnahmen zu kompensieren und sie ist zudem auch noch streng reglementiert.

Wie LRKN schon schrieb, ohne das Einverständnis des Fahrers kommt Arbeit auf Abruf nicht in Betracht. Der Arbeitgeber trägt das Risiko, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu können und bleibt gemäß § 615 Satz 3BGB auch zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn er den Arbeitnehmer wegen Auftragsmangel oder aus anderen Gründen nicht beschäftigen kann (vgl. BAG, Urteile vom 07.12.2005 - 5 AZR 535/04, 23.06.1994 - 6 AZR 853/93).

Die Arbeit auf Abruf ist gesetzlich in § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) folgendermaßen geregelt:
§ 12 Arbeit auf Abruf

(1) Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen. Wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, gilt eine Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist, hat der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

(2) Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.

(3) Durch Tarifvertrag kann von den Absätzen 1 und 2 auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsieht. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen über die Arbeit auf Abruf vereinbaren.
Neben den Ankündigungsfristen usw. muss die arbeitsvertragliche Vereinbarung ei­ne be­stimm­te Min­dest­dau­er der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit und der tägli­chen Ar­beits­zeit bestimmen (Abs. 1 Satz 2).

Darüber hinaus sind auch dem Umfang der Arbeit auf Abruf Grenzen gesetzt.

Die vom Arbeitgeber abrufbare über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darf nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten Arbeitszeit darf diese die Grenze von 20 % der Mindestarbeitszeit nicht unterschreiten (BAG, Urteil vom 07.12.2005, aaO., dort unter Rdn. 46 a. E. m.w.N.).

Der Unternehmer kann also mit seinem Fahrer einfach "Arbeit auf Abruf" vereinbaren. Dann muss der Fahrer wöchentlich höchstens 12,5 Stunden arbeiten und der Unternehmer kann die Arbeitszeit auf maximal 8 Stunden pro Woche reduzieren. Versäumt der Unternehmer es, dem Fahrer die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitzuteilen, muss er ihn dennoch vergüten (vgl. § 615 Satz 3BGB). Nach dem MiLoG also 8,50 € pro Stunde x 10 Arbeitsstunden pro Woche x 4,33 Wochen pro Monat = 368,05 € zzgl. der Lohnnebenkosten für Nichtarbeit.

Ist eine Mindestarbeitszeit von 40 Wochenstunden vereinbart, können beide verabreden, dass der Fahrer auf Abruf 10 Stunden (25 %) mehr, also insgesamt 50 Stunden, oder 8 Stunden (20 %) weniger arbeitet. Größere Abweichungen sind nicht drin. Wenn der Unternehmer den Fahrer in flauen Zeiten weniger beschäftigt, muss er diesem trotzdem 40 oder 32 Wochenstunden vergüten.

Arbeit auf Abruf ist auch nicht so ähnlich wie Rufbereitschaft. Wie § 12 Abs. 2 TzBfG zeigt, darf der Fahrer auch "Nein" sagen.

Diese Einschränkungen beruhen darauf, dass der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an einer fest vereinbarten Dauer der Arbeitszeit hat, da hiervon regelmäßig die Höhe seines Einkommens abhängt und ihm eine umso größere Planungssicherheit ermöglicht wird, je weniger variabel der Umfang der Arbeitszeit ausgestaltet ist. Bei festen Arbeitszeiten kann der Arbeitnehmer seine Freizeit planen und prüfen, ob er ggf. ein weiteres Arbeitsverhältnis eingehen kann und möchte (so der BAG, aaO., unter Rdn. 45).

Deichkind
User
Beiträge: 57
Registriert: 28.10.2012, 18:42
Wohnort: Kiel

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Deichkind » 09.08.2014, 15:37

Was Wattwurm meint, ist vermutlich folgendes Arbeitsmodell für eine Reihe von Arbeitnehmern ab 2015:

Es wird eine Art Tourenplan wie in der Gastronomie (Frühschicht/Spätschicht) aufgestellt. D.h. der Fahrer bekommt feste Touren wie Dialyse etc. auf dem Arbeitsplan serviert, den er abarbeitet (z.B. von 6:00-8:00 Dialysepatienten Hinfahrt, um 12:30 bis 13:30 Uhr die Abholungen). In der Zwischenzeit wird kein Gehalt bezahlt, da keine Arbeit verordnet. Der Arbeitnehmer hat frei. Das bedeutet natürlich auch, dass mal kurz anrufen und "ich hab da ne Tour" nicht möglich ist.

Dieses Geschäftsmodell betreiben übrigens schon heute eine Reihe von Krankentransportunternehmen, die keine Taxen sind. Dort werden jedoch vielfach Renter und Hausfrauen eingesetzt.

In Zeiten des Mindestlohnes durchaus überdenkenswert, denn dadurch kann der Unternehmer die Fahrten in Schwachzeiten selbst abarbeiten und gleichzeitig den Lohn eines durchfahrenden Fahrers vermeiden. Denn es gibt keinen durchfahrenden Angestellten mehr, sondern einen fest mit Arbeitszeiten eingeplanten Fahrer.
Zuletzt geändert von Deichkind am 09.08.2014, 15:38, insgesamt 1-mal geändert.

Guter_Kollege
Vielschreiber
Beiträge: 4269
Registriert: 29.11.2013, 00:28

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Guter_Kollege » 09.08.2014, 16:07

Kollege YES, Du weisst selbst wie willkürlich die Bezahlung unter Provisionslohnbedingungen ausgelegt wird. Zumal
nach wie vor viele Arbeitgeber der Meinung sind sie hätten hier trotz FPerG und BGB § 611 völlig freie Hand.

Natürlich relativiert sich das unter Festlohn (ML-)Bedingungen.
Mit Ausgleich innerhalb 24 Wochen sind schon unter Normalbedingungen bis zu 60 Arbeitsstunden die Woche möglich.
Ohne allgemeingültige Tarifverträge macht hier jeder was er will und es für richtig hält. Gesetze hin oder her.

Benutzeravatar
jr
Vielschreiber
Beiträge: 6862
Registriert: 26.04.2004, 14:44
Wohnort: Oldenburg
Kontaktdaten:

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von jr » 09.08.2014, 16:19

Deichkind hat geschrieben:Dieses Geschäftsmodell betreiben übrigens schon heute eine Reihe von Krankentransportunternehmen, die keine Taxen sind.
Dieses Modell gibts auch schon im Taxigewerbe. Ich zeigte kürzlich den Fall eines Kollegen auf, dem es wenig behagte: http://www.taxiforum.de/forum/viewtopic.php?f=2&t=9887

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Wattwurm » 10.08.2014, 06:48

Bei " Arbeit auf Abruf " kommen wir schnell zum Thema Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft. Bei der Bereitschaftszeit handelt es sich prinzipiell um Arbeitszeit, die allerdings minder vergütet werden kann, d.h, bis zu 50 % Abschlag auf den Mindestlohn. Der Fahrer kann die Bereitschaftszeit zu Hause auf dem Sofa oder vor dem PC verbringen, muß aber in der Lage sein, seinen Dienst sofort wieder aufzunehmen. Die Vergütung einer Bereitschaftszeit muß im Arbeitsvertrag geregelt sein, ansonsten hat der Arbeitgeber den vollen Lohn zu zahlen! Im Gegensatz zur Bereitschaftszeit ist die Rufbereitschaft keine Arbeitszeit. Die Rufbereitschaft wird z u s ä t z l i c h zum Einkommen mit einer Pauschale vergütet. Eine sofortige Arbeitsaufnahme wird bei einer Rufbereitschaft nicht erwartet, sie muß aber möglichts zeitnah erfolgen!

http://www.arbeitsratgeber.com/rufberei ... ach-anruf/
http://www.arbeitsratgeber.com/bereitschaftsdienst/


Wenn der Mindestlohn kommt wird kein Weg an Bereitschaftszeit und Rufbereitschaft vorbei führen. Es macht dann keinen betriebswirtschaftlichen Sinn, einen Fahrer stundenlang am Taxistand abhängen zu lassen. Für´s Schludern am Taxiposten ist mir der Mindestlohn zu teuer! Ich werde in den Arbeitsvertrag also hinein schreiben, das die Bereitschaftszeit dann beginnt, wenn der Fahrer länger als 15 Minuten beschäftigungslos auf dem Taxistand steht. Eventuell werde ich meinem Fahrer sogar untersagen überhaupt einen Taxistand anzulaufen, sondern werde ihm vorschreiben unmittelbar und ohne Umwege nach erfolgter Personenbeförderung nach Hause zu fahren. Die minder vergütete Bereitschaftszeit zählt dann ab der ersten verschließbaren Tür bei ihm zu Hause. Die Fahrt zu ihm nach Hause akzeptiere ich noch als voll vergütete Arbeitszeit!

Mich würde das überhaupt nicht wundern, wenn wir demnächst eine Renaissance der Rufsäule an den Taxiständen erleben. Das wird dann der Fall sein, wenn außer ein paar Selbstfahrern und Graupen kaum noch Taxen am Posten zu finden sind.....
Zuletzt geändert von Wattwurm am 10.08.2014, 06:53, insgesamt 1-mal geändert.

ilkoep
Vielschreiber
Beiträge: 1106
Registriert: 06.06.2014, 23:30
Wohnort: Berlin

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von ilkoep » 10.08.2014, 18:13

Du kannst in deinen Arbeitsvertrag reinschreiben was du willst. Sobald der Kutscher auf dem Fahrersitz/Sessel hockt und die Säule oder sein Telefon anstarrt läuft seine Arbeitszeit, die mit mindestens € 8,50/h zu vergüten ist.

Betriebswirtschaftlich macht es nur Sinn überschüssige Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen. Aber das wirst du auch noch lernen....

Btw: alte Arbeitsverträge sind trotz ML weiterhin gültig.

Benutzeravatar
Freddy_AC
User
Beiträge: 117
Registriert: 21.09.2012, 06:41
Wohnort: Aachen
Kontaktdaten:

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Freddy_AC » 10.08.2014, 18:19

Wattwurm hat geschrieben: Mich würde das überhaupt nicht wundern, wenn wir demnächst eine Renaissance der Rufsäule an den Taxiständen erleben. Das wird dann der Fall sein, wenn außer ein paar Selbstfahrern und Graupen kaum noch Taxen am Posten zu finden sind.....
...dann brechen für mich ja paradiesiche Zustände an! :mrgreen: :mrgreen:
Wenn 2 Mann in einem Raum sind und 3 gehen raus, muss einer zurückgehen damit keiner mehr drin ist!

Guter_Kollege
Vielschreiber
Beiträge: 4269
Registriert: 29.11.2013, 00:28

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Guter_Kollege » 10.08.2014, 18:21

Mönsch Wattwurm, bekommst Du eigentlich noch mit was längst Diskussionsgegenstand selbst in anderen Foren ist?

Yes
Vielschreiber
Beiträge: 330
Registriert: 05.08.2005, 20:09
Wohnort: Hamburg

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Yes » 10.08.2014, 20:05

Wattwurm hat geschrieben:Ich werde in den Arbeitsvertrag also hinein schreiben, das die Bereitschaftszeit dann beginnt, wenn der Fahrer länger als 15 Minuten beschäftigungslos auf dem Taxistand steht.
Du kannst Begriffe wie "Bereitschaftszeit" nicht im Arbeitsvertrag vereinbaren, wenn dadurch der Anspruch des Fahrers auf die Mindestlohnzahlung beschränkt wird. Solche Vereinbarungen sind nach § 3 Satz 1 MiLoG-E unwirksam, soweit sie den Mindestlohnanspruch beschränken oder ausschließen. Wenn der Fahrer länger als 15 Minuten beschäftigungslos auf dem Taxistand steht, darf die Vergütung den Mindestlohn nicht unterschreiten, da entweder Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft vorliegt. Diese Zeiten sind gemäß § 1 Abs. 2 MiLoG-E wenigstens mit 8,50 € je Zeitstunde zu vergüten. Bereitschaftszeiten liegen grundsätzlich auch nicht vor, wenn der Unternehmer das so sagt, sondern wenn der Fahrer tatsächlich Bereitschaftsdienst leistet. Ansonsten könnte der Arbeitgeber z. B. auch gleich in den Arbeitsvertrag schreiben, dass als "Zeitstunde" ein Zeitraum von 120 Minuten gilt, und es sich anschließend mit einem Mindestlohn von 4,25 € bequem machen.
Wattwurm hat geschrieben:Eventuell werde ich meinem Fahrer sogar untersagen überhaupt einen Taxistand anzulaufen, sondern werde ihm vorschreiben unmittelbar und ohne Umwege nach erfolgter Personenbeförderung nach Hause zu fahren. Die minder vergütete Bereitschaftszeit zählt dann ab der ersten verschließbaren Tür bei ihm zu Hause. Die Fahrt zu ihm nach Hause akzeptiere ich noch als voll vergütete Arbeitszeit!
Was Du da beschreibst wäre keine Rufbereitschaft, sondern gewöhnliche Arbeitsbereitschaft. Bei der Rufbereitschaft bestimmt der Arbeitnehmer, bei der Arbeitsbereitschaft der Arbeitgeber den Aufenthaltsort (BAG, Urteil 19.12.1991 - 6 AZR 592/89). Wenn der Unternehmer dem Fahrer untersagen würde, einen Taxistand anzulaufen und ihm vorschriebe "unmittelbar und ohne Umwege nach Hause zu fahren", würde er den Aufenthaltsort bestimmen und den Fahrer in seinem Aufenthalt beschränken.
Wattwurm hat geschrieben:Der Fahrer kann die Bereitschaftszeit zu Hause auf dem Sofa oder vor dem PC verbringen, muß aber in der Lage sein, seinen Dienst sofort wieder aufzunehmen.
Auch das wäre gewöhnliche Arbeitsbereitschaft. Um Rufbereitschaft würde es sich handeln, wenn der Unternehmer dem Fahrer wesentlich mehr freie Hand ließe. Und zwar auch im Hinblick auf die Zeitspanne, binnen der der Fahrer die Arbeit aufnehmen muss. Nur, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sich um persönliche und familiäre Angelegenheiten zu kümmern, beispielsweise an sportlichen oder kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, oder sich mit Freunden zu treffen usw., liegen die Voraussetzungen einer Rufbereitschaft vor (BAG, Urteil vom 31.01.2002 – 6 AZR 214/00, LAG Köln, Urteil vom 13.08.2008 - 3 Sa 1453/07 m.w.N.). Dies richtet sich nicht allein nach den räumlichen, sondern naturgemäß auch nach den zeitlichen Umständen. Wird von einem Arbeitnehmer verlangt, dass er ständig binnen eines kurzen Zeitraumes zur Verfügung steht, bedingt dies mittelbar auch eine deutliche Einschränkung seines räumlichen Verfügungsrechts (BAG, aaO., LAG Köln, aaO.). Dies wäre aber der Fall, wenn der Fahrer in der Lage sein muss, seinen Dienst "sofort" wieder aufzunehmen. Denn selbst eine Vorgabe, nach der die Arbeitsaufnahme innerhalb von 20 Minuten nach Abruf erfolgen soll, wäre mit dem Wesen der Rufbereitschaft nicht zu vereinbaren (vgl. BAG, Urteil vom 31.01.2002 – 6 AZR 214/00, LAG Köln, aaO.).
Wattwurm hat geschrieben:Bei der Bereitschaftszeit handelt es sich prinzipiell um Arbeitszeit, die allerdings minder vergütet werden kann, d.h, bis zu 50 % Abschlag auf den Mindestlohn.
Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft sind beide Sonderformen des Bereitschaftsdienstes.

Arbeitsbereitschaft wird nach -soweit ersichtlich- einhelliger Auffassung dem Mindestlohn unterfallen. Es ist ein Trugschluss, von der Möglichkeit, Arbeitsbereitschaft geringer als Vollarbeit zu vergüten, darauf zu schließen, dass der Lohn auch den Mindestlohn unterschreiten dürfe. Die Quellen, die Du hierfür in diesem und in den anderen Threads benennst, verhalten sich nicht zu Fragen des Mindestlohns. In ihnen wird lediglich ausgeführt, dass Bereitschaftsdienste generell und unabhängig vom Mindestlohn geringer vergütet werden dürfen als Vollarbeit. Daran bestehen auch gar keine Zweifel. Auf der Grundlage einer tarif- oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung darf Vollarbeit z. B. mit 18,- € und Bereitschaftsdienst mit 9,- € pro Stunde vergütet werden. Das hat aber mit dem Mindestlohn nichts zu tun. Wenn ein Taxifahrer für die Zeiten, in denen er mit Fahrtaufträgen beschäftigt ist, eine Umsatzbeteiligung erhält und in den übrigen Zeiten 0,- €, muss dabei ab 2015 sichergestellt bleiben, dass der Mindestlohn für die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird. Dies folgt aus § 1 Abs. 2 MiLoG-E.

Ob eine Stunde Rufbereitschaft demnächst als "Zeitstunde" im Sinne von § 1 Abs. 2 MiLoG gelten wird, ist noch umstritten, so dass bislang unklar ist, ob für sie der Mindestlohn künftig zu zahlen ist oder nicht.

Vor einer allzu eigenen Auslegung des Mindestlohngesetzes ("Lex Watti") darf auch gewarnt werden: Bei einer Unterschreitung des Mindestlohns droht nicht nur die Nachzahlung des restlichen Lohns an alle betroffenen Fahrer (für einen Verjährungszeitraum von immerhin bis zu vier Jahren) und eine Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge, sondern es drohen auch empfindliche Bußgelder und eine strafrechtliche Ahndung wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelten bzw. Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266 a StGB).
Wattwurm hat geschrieben:Für´s Schludern am Taxiposten ist mir der Mindestlohn zu teuer!
Den meisten Fahrgästen ist die Fahrt mit dem Taxi ebenfalls zu teuer. Sie müssen diese dennoch bezahlen.
Guter_Kollege hat geschrieben:Zumal nach wie vor viele Arbeitgeber der Meinung sind sie hätten hier trotz FPerG und BGB § 611 völlig freie Hand.
Der Meinung ist das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg aber offenbar auch (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.02.2014 - 2 Sa 25/14). Das ist allerdings ein anderes Thema.
Zuletzt geändert von Yes am 10.08.2014, 20:36, insgesamt 1-mal geändert.

boese13
Vielschreiber
Beiträge: 328
Registriert: 22.12.2012, 11:16
Wohnort: Brandenburg

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von boese13 » 10.08.2014, 23:23

@ Yes

Bin sehr beeindruckt von deinen Beiträgen, sind interessant und informativ!

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Wattwurm » 11.08.2014, 06:09

Stimmt, muß ich auch zugeben. Daran könnte sich sogar RA Sokolovic die Zähne ausbeißen! Mal gucken was er dem BZP so an Schweinereien einflüstert..... :mrgreen:
Zuletzt geändert von Wattwurm am 11.08.2014, 06:11, insgesamt 1-mal geändert.

Guter_Kollege
Vielschreiber
Beiträge: 4269
Registriert: 29.11.2013, 00:28

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Guter_Kollege » 11.08.2014, 13:14

Bislang ist die Bundesregierung die Antwort auf die Frage der Länder schuldig, welche Lohnbestandteile unter den ML fallen und welche exklusiv sind.

Benutzeravatar
Jim Bo
Vielschreiber
Beiträge: 1447
Registriert: 28.11.2013, 13:02
Wohnort: Deutschland

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Jim Bo » 11.08.2014, 13:53

Für´s Schludern am Taxiposten ist mir der Mindestlohn zu teuer! Ich werde in den Arbeitsvertrag also hinein schreiben, das die Bereitschaftszeit dann beginnt, wenn der Fahrer länger als 15 Minuten beschäftigungslos auf dem Taxistand steht. Eventuell werde ich meinem Fahrer sogar untersagen überhaupt einen Taxistand anzulaufen, sondern werde ihm vorschreiben unmittelbar und ohne Umwege nach erfolgter Personenbeförderung nach Hause zu fahren.
Erst wird hier:
http://www.taxiforum.de/forum/viewtopic ... 108&t=9580
diskutiert, dass in Neumünster kein Betriebssitz in Wohngebiete mehr existieren dürfen, dass es auch Angestellte untersagt werden soll, ihr Taxi nicht mehr vor der Haustür abzustellen und nun sollen Angestellte doch zu sich nach Hause fahren. Interessant.

Über das Rumgejammere, der Mindestlohn sei für gewisse Arbeitssituationen zu teuer, will ich gar nicht darauf eingehen.

Yes
Vielschreiber
Beiträge: 330
Registriert: 05.08.2005, 20:09
Wohnort: Hamburg

Re: Arbeit auf Abruf...

Beitrag von Yes » 11.08.2014, 16:20

@ Guter_Kollege

Die Bundesregierung hat ihre Einschätzung der Frage, welche Lohnbestandteile unter den Mindestlohn fallen, auf den Seiten 84-85 der BT-Drucksache 18/1558 in der Fassung vom 28.05.2014 mitgeteilt. Danach soll auf die entsenderechtlichen Grundsätze nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH und des BAG zurückgegriffen werden. Die Verknüpfung zwischen AEntG und MiLoG soll sich aus § 20 MiLoG ergeben, wonach Arbeitgeber, unabhängig davon, ob sie ihren Sitz im In- oder Ausland haben, verpflichtet sind, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern ein Mindestarbeitsentgelt in Höhe des Mindestlohns rechtzeitig zu zahlen.

Bereitschaftdienste und Arbeit auf Abruf sind mit "Lohnbestandteilen" aber gar nicht gemeint. Der Arbeitnehmer erhält ja auch nicht als Lohn für seine Arbeit z. B. eine Stunde Rufbereitschaft. Die Antwort auf die Frage, welche Arbeitszeiten mit dem Mindestlohn zu vergüten sind, bleibt, soweit das Gesetz und die bisherige Rechtsprechung diese nicht beantworten, der künftigen Rechtsprechung überlassen. Der Gesetzgeber hat sich hierzu jedenfalls -soweit ersichtlich- nicht geäußert.
Zuletzt geändert von Yes am 11.08.2014, 23:21, insgesamt 1-mal geändert.

Antworten