Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

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nightrider
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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von nightrider » 07.01.2014, 14:58

zentralist hat geschrieben: Auslastung steigern? Wäre doch mal ein Mittel, oder.
Muss den jedes Fahrzeug wirklich zu jeder Zeit unterwegs sein?
Ich kann rund um die Uhr essen aber nicht jedes Lokal hat dafür rund um die Uhr auf.
Neue Kunden akquirieren ist auch so eine Möglichkeit
Das denke ich wurde auch schon mehrmals durchgekaut, Auslastung steigern, aber wie?
Die Probleme liegen da schon auf der Hand. Ein Fahrzeug kostet immer Geld, auch und besonders wenn es steht. Auch Fahrer wollen entweder beim jetzigen System Geld verdienen, also fahren, oder dann mit ML kosten sie immer Geld, egal ob sie arbeiten, oder nicht. Wird ein Fahrer zu wenig eingesetzt wird er kündigen und sich einen anderen Unternehmer suchen um auf seine Stunden zu kommen.

Das Nächste ist, wer kann immer vorhersagen wann es ruhig ist und wann ist viel los ist? Klar es gibt Erfahrungswerte, aber die treffen nicht immer zu und wenn dann jeder in ruhigen Zeiten weg bleibt und in starken Zeiten kommen dann Alle, ändert sich gar nichts.
zentralist hat geschrieben:Flughafengebühren? Wenn der Flughafenbetreiber will das ich mein Personal und mein Betriebsvermögen dort abstelle um seine Kunden abzuholen, dann soll der doch dafür zahlen.
Was für eine idiotisches System ist das denn, das ich dafür zahle das der Flughafen einen Service bieten kann.
Das gleiche gilt für andere auch.
Für alles muss gezahlt werden, Gema, GEZ u.s.w. nur für das Bereitstellen von Fahrzeugen und sog. Humankapital soll das nicht gelten. Wieso eigentlich?
Das ist ein gutes Thema, betrifft mich zwar nicht, aber ich denke auch wie kann es sein, dass die Taxler dafür zahlen müssen damit der Flughafen einen Service bietet, eigentlich müsste es umgekehrt sein. Doch um das zu ändern müsste wieder die vielbeschworene, aber nicht vorhandne Einigkeit her.
Wie war der alte Hippiespruch „stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin”. Soll heißen die Taxler müssten die entsprechenden Flughäfen schlicht boykottieren, einfach nicht mehr anfahren, wahrscheinlich würde da eine Woche konsequente Verweigerung reichen. Doch das ist etwas das unter Taxlern praktisch kaum umsetzbar ist weil es immer „Streikbrecher” gibt die meinen jetzt können sie richtig Kohle machen.
zentralist hat geschrieben:Es gibt noch viel mehr solcher Möglichkeiten. Dann ist der Umsatz auch so das ein ML kein Thema ist und es durch besserer Bezahlung auch kein Personalproblem mehr geben wird.
Allerdings werden sich die „alten Hasen“ damit abfinden müssen das sie weisungsgebunden sind und nicht mehr tun und lassen können was sie wollen.
Das haben andere Branchen auch schon hinter sich.
Gruß
Nur können die meisten anderen Branchen auch sehen ob und was die Mitarbeiter tun, im Taxi sitzt er alleine und ob er sich irgendwo „versteckt” und Zeitung liest, oder schaut, dass er Touren bekommt kann kaum legal kontrolliert werden. Wenn es keine Möglichkeiten der erfolgsorientierten Bezahlung mehr gibt flacht die Motivation ab das ist so. Aus dem Grund werden nach wie vor Vertriebler zumindest teilweise nach Erfolg, sprich Umsatz und oder Deckungsbeitrag bezahlt. Das betrifft auch Verkäufer in manchen Läden, Bedienungen in Gaststätten, usw...


Das ganze Thema wird wohl noch lange für Diskussionen sorgen, wie es dann wirklich wird weiß jedoch Heute noch Keiner das wir die Praxis zeigen wenn es soweit ist, aber ich denke schon auch, es wird dann bis zu einem gewissen Punkt eine „grosse Zeit” für alleinfahrende EWU`s, denn inwieweit sich Fahrer dann noch wirklich rentieren wird sich erst zeigen. Das größte Problem besteht für mich in der Motivation für manche Fahrer, denn es gibt Heute schon Einige die trotz Provisionsregelung, sagen wir deutlich mehr tun könnten, so sie denn wollten. ;-)

Das Meiste was jetzt geschrieben wird ist „Kaffeesatzleserei” da es bisher zumindest in keiner Großstadt einen gesetzlichen ML gibt.
everybodys darling is everybodys hausdepp (FJS)

E. G. Engel
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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von E. G. Engel » 07.01.2014, 15:10

Umsatz pro Taxe.


Zur Erinnerung und auch für den eigenen roten Faden noch einmal die formelhafte Darstellung,

wirtschaftlich:

´´´´´Nachfragemenge (Touren) x Preis (Tarif)
-------------------------------------------------------------- = Umsatz (pro Taxe)
´´´´´´´´´´´´Angebotsmenge (Taxen)

und personenbeförderungsrechtlich:

´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´ § 39 Abs. 2 PbefG
§ 13 Abs. 4 Satz 2, 1. PbefG x --------------------------------------- = § 13 Abs. 4, Satz 2, 3., 4. PbefG
´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´ § 13 Abs. 4 Satz 1 PbefG

Ich stelle gerade fest dass mir ein sich durchschleichender Fehler unterlaufen ist. § 13 Abs. 4 Satz PbefG 1. (Nachfrage) in den bisherigen Formeldarstellungen ist zu ersetzen durch § 13 Abs. 4 Satz 2 1. PbefG wie oben.

Darüber hinaus unterliegen die erzielbaren Umsätze noch weiteren gesetzlichen Vorgaben die ebenfalls im PBefG angesprochen werden, hier:

§ 25 PBefG Widerruf der Genehmigung

(1) …
(2) Die Genehmigungsbehörde kann die Genehmigung widerrufen, wenn die Voraussetzungen des § 13 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 nicht mehr vorliegen oder der Unternehmer die ihm gesetzlich obliegenden arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen oder die sich aus seinem Unternehmen ergebenden steuerrechtlichen Verpflichtungen wiederholt nicht erfüllt oder in schwerwiegender Weise dagegen verstoßen hat.

Genau genommen ist es eine Selbstverständlichkeit und bedürfte keines Extrakommentares außer das die Beachtung und Kontrolle dieser Vorschriften nicht nur den Arbeitsschutzämtern, Finanzämtern etc. vorbehalten ist sondern die Sicherstellung zum originären Aufgabenbereich der zuständigen Taxenbehörden zählt und in der Folge u.U. nach pflichtgemäßen Ermessen Konsequenzen einzuleiten sind. Aber wo kein Kläger ist auch kein Richter, oder anders, wo kein Interesse da auch keine Folge.


Hier erweitert sich der gesetzliche Kanon neben dem PBefG als Hausgesetz wie folgt:

Arbeitsrechtlich

Nachweisgesetz (NachwG) – Arbeitsvertrag http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf
Arbeitszeitgesetz (ArbZG) http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf
Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf
Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) Feiertage/Krankheit http://www.gesetze-im-internet.de/bunde ... gesamt.pdf

und demnächst ein Mindestlohngesetz

Steuerrechtlich

Einkommensteuergesetz (EStG)
Abgabenordnung (AO)
Körperschaftsteuergesetz (KStG)
Umsatzsteuergesetz (UStG)

Sozialrechtlich

Berufsgenossenschaft
Krankenversicherung
Pflegeversicherung
Rentenversicherung
Arbeitslosenversicherung

Arbeits-/Straßenverkehrsrechtlich

Fahrpersonalgesetz (FPersG) (Verbot der reinen Umsatzentlohnung für AN)


Ich will hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben sondern lediglich dem Umsatzvolumen (Umsatz pro Taxe) und den ergänzenden zu erfüllenden Rahmenbedingungen aus § 25 PBefG Rechnung tragen, ein Gesicht geben.


Wie verhält sich denn nun das Ganze. Dazu ein Beispiel. Auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens soll als Ergebnis ein Kuchen herauskommen. Dazu müssen auf der linken Seite der Gleichung die einzelnen abgewogenen Zutaten stehen, gerne Eier, Mehl und Butter. Stimmt das Verhältnis der Zutaten nicht so recht, dann kommt auf der rechten Seite der Gleichung ein Kuchen heraus der auseinanderfällt. Somit also schon einmal seine Funktion in Form, Farbe etc. nicht erfüllt. In diesem Fall muss also die Backmischung auf der linken Seite verändert werden bis auf der rechten Seite ein (funktionsfähiger) Kuchen herauskommt. Damit ist aber nur ein Teil des „Kuchenergebnisses“ sichergestellt. Er soll nicht nur nach Form und Farbe gut aussehen, er soll auch schmecken und zumindest relativ preiswert sein. Das bedeutet, er muss noch einiger Merkmale mehr erfüllen.

Übersetzt bedeutet dies, der Umsatzkuchen pro Taxe muss so gestaltet sein dass auch „ihm gesetzlich obliegenden arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen oder die sich aus seinem Unternehmen ergebenden steuerrechtlichen Verpflichtungen“ erfüllbar sind. Das eine geht nicht ohne das andere.


Wäre dies alles so könnte man umgehend zu §39 (2) PBefG (Tarif) und § 13 (4) Satz 1 PBefG (Beobachtungszeitraum, Konzessionstop) übergehen, den zwei entscheidenden und bestimmenden Parametern damit der Kuchen gelingt. Leider ist dies nicht so. Es gibt zwar einen Kuchen, aber der schmeckt so ganz und gar nicht, weil die gesetzlich obliegenden arbeitsrechtlichen, sozialrechtlichen, steuerrechtlichen Verpflichtungen im Taxengewerbe nur eine untergeordnete bis im Extremfall überhaupt keine Rolle spielen.


Die rechtliche Bedeutung, Steuer- und Sozialverkürzung, Erschleichung ungerechtfertigter Hartz IV Leistungen mittels falsch dokumentierter Verdienstbescheinigungen, Umgehung und Verletzung von AN-Rechten etc. (Gesetzeskanon siehe oben) ist ohne Frage ein krimineller Akt. Es gibt aber noch eine ganz wesentlich andere Bedeutung. Die hinterzogenen oder erschlichenen Summen wirken sich markttechnisch als „Subvention“ aus. Ohne dies jetzt im Detail zu listen, 2.000.- € Pro Taxe und Monat kommen da schnell zusammen. Wird bsw. für Berlin (ca. 7.300 Taxen) jede zweite Taxe so gerechnet dann sind wir für Berlin faktisch bei einem illegalen Subventionsvolumen von ca. 87 Mio. €/Jahr für den Berliner Markt. Dieses netto für brutto, kleine „Steuer“-Karte oder vorgeschobene 450.- € Anmeldung bei 300 Std./Monat plus Hartz IV führte sogar dazu dass lediglich 50 Taxifahrer (von 7.300 Taxen) in Berlin einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi folgte um für einen Mindestlohn zu demonstrieren. Irgendwie wollen die Berliner Taxifahrer keinen sicheren Grundlohn. Entweder haben sie ihn schon oder sie kommen „anders“ besser klar.


Aber es gibt bsw. in Berlin noch andere Phänomene die auf die Wirkung einer massiven Subvention hindeutet. Seit sechs oder sieben Jahren hat Berlin keine Tarifanpassung stattgefunden, dennoch ist der Taxenbestand um ca. 10 Prozent angestiegen, noch einmal ca. 10% liegen als Anträge auf Halde, trotz steigender Kosten. So oder so ähnlich sieht das gesamte Taxengewerbe in Deutschland aus, natürlich entsprechend den Größenverhältnissen.


Festzuhalten hier ist, dass die Senkung der Wirtschaftlichkeitsgrenze mittels illegaler Eigensubventionierung und faktisch öffentlich-rechtlicher Duldung durch Untätigkeit der zuständigen Behörden, sich in einem strukturellen Überangebot an Taxen wiederfindet. Verstärkt natürlich in den Städten.


Von Hamburg ausgehend, bedingt durch zunehmende sogenannte betriebliche „Plausibilitätsprüfungen“ und mittlerweile über den steigenden Verfolgungsdruck von Finanzämtern und Zoll bundesweit, hat ein Wandel von der primitiven Umsatzverkürzung und Schwarzarbeit stattgefunden zur intelligenten Umwandlung von Bruttolohn in steuer- und abgabenfreie Entlohnung, zu Gunsten von AG und AN, welche ebenso einer nicht legalen Eigensubvention entspricht und ebenfalls strukturelle Überangebote an Taxen am Leben hält.


Das Verfahren. Die „Lohnvereinbarung“ zwischen AG und AN sind i.d.R. ca. 45% vom Nettoumsatz. Dann wird, meist mit Hilfe entsprechender Computerprogramme, der Bruttoprovisionslohn in einen fiktiven Bruttostundenlohn umgerechnet, welcher dann wiederum um „Essengeld“, „Stauzulagen“, „Fehlgeldentschädigungen“ und Schichtzuschläge vermindert wird. Nur der „übriggebliebene Stundenlohn“ wird versteuert und unterliegt der Sozialversicherungspflicht, was häufig gegen Null tendiert, je nachdem um welche „Zulage“ es sich konkret handelt. Im Falle des § 3 EStG i.V.m. § 42 AO ist dies eindeutig Steuerhinterziehung. I.d.R. wird dann bei Urlaub, falls er nicht mit 2% zusätzlicher Provision abgegolten, vereinbart wurde, oder Krankheit, auch überwiegend nur der „Grundstundenlohn“ gewährt. Das Ergebnis der Hin und Her Rechnerei wird dann dem Steuerberater übergeben und auf diese Art und Weise noch einmal mit Stempel „veredelt“. Betriebsprüfer bekommen dann immer nur „Stundenlöhne“ zu Gesicht und eben nicht Provisionslohn (Umsatzbeteiligung) als Lohnvereinbarung. So der Trick. Dazu kommt dann, erst recht durch die gesenkten Kosten, noch ein gewisser Anteil „primitiver Umsatzverkürzung“. Vom Prinzip her bleibt auch damit das Gewerbe in der Illegalität, inkl. „Subventionen“.


Damit ist dann die formelhafte Darstellung zu ergänzen, der Realität anzupassen wie folgt:

wirtschaftlich:

´´´´´Nachfragemenge (Touren) x Preis (Tarif)
-------------------------------------------------------------- = Umsatz (pro Taxe) plus „Subventionen“
´´´´´´´´´´´´Angebotsmenge (Taxen)

und personenbeförderungsrechtlich:

´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´ § 39 Abs. 2 PbefG
§ 13 Abs. 4 Satz 2, 1. PbefG x --------------------------------------- = § 13 Abs. 4, Satz 2, 3., 4. PbefG plus Gesetzesumgehungen
´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´´ § 13 Abs. 4 Satz 1 PbefG

An diesem Punkt stellt sich eine grundsätzliche Frage. Glaubt jemand wirklich, dass eine 25%ige Tarifanpassung auch da ankommt wo sie ankommen soll, bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €. Oder versackt die Tarifanpassung in mehr Taxen, respektive mehr illegaler Gewinne/Einkommen/Lohn.


Der Natur der Sache nach wird ein gesetzlicher Mindestlohn den Hebel der Verschleierungsmöglichkeiten, den variablen und nur schwer nachkalkulierbaren Umsatzlohn, aushebeln. Aber wer hat dann ein Interesse daran. Das Taxengewerbe? Und neu und ganz plötzlich die zuständigen Rechtsaufsichten? Wer das glaubt der glaubt auch daran dass sich aus der Sahara Acker- und Weideland machen lässt. Mindestlohn und Taxengewerbe wird noch über Jahre für Beschäftigung sorgen. U.U. steht damit vielleicht wirklich der Ordnungsrahmen, die Regulierung über ein Gesetz, das PBefG, zur Disposition. Taxi ade? Darüber sollte man sich klar sein. Wer also „Taxi“ erhalten will, der sollte über die eigene Hutschnur sehen und Schaden und Nutzen wohl abwägen.


Alleine Hamburg stellt in dieser Hinsicht einen Ausblick auf Wasser in der Wüste dar. Aber auch hier wird es nicht ohne Probleme, ohne weitere einschneidende Veränderungen gehen. Dazu später mehr.


Engel

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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von Guter_Kollege » 07.01.2014, 23:25

zentralist hat geschrieben:Und ihr alle überlegt keine bisschen wie man mit dem ML auch gut leben kann....
Irgendwie musst Du einen anderen Thread gelesen. Dieser hier kanns nicht gewesen sein.

Ich tu den ganzen Monat lang nichts anders als überlegen wie ich mit ML leben kann.
Und ich bin vermutlich nicht der Einzige.

Auch mal interessant zu lesen: http://www.taxideutschland.eu/pbefg-reform.html

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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von E. G. Engel » 08.01.2014, 13:16

Eigentlich beabsichtigte ich jetzt zu Hamburg überzugehen. Aber ich denke, da der ML sowie die pauschale Forderung nach 25% Tarifanpassung, das gesamte bundesweite Gewerbe betrifft, doch noch den ein oder anderen Aspekt zu beleuchten.


Verdichtung des Gewerbes zu MWU.

Im „anderen Forum“ habe ich die letzten Tage eine Grafik über die Anzahl der Berliner Taxen und der Unternehmer gesehen. Hier ist nicht nur der deutliche Anstieg an Taxen, plus ca. 10% in den letzten Jahren erkennbar, sondern gleichzeitig auch eine Abnahme der Unternehmer welchen die Taxen gehören. Also gegenläufige Prozesse. Taxenanzahl steigend, Unternehmeranzahl sinkend. Dies lässt eindeutig darauf schließen dass in Berlin eine permanente Verdichtung, Konzentration auf sogenannte MWU, erfolgt. Dies erinnerte mich fatal an die Zeit vor dem Beginn der Plausi’s in Hamburg. Ich hatte damals ebenfalls eine entsprechende Grafik aufgebaut wo sich genau dieser Prozess ablesen ließ. Diese Entwicklung begründet sich dadurch, dass der MWU sich über seine Fahrer ein markttechnisch entscheidendes Plus an illegalen Subventionen erschleichen kann. So ist es für einen angestellten Fahrer mit Hilfe einer falsch dokumentierten Verdienstbescheinigung ein leichtes sich ungerechtfertigt zusätzliche Hartz IV Leistungen zu sichern als für einen selbstständigen EWU. Vieles zeigt darauf hin, wie vor Beginn der Plausi’s in Hamburg auch, dass in Berlin der Bär steppt, sprich das Modell der Taxenvermietung an Hartz IV Leistungsbezieher. Dies bedeutet, Taxenunternehmer „vermietet“ Taxi für einen wöchentlichen Festpreis an Fahrer und meldet in allenfalls bis 450.- € an (Verdienstbescheinigung), obwohl der Fahrer schon aufgrund des Mietpreises ca. 300 Std./Monat auf der Kiste herumrutschen muss. U.U. wird dann das Fahrzeug noch einmal „untervermietet“. Die geringfügige Anmeldung bis 450.- € zieht bei Inanspruchnahme von Hartz IV natürlich automatisch einen hohen Betrag entsprechender Leistungen, sprich „Subvention“, nach sich. Seit es in Hamburg die Plausi’s gibt, gibt es folgerichtig auch eine Umkehrung des Trends. MWU, MWU-Taxen, geraten zahlenmäßig ins Hintertreffen und werden ersetzt durch EWU-Taxen. Der entsprechende Wettbewerbseffekt ist deutlich erkennbar. Insofern erklärt sich auch leicht dass trotz stagnierender Preise (Tarif) und Kosten seit Jahren dass Angebot (Taxen) in Berlin wächst.


Aber auch in anderen Zuständigkeitsbezirken, auch mit Konzessionstop, erfolgt eine Verdichtung hin zu MWU, soweit ich diverse Zahlen am Rande mitverfolgt habe, so dass auch unter der Decke eines Konzessionstop das effektive Angebot an Taxendienstleistung sich vergrößert. Leidtragender ist der typische Einzelunternehmer der dann gerade noch seine Konzession verkaufen und dann auf seiner ehemals eigenen Taxe als Fahrer auch in den Genuss von „Doppeleinkommen“ gelangen kann.



Konzessionshandel

Bleibt letztendlich noch ein Aspekt übrig der zwingend darauf hindeutet dass im bundesrepublikanischen Taxengewerbe einiges nicht stimmt. In den meisten Zuständigkeitsbezirken Deutschlands gibt es einen Konzessionstop (Beobachtungszeitraum, § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG). I.d.R. wird dort mit Hilfe eines betriebswirtschaftlich geeigneten, vereidigten und bestellen Gutachters ein Gutachten gem. § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG erstellt, in dem dann ebenfalls i.d.R. festgestellt wird dass das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit bedroht ist, nach herrschender Rechtsprechung des BVerWG bedeutet dies, es droht ein ruinöser Wettbewerb welcher mit dem öffentlichen Interesse nach Gelegenheitsverkehr mit Taxen nicht mehr in Einklang zu bringen ist, also kurz davor. Gleichzeitig werden in diesen Teilmärkten aber zigtausende von € investiert um einen müde gewordenen Taxiunternehmer die Konzession abkaufen zu können. Dies ist ein Widerspruch in sich. Erst vor kurzem fiel dies auch einem Kölner Verwaltungsgericht auf. Ruinöser Wettbewerb und zigtausende für eine Konzession passen nicht zusammen, es muss aber dennoch eine Erklärung dafür geben.


Greifen wir dabei wiederum auf die formelhafte Darstellung zurück und die Frage erklärt sich von selbst.

´´´´´Nachfragemenge (Touren) x Preis (Tarif)
-------------------------------------------------------------- = Umsatz (pro Taxe)
´´´´´´´´´´´´Angebotsmenge (Taxen)

Diese Gleichung stellt die gutachtliche Ausgangslage dar auf deren Basis dann regulativ (Beobachtungszeitraum, § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG) in das Angebot (Taxen) inkl. Beschränkung der Berufswahlfreiheit etc. eingegriffen wird.

´´´´´Nachfragemenge (Touren) x Preis (Tarif)
-------------------------------------------------------------- = Umsatz (pro Taxe) plus „Subventionen“
´´´´´´´´´´´´Angebotsmenge (Taxen)

Diese Gleichung stellt die erweiterte Realität dar welche die Gewinne/Einkommen/Lohn abseits eines ruinösen Wettbewerbs ermöglichen und die zigtausende € für die Übernahme einer Taxenkonzession wirtschaftlich rechtfertigen. Der Gewinn wird über die „Subventionen“ ermöglicht, direkt als Steuer- und Abgabenverkürzung, indirekt über die Umgehung „behindernder Gesetze“ wie Lohnfortzahlung, Arbeitszeitgesetze etc.. Das ist dann auch einige zigtausend € wert.


Natürlich wird der „Hausgutachter“ des bundesdeutschen Taxengewerbes die Sachverhalte kennen. Und seit bestimmten „Hamburger Prozessen“ wird er seit 2005 in dieser Hinsicht auch mutiger und verweist zunehmend in seinen Gutachten auf Anteile wirtschaftlich „unplausibler Taxen“. Wie bsw. in Frankfurt, Essen etc.. Allerdings mit geringem Erfolg, da sich die zuständigen Behörden/Kommunalpolitik ihren Vorteil des kriminellen Ungleichgewichtes, oder besser kriminellen Gleichgewichtes, hohe Verfügbarkeit und im Verhältnis dazu zu geringe Tarife, nicht nehmen lassen wollen und dies als Leistung im Interesse der Bürger bewerten.


Wobei dem Bürger an dieser Stelle gesagt werden muss, dass, wenn er das Taxi nicht nach seinem echten Wert vergütet, disponibel oder direkt cash, er dies dann wie dargestellt über seine Steuern- und Sozialabgaben macht. Der Bürger bezahlt das Taxi so, oder so. Einzig Politiker und Beamte können sich dass Image des Fürsorgers anheften. Das war’s.


Wer, unter dem Eindruck des bisher Dargestellten, glaubt nun wirklich dass eine massive Tarifanpassung um ca. 25% mit Hinblick auf einen geregelten ML, möglich, machbar und zielführend ist und dort ankommt wo sie ankommen soll, der zieht seine Hose auch mit der Kneifzange an.


Der kommende ML bedeutet den Offenbarungseid des Gewerbes und der zuständigen Behörden. Ich bin mal gespannt wie man versuchen wird die „Insolvenzverschleppung“ zu bewerkstelligen, und ob sie gelingt.



Vielen Dank an den Kollegen Guter_Kollege für den Link,
Auch mal interessant zu lesen: http://www.taxideutschland.eu/pbefg-reform.html
Dadurch fühle ich mich ein wenig entlastet.



Ab jetzt wird es mit Hamburg weitergehen, auch weil fast ausschließlich hier entsprechende Lösungsansätze zu finden sind, gewerblich wie behördlich.



Engel
Zuletzt geändert von E. G. Engel am 08.01.2014, 13:23, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von am » 08.01.2014, 18:53

E. G. Engel hat geschrieben: Ab jetzt wird es mit Hamburg weitergehen, auch weil fast ausschließlich hier entsprechende Lösungsansätze zu finden sind, gewerblich wie behördlich.



Engel

Du solltest dabei an dieser Stelle nicht zu speziell werden. Eine Hamburger Diskussion dürfte hier im allgemeinen Tenor untergehen.
Es gibt kein gefährliches Halbwissen, aber zu viele schlechte Informationen.

E. G. Engel
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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von E. G. Engel » 09.01.2014, 19:24

Ich tu einfach mal so als ob ich farbenblind wäre.




Gleichungstechnisch komplett sieht dies jetzt letztendlich so aus:

Code: Alles auswählen

                                      Preis (Tarif)
                                   inkl. „Subventionen“  
Nachfragemenge (Touren)                                                     Umsatz (pro Taxe)
inkl. „Subventionen“    x   --------------------------------------     =   inkl. „Subventionen“ 
                                   Angebotsmenge (Taxen)
                                   inkl. „Subventionen“
(Am Rande dazu noch einmal meinen Text aus 2007, wenn man denn ein legal subventioniertes Gewerbe will mit allen politisch gewünschten Rückwirkungen auf Preis (Tarif) und Angebotsmenge (Taxen): Die ultimative Lösung ? http://www.taxiforum.de/forum/viewtopic ... sung#p1357 )

und personenbeförderungsrechtlich so:

Code: Alles auswählen

                                            § 39 Abs. 2 PBefG 
                                           inkl. „Subventionen“  
§ 13 Abs. 4 Satz 2, 1. PBefG                                                        § 13 Abs. 4, Satz 2, 3., 4. PBefG 
  inkl. „Subventionen“           x   --------------------------------------    =          inkl. „Subventionen“ 
                                          § 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG
                                           inkl. „Subventionen“
Interessant ist, das hier nicht gesetzliche Regelungen maßgeblich sind sondern als Schwankungsreserve, Ausgleichsreserve oder wie man das bezeichnen will, vielmehr die „Subventionen“. Sie sind der Multiplikator der sich durch jeden einzelnen Parameter der formelhaften Darstellung, der Gleichung, durchzieht.


Und nun kommt aller Wahrscheinlichkeit nach ab 2015 eine neue fixe Größe, ein Mindestlohn von 8,50 € (für den AG ca. 11,50 €), ins Spiel der die floatende Größe „illegaler Subventionen“, den „illegalen Ausgleichsfaktor“, nachhaltig beeinträchtigen, verändern wird. Das bedeutet, das Gewerbe und die Rechtsaufsicht wird sich verstärkt den regulären Parametern widmen müssen.


Bevor wir uns dem Thema im Detail zuwenden, erst noch einmal eine Klärung der Verantwortlichkeit.

Dazu ein Beispiel:

Es ist bekannt, dass es auch im Allgemeinen Diebe gibt. Dies liegt erst einmal in der Verantwortung der Diebe. Daneben gibt es aber auch die Polizei, welche Diebstahl verhindern soll. Wie sähe es aber aus wenn die Polizei Erlaubnisse (Konzessionen) erteilt, gewährt, ein Geschäft mit Diebesgut zu führen. Ich denke, an Diebe und an die Polizei sind unterschiedliche Ansprüche zu stellen. Sonst können wir alle gesellschaftlichen Übereinkünfte vergessen und wieder auf die Keule zurückkommen, dann stellt sich der Staat, und das sind wir alle, selbst in Frage. Besonders schlimm aber ist es wenn sich Diebe und Polizei über Jahre arrangiert haben und die Diebe daraus Gewohnheitsrechte, moralisch ethisch gesehen noch nicht einmal zu Unrecht, ableiten.

Besonders schlimm wird es aber wenn die Polizei einerseits die Diebe verfolgt, andererseits weiter Erlaubnisse (Konzessionen) verteilt mit Diebesgut zu handeln. Auch schon weil der Markt nur mit Diebesgut funktioniert.

Und damit sind wir in Hamburg angekommen. Hier sind die Erkenntnisse auf einem Level wo die zuständige Behörde sich nur noch schwer mit Unkenntnis herausreden kann.




Mit hoheitlichen Recht und der entsprechenden Pflicht hat die Taxenbehörde zu regeln:

a. Den Tarif (§ 39 Abs. 2 PBefG)
b. Die Angebotsmenge im Rahmen der „Funktionsfähigkeit“ (§ 13 Abs. 4 Satz 1 PBefG)
c. Aus a. und b. muss sich ein Umsatz pro Taxe (im Durchschnitt), § 13 Abs. 4, Satz 2, 3., 4. PBefG, ergeben welcher dem Taxenunternehmer/-fahrer eine rechtssichere Betriebsführung/Arbeiten ermöglicht.

Es versteht sich von selbst dass „illegale Subventionen“ bei der Betrachtung behördlicher Pflichten keine Rolle zu spielen haben, sondern eher eine rechtsstaatsimmanente Aufforderung zum Handeln darstellen.

Dem Tarif (Preis) sind natürliche, marktwirtschaftliche Grenzen gesetzt, auch wenn innerhalb der Tarifstruktur noch einiges machbar ist.

Die Nachfrage ist relativ gering bis überhaupt nicht zu beeinflussen, außer Verschiebungen innerhalb des Taxenmarktes, sondern kann durch einen Tarif (Preis) eher negativ beeinflusst werden.

Bleibt letztendlich als hauptsächliches Steuerungsinstrument die Steuerung der Angebotsmenge (Taxen) um c. darstellen zu können. Ist die Angebotsmenge zu groß um c. zu genügen hat die Rechtsfolge aus b. einzutreten, sprich Beobachtungszeitraum -> Konzessionstop.

Genau am letzten Punkt verweigert sich die Behörde und ist damit auch wiederum letztendlich selbst verantwortlich für jeden gefassten Delinquenten, denn die Hamburger Rahmendaten sind so gestaltet, dass ein rechtssicheres Arbeiten nicht möglich ist oder sich im ruinösen Bereich wiederfindet. Unter diesem Aspekt ist jeder Unternehmer, der in Hamburg mit rechtsstaatlichen Mitteln aus dem Verkehr gezogen wird gleichzeitig auch ein Menetekel für die Behörde selbst, denn jede Konzession welche die Behörde einzieht wurde von ihr selbst ausgegeben. Denn mit für ca. 50% der Taxenmenge erzielbaren ca. 12.- € Umsatz/Std. erzielbaren Umsätze, nicht Verdienst, lässt sich ein rechtsicheres Arbeiten nicht bewerkstelligen. Dieser Trend zieht sich seit 14 Jahren wie ein roter Faden durch die jeweiligen Handlungen der Hamburger Taxenbehörde.



Wer das auch in der Hamburger „Taxenbehörde“ bestimmen mag, bestimmt nicht der einzelne Sachbearbeiter Herr M., oder Frau D., wahrscheinlich auch Herr R. nicht. Aber irgendwo muss die strategische Entscheidung fallen, auf keinen Fall einen Konzessionstop. Und dort haben wir dann auch den/die Hehler der Diebe.


Der andere rote Faden, Hamburg spezifisch seit 2000 bis 2014, u.a. FT usw..


Aber heute nicht mehr.


Engel

Guter_Kollege
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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von Guter_Kollege » 09.01.2014, 20:15

N ur mal ne kleine Anmerkung von mir (die der ganzen Aufsatz natürlich nicht gerecht wird):
Zitat Engel: "Die Nachfrage ist relativ gering bis überhaupt nicht zu beeinflussen, außer Verschiebungen innerhalb des Taxenmarktes, sondern kann durch einen Tarif (Preis) eher negativ beeinflusst werden."

Das man die Nachfrage nicht beeinflussen kann darf man wohl sagen.
Wie wäre es aber mit könnte?
Wenn wir wie normaler ÖPNV mit Ausgleichszahlungen für die Bedienung unlukrativer Strecken/Zeiten/Personengruppen
bedient würden?
Dies hätte aber(und müßte haben) vermutlich mehr ordnungspolitische Regelungsgewalt zur Folge als bloße pauschale Betriebspflicht auf niedrigstem Niveau.
Und eine "plausible" Kilometerleistung von 80 oder 90 Cent auf den Kilometer wäre dann auch nicht mehr darstellbar.
Erst recht nicht wenn man auch noch Festlohn mit üblicher gesetzeskonformer Buchhaltung mit einkalkuliert

E. G. Engel
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Re: Mindestlohn – Offenbarungseid für Gewerbe und Behörden?

Beitrag von E. G. Engel » 10.01.2014, 01:40

@ Guter_Kollege

Sicher kann man viel machen, strukturell, im Detail.

Aber für vieles muss das Gewerbe erst mal wieder auf die Beine gestellt werden.

Gerade wenn wir wirklich ÖPNV-Teilbereich werden wollten. Wir brauchen gute Unternehmer und gute Arbeitsplätze, und gute Verbände. Aber so ein Strukturwandel wird Jahre brauchen. Erst mal muss ausgemistet werden. Dann brauchen wir auch eine Behörde die konstruktiv an die Sache herangehen will. Ich hoffe ja dass, zumindest in Hamburg weil hier die Voraussetzungen am Besten sind, der ML der Hebel ist dass zu einzuleiten.

Engel

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