FD hat geschrieben:Ob allerdings der Klempnergeselle, der mit seinem Chef zusammen am Wochenende auf einer privaten Baustelle wissentlich schwarz arbeitet, auch nach diesem Urteil noch seinen Chef auf Lohnzahlung für die geleistete Schwarzarbeit verklagen kann, wage ich doch mal zu bezweifeln.
Wenn der Geselle seine Leistung im Rahmen des (evtl. illegalen) Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Chef erbringt, hat er einen Lohnanspruch. Seine Arbeitsleistung als solche verstößt nicht gegen das SchwarzArbG, auch wenn sein Arbeitgeber die Abgaben hinterzieht.
Wenn er die Werkleistung als (Mit-) Unternehmer ("mit seinem Chef zusammen am Wochenende") erbringen sollte, hätte er deswegen (selbstverständlich) keinen Lohnzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Dieser würde schon daran scheitern, dass er die Leistung nicht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbrächte. Ob er einen Zahlungsanspruch gegen den Auftraggeber hätte, hinge i. E. davon ab, ob der Geselle keine Schwarzarbeit im Sinne des SchwarzArbG leisten würde. Ob der Geselle gegen das SchwarzArbG verstieße, hinge davon ab, ob dessen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt wären. Nicht jede umgangssprachlich als "Schwarzarbeit" bezeichnete Arbeit ist Schwarzarbeit im Sinne des SchwarzArbG. Das Gesetz definiert sie in
§ 1 SchwarzArbG folgendermaßen:
(2) Schwarzarbeit leistet, wer Dienst- oder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei
1. als Arbeitgeber, Unternehmer oder versicherungspflichtiger Selbstständiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt,
2. als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt,
3. als Empfänger von Sozialleistungen seine sich auf Grund der Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Sozialleistungsträger nicht erfüllt,
4. als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen seiner sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Anzeige vom Beginn des selbstständigen Betriebes eines stehenden Gewerbes (§ 14 der Gewerbeordnung) nicht nachgekommen ist oder die erforderliche Reisegewerbekarte (§ 55 der Gewerbeordnung) nicht erworben hat,
5. als Erbringer von Dienst- oder Werkleistungen ein zulassungspflichtiges Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein (§ 1 der Handwerksordnung).
(3) Absatz 2 findet keine Anwendung für nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtete Dienst- oder Werkleistungen, die
1. von Angehörigen im Sinne des § 15 der Abgabenordnung oder Lebenspartnern,
2. aus Gefälligkeit,
3. im Wege der Nachbarschaftshilfe oder
4. im Wege der Selbsthilfe im Sinne des § 36 Abs. 2 und 4 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994 (BGBl. I S. 2137) oder als Selbsthilfe im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076),
erbracht werden. Als nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtet gilt insbesondere eine Tätigkeit, die gegen geringes Entgelt erbracht wird.
Falls die Ârbeit des Gesellen nicht Absatz 3 unterfällt, verstieße der Geselle gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 und sein Vergütungs- und Bereicherungsanspruch würde nach dem neuen BGH-Urteil letztendlich wohl am Verstoß gegen das SchwarzArbG scheitern.
FD hat geschrieben:Auf Taxen übertragen, kommt es darauf an, ob die "Arbeitsverträge" auch als solche anerkannt werden und nicht eher Dienstverträge sind.
Da hast Du recht. Die Arbeitgeberpflichten (das MiLoG, ArbZG, FahrPersG, EntgFG, BUrlG, die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers) bestehen nicht, wenn der Mitarbeiter als selbständiger Taxifahrer tätig wird. Bei diesen "Mietverträgen" könnte das der Fall sein. Dass der Fahrer dabei praktisch das unternehmerische Risiko übernimmt, spricht für eine selbständige Tätigkeit. Dass der Unternehmer den Fahrer bei der Sozialversicherung anmeldet und Nachtzuschläge zahlt, spricht dagegen. Den genauen arbeits-, steuer-, sozialversicherungs- und personenbeförderungsrechtlichen Status des Fahrers und die Frage, ob Scheinselbständigkeit vorliegt, müsste man anhand des Einzelfalls überprüfen. Allein die Vereinbarung einer Umsatzbeteiligung reicht noch nicht für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit aus. Es kommt auf die Gesamtumstände an. Wenn man sein Unternehmen mit selbständigen Fahrern plant, sollte man bedenken, dass die BWVI der Selbständigkeit von Fahrern von vornherein nicht gerade wohlgesonnen gegenübersteht. Für die arbeitsrechtliche Beurteilung einer Fahrertätigkeit spielt deren Haltung allerdings keine unmittelbare Rolle.
FD hat geschrieben:...die freundliche Zahlungsaufforderung vom Finanzamt in Höhe der vorausgesagten 12 000 Euro. Die Höhe war zustande gekommen, weil er einmal einen Kunden aufgegabelt hatte, der in Hamburg zur REHA mußte und aus Brunsbüttel kam. Zwei Dumme, ein Gedanke, und ein Telefonat! Die BG stimmte der täglichen Hin- und Herfahrt zu und der Kunde machte mit V. gemeinsame Sache. Die Fahrten fanden nur auf dem Papier statt und die Beiden machten Fifty/Fifty. Nikolai war so nett, die Verrechnungen seinerseits mit den Mieten für die Taxe zu verrechnen. V. mußte nur dem Kunden die Hälfte jeden Tag in Bar in die Hand drücken, also 130 Euro!
...Ginge es nach Dir, yes, hätte V. ab dem 1.1.15 Anspruch auf Nachzahlung von ML.
Nur um Missverständnissen vorzubeugen (weil Du "ab dem 1.1.15 Anspruch auf Nachzahlung von ML" schreibst): der Mindestlohn gilt natürlich frühestens für Zeiträume ab dem 01.01.2015 und entfaltet jetzt keine Rückwirkung für vergangene Beschäftigungszeiten.
In dem von Dir geschilderten Fall, spricht einiges dafür, dass die Ermittlungsbehörden und Gerichte davon ausgegangen sind, dass V eine selbständige berufliche Tätigkeit ausgeübt hat, wenn der Vorwurf, dass er keine Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen abgegeben haben soll, gerechtfertigt war. Wenn seine Tätigkeit auch in arbeitsrechtlicher Hinsicht als selbständig zu beurteilen ist, hätte er auch keinen Mindestlohnanspruch, weil das MiLoG nur für Arbeitnehmer und nicht für selbständige Mitarbeiter gelten wird.
Auch im Arbeitsverhältnis gilt -allerdings mit erheblichen Einschränkungen- der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer für seine eigenen Verfehlungen selbst verantwortlich ist. Der Mindestlohnanspruch hat damit aber nichts zu tun. Wenn dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden ist, den der Arbeitnehmer zu verantworten hat, kann er diesen vom Arbeitnehmer erstattet verlangen und mit dieser Schadensersatzforderung grundsätzlich auch gegen die Lohnforderungen des Arbeitnehmers aufrechnen. Der Mindestlohnanspruch erlischt aber nicht ohne weiteres. Der Arbeitnehmer kann ihn auch nicht verwirken. § 3 Satz 3 des MiLoG-Entwurfs lautet: "Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen." Bei den Sozialversicherungsbeiträgen ist es so, dass der Arbeitnehmer für sie ohnehin nicht verantwortlich ist. Der Arbeitgeber kann sie grundsätzlich nur mit den nächsten drei Lohnzahlungen verrechnen. Sollte ein angestellter Fahrer sich so verhalten wie V in dem von Dir geschilderten Fall, könnte der Unternehmer die Beiträge auch später noch einbehalten, wenn der Abzug ohne sein Verschulden unterblieben ist (bei S. klingt es allerdings so, als ob ihn ein Verschulden trifft, weil er selbst an der Abrechnung der Scheinfahrten beteiligt gewesen sein soll, indem er diese mit der "Miete" verrechnet hat). Ich denke, dass der Unternehmer die nachgezahlten Beiträge in diesem Fall auch vom Fahrer erstattet verlangen kann und dieser Erstattungsanspruch nicht den Beschränkungen des
§ 28 g SGB IV, wonach der Anspruch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden kann, unterliegt. Insoweit hattest Du m. E. vollkommen recht, dass es nicht Sinn und Zweck der Vorschrift sein kann, derartige Verfehlungen zu schützen. Allerdings dürfte das nicht so ohne weiteres für die "reine" Schwarzgeldabrede gelten.
Eventuelle Lohn-, Kirchensteuer- und Solidaritätszuschlagsnachzahlungen kann der Arbeitgeber ohnehin vom Arbeitnehmer gemäß
§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m.
§ 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG erstattet verlangen, auch wenn er zunächst zu wenig Steuern einbehalten und später an das Finanzamt abgeführt hat.