KlareWorte hat geschrieben:SindSieFrei? hat geschrieben:
Also JimBo Ihr müsst ja Zentralen haben in Berlin...
Ich hoffe, das endlich bald die Zeit des FT kommt, wenn ich solche Aussagen lese, kräuseln sich mir die Fussnägel.
LG
Dein Verhalten und deine Froderungen mögen löblich sein, der FT wird an Jim Bo Verhalten nix ändern. Auch wenn es für manche FT-Befürworter schwer zu verstehen erscheint.
Und hier stoßen wir überhaupt erstmal an das Hauptproblem. Warum habe ich mir wohl diese Arbeitsweise angeeignet, dass ich nach 50 Minuten ohne Auftrag trotz Poleposition meinen Halteplatz verlasse?
Zunächst gehe ich davon aus, dass die Gewohnheiten der Kunden nicht konstant sind.
Der erste Punkt, der sich daraus ergibt, ist, dass ich nicht jeden Tag die gleiche Anzahl an Touren mit der gleichen Länge in der gleichen Zeit fahre.
Ich kann heute einen Fahrgast haben, dem der Einstieg zu hoch ist, der fährt morgen mit einem anderen Taxi.
Oder: Ein Stammkunde, der sonst zur Arbeit fährt, fährt diesmal in den Urlaub, braucht dafür ein Kombi = auch nicht mehr mein Kunde.
Oder: Jemand, der sonst täglich Taxi fährt, weil er es sich leisten kann, weil er die Chance hat, über Quittung das Geld wiederzubekommen, dem wird die Möglichkeit gestrichen und er fährt stattdessen mit den Öffentlichen = auch nicht mehr mein Kunde.
Verallgemeinert kann man sagen: Konstanter Stammkundenkreis ist nahezu ausgeschlossen. Die Taxibestellungen bleiben spontan.
Dann kommt noch hinzu, dass es mich zu unterschiedlichen Zeiten zu völlig unvohersehbaren Orten verschlägt, wo man nicht abschätzen kann, wann und ob von dort überhaupt der nächste Auftrag kommt.
Es kann gut sein, dass man sich mit den Jahren ein Muster konzipiert, wonach man arbeiten kann, wann es wo läuft. Das wiederum setzt allerdings ebenfalls voraus, dass die Gewohnheiten der Kunden konstant bleiben. Und selbst wenn das berechenbar wäre: Ist es dann berechenbar, dass kein anderer Kollege zu diesem Zeitpunkt vor dir steht und dir deinen Gewohnheitskunden wegschnappt? Klar, man könnte sich jetzt hinstellen und sagen: "Meine wichtigen guten Kunden haben meine Visitenkarte, ich stell mich jetzt trotz starker Konkurrenz hier an, der Kunde wird mich schon anrufen." Ihr wollt nicht wissen, wieviele Stammkunden ich durch das Berliner Zufallsprinzip wieder fahren durfte, die mir bei der Begrüßung entgegneten: "Ach gut, dass Sie mich wieder fahren, ich habe ihre Visitenkarte verloren." Nur ein weiterer Kollege vor dir und du hättest lange auf deinen Stammkunden warten können. Wie will man sowas denn kalkulieren???
Und hört bloß auf mit Prophezeihungen von wegen: "Letztes Jahr in diesem Monat hast du soviel Umsatz gemacht, dass wir ja dann dieses Jahr genauso sein." So ein Schmarrn!!! Genauso wie man pro Jahr einen Durchschnittswert ermittelt und den auf einen Monat bezieht. Der größte Blödsinn, den man nur machen kann.
Wenn ich meine Umsätze in den gleichen Monaten von Jahr zu Jahr miteinander vergleiche, dann sind da Abweichungen von +-200 bis 300 Euro zu vermerken. Das hat verschiedene Gründe und da kann man teilweise seine Werte nicht auf den Durchschnitt bringen. Man verurteilt also automatisch die Arbeit eines Taxifahrers, indem man sein Monatsumsatz mit dem eines Jahresdurchschnitts vergleicht und wenn dessen Umsatz niedriger liegt, dann wird er gleich als kriminell abgestempelt oder was? Sagt doch gleich, dass es kein Durchschnitt ist, sondern das Minimum, das erbracht werden muss. Aber egal.
Der nächste Punkt ist die Unvorhersehbarkeit wegen Fahrzeugmängel.
Wie will man denn hier kalkulieren, wann mein Taxi beispielsweise einen Platten hat und für wie lange das Arbeitsmittel damit ausfällt?
Oder sprechen wir über den Punkt, dass die Stadt uns ausbremst und uns damit bildlich gesehen Geld klaut.
Wem das nicht reicht, der kann sich gerne darüber Gedanken machen, ob er seine Krankheitstage kalkulieren kann. Mit Urlaub mag das ja noch gehen, theoretisch, ich z.B. habe meine Strategie, wann ich zu welchen Zeiten meinen Urlaub lege.
Das sind alles Faktoren, die als Beweis dienen, dass sich die Monats- und Jahresumsätze nicht im Voraus berechnen lassen. Und diesbezügliche Prophezeihungen, wie das im nächsten Jahr wird oder gar Forderungen, dass das genauso wie in diesem Jahr werden soll, sind reine Fiktionen/Spinnereien.
Mir graut es nur davor, dass die Unternehmer wirklich am Rad drehen, von wegen: Fahre soviel Umsatz pro Monat ein oder du fliegst!
Ja schön, wie will der Unternehmer denn wissen, wie ich gearbeitet habe. Ob seine Kündigung gerechtfertigt ist.
Überlegt mal, welche Faktoren unsere Schicht bestimmen sollen: Arbeitszeit (minimum 6 Stunden aber bloß nicht mehr als 10 Stunden), Kilometerschnitt (Leerkilometer auf Minimum halten), Umsatz (viele Touren oder lange Touren, am besten beides;), Kundenwunsch (wenn das nur eine kurze Tour sein soll, woher will man als Taxifahrer den Umsatz hernehmen?)
Und jetzt kombiniert diese Dinge mal, dann wisst ihr, warum ich so arbeite.
Mann darüber lässt sich eine ganze Diplomarbeit anfertigen. Stichwort: Was ist besser? An der Halte warten, wo man schon 2 Stunden steht so nach dem Motto: Der nächste Auftrag kommt bestimmt. Oder nimmt man es in Kauf, seinen Kilometerschnitt zu verschlechtern, weil es an anderen Halten scheinbar besser läuft? Was, wenn dort die letzten Touren vermittelt wurden und man nun ebenfalls 2 Stunden bis zum nächsten Auftrag warten muss? Was, wenn dort 10 andere Kollegen teils ohne teils Fremdfunk dort stehen und die Einsteiger wegholen? Noch schlimmer natürlich der Punkt, dass ein Auftrag gerade dann reinkommt, nachdem man sich aus seinem aktuellen Standplatz ausgeloggt hat. Noch viel viel schlimmer aber, dass man mit ansehen muss, wie Kollegen von hinten an dir vorbeifahren mit Auftrag in petto, weil diese Aufträge Merkmale enthalten, die man selbst nicht erfüllen kann. Zum Beispiel: Großraum- und Kombiaufträge. Das ist bestimmt nicht meine Schuld, wenn der Chef mir nur eine normale Limousine zur Verfügung stellt.
Chancengleichheit ist seit langem nicht mehr gegeben. Und ich schrieb das irgendwo schonmal:
Warum soll ich als Tagfahrer den gleichen Umsatz einfahren wie ein Nachtfahrer, der deutlich bessere Chancen hat, diesen Umsatz zu erwirtschaften? Was sind die Folgen daraus? Fahren wir jetzt alle nur noch nachts? Erpressen wir unseren Chef damit, dass er das von uns gewünschte Taxi zur Verfügung stellt? Lehnen wir alle kurzen unlukrativen Touren ab, damit jeder hohe Umsätze einfahren kann?
Und solche Kollegensch... von wegen: "Such dir einen anderen Job. Wenn du weg bist, geht es mir besser." denen wünsche ich mal das Elend hoch 10 an Hals, weil die keine Ahnung haben, dass mit meinem Ausgang aus der Taxifahrerbranche noch lange nicht garantiert ist, dass es denen besser geht. Selbst wenn von den 12000 Berliner Taxifahrer 8000 rausgeschmissen werden würden, würde das automatisch bedeuten, dass die Anfahrtswege zum Kunden länger werden, die Leerkilometer steigen. Die Zeit, die man für die Anfahrt braucht, wird ebenso länger. Denn eines wird Berlin mit Einführung des Mindestlohns nicht machen: Ampelphasen verändern und Baustellen zu Ende bringen! Man sieht dann öfter mal leere Taxen im Stau stehen und alle Kunden rennen Sie dann rüber zur Konkurrenz oder kaufen sich ein Lastenfahrrad.
Das, was mir besonders schwer im Magen liegt, ist, dass man zwar das Taxigewerbe verbessern will in Bezug auf Qualtitätssteigerung, jedoch nicht einsieht, dass man mit diesen Interpretationen und möglichen Sanktionen genau in die andere Richtung lenkt... bzw. was noch viel schlimmer wäre, dass man es billigend in Kauf nimmt, dass Opfer fallen.