Bereitschaftszeiten

Löhne, Arbeitsbedingungen, Recht.
Mainfranke
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Bereitschaftszeiten

Beitrag von Mainfranke » 02.03.2016, 22:00

Hallo zusammen,

ich bin in einer ländlichen Gegend in Nordbayern Taxifahrer. Die Nachtschichten werden bei uns durchgehend gezahlt. Allerdings bekommen wir unseren Mindestlohn bis 20 Uhr nur, wenn wir fahren. Für die Bereitschaftszeit erhalten wir einen Stundenlohn von 1,50 €. Gut, wir dürfen das Taxi während der Bereitschaft mit nach Hause nehmen, da es sich bei uns nicht lohnt, sich an den Bahnhof zu stellen. Unter der Woche geht es, denn wir haben hier einige, auch längere Krankenfahrten. Doch am Wochenende kommt man bei einer Bereitschaftszeit von 8:30 Uhr - 21:00 Uhr höchstens auf 4 bis 5 Stunden.

Mich würde es interessieren, wie es bei Kollegen, die ebenfalls in einer Kleinstadt oder im ländlichen Bereich beschäftigt sind, geregelt ist mit der Vergütung der Bereitschaftszeit?

Für Eure Antworten herzlichen Dank im voraus.

Mainfranke

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Wikinger » 03.03.2016, 04:08

Bevor nun die Klassenkämpferisches wieder eloquent Schwallen...

Natürlich ist es eigentlich und auch uneigentlich nicht rechtens. Mindestlohn heißt, ebendiesen mindestens zu Zahlen.

Pragmatisch würde ich sagen... Hmmm, Kleinstadt, Hmmm, da geht vielleicht nicht so viel.

Mit anderen Worten... Du fährst quasi deine Kohle nicht ein, also kann dein Chef dir auch nicht deinen Lohn zahlen. Bestehst du drauf, kann er dir nur kündigen. Hast du ja nix von. Ansonsten könntest du ja auch eh was anderes machen.

Ich unterstelle mal, dass du wegen Auftragsmangel nach Hause "darfst". Wenn du natürlich nach Hause sollst, um den Lohn zu sparen, sieht es natürlich anders aus...

Recht haben ist also nicht immer einfach.

taxipost
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von taxipost » 03.03.2016, 12:04

@Wikinger
das, was Mainfranke hier beschreibt, ist rufbereitschaft.
diese zählt nicht als arbeit i.s.v. arbzg und dürfe auch nicht unter milog fallen.

@Mainfranke
wenn ich das richtig sehe, dann ist dein hauptproblem,
dass du zu wenig stunden (8,50) hast oder haben könntest.
schau doch in den arbeitsvertrag rein.

rufbereitschaft muss dort festgeschrieben sein.
das gilt auch für die eigentliche arbeitszeit genauso.
für rufbereitschaft gibt es klare vorgaben die erfüllt werden müssen.
eine vorgabe ist die vertragliche spezifikation.
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Mainfranke » 03.03.2016, 12:24

Hallo Wikinger,

der Arbeitsvertrag ist ein 08/15-Vordruck, heruntergeladen aus dem Internet, in dem Rufbereitschaftszeiten nicht erwähnt werden.

Wie gesagt, ich arbeite hier in einer Kleinstadt mit großem Umland und darf das Taxi mit nach Hause nehmen, wenn ich keinen Auftrag habe. Samstags haben wir hier beispielsweise nur zwei Dialysefahrten und wenn sonst keine Fahrt rein kommt, erhalte ich gerade mal 3 Stunden Lohn (einschließlich der Rufbereitschaftszeit) bei einer Arbeitszeit von 8:30 Uhr bis 20:00 Uhr.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Guter_Kollege » 03.03.2016, 12:34

Taxipost hat recht. Wikinger nicht. Aus dem was Mainfranke ungenau und leider unzureichend beschreibt, läßt
sich höchstens Rufbereitschaft ableiten. Denn Bereitschaftszeit verbringt man am Arbeitsplatz und nicht zu Hause.
Was Mainfrankes Arbeitgeber hier betreibt ist eine Umgehung klarer Arbeitszeitregelungen (Taxipost erwähnte es)
zum Zwecke der Umgehung von Lohnzahlung.
@Wikinger,
erkläre doch mal was an Deiner Einlassung eloquent ist. Hast Du irgendetwas Sinnvolles zu Mainfrankes Problem und seiner Lösung beizutragen als ihn noch in dem Dilemma zu bestärken, das er zwar auf alles ein Recht hat, aber keine Chance es zu bekommen?
Wann ist für Dich das Maß voll, der Zeitpunkt gekommen, ab welchem Du empfiehlst, sich grade zu machen und das Notwendige einzufordern?
Manche Arbeitgeber drohen gerne allzu leichtfertig und willkürlich mit Arbeitsplatzverlust 'weil er nicht mehr bezahlbar ist'.
Das ist ein Rundumschlag-Totschlagargument.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Löwenzahn » 03.03.2016, 13:43

Ihr dürft das Taxi mit nach Hause nehmen.

Dürfen heißt nicht sollen! Daher Bereitschaftsdienst.
Ich lese hier ganz klar heraus, dass sein Chef die Arbeitszeit so weit wie möglich kürzt.

Du hast zwei Möglichkeiten:

1. Du fügst dich den Anweisungen und gibst dich mit den daraus resultierenden Arbeitsstunden zufrieden.

2. Du stellst dich an den Bahnhof an und wartest auf Aufträge. Gleichzeitig protokollierst du deine Arbeitszeiten und Pausenzeiten.

Im ersten Fall wird nichts passieren, alles wie gehabt, du kannst auch nicht dagegen vorgehen.

Im zweiten Fall wird es interessant. Dein Chef wird weiter die Arbeitszeiten kürzen, gemeint: dir weniger auszahlen als du gearbeitet hast. Du hast aber deine Aufzeichnungen und kannst mit Hilfe eines Anwalts deine fehlenden Arbeitsstunden einklagen.

Wichtig ist jetzt, wie lange du dem Betrieb angehörst. Ab einer gewissen Zugehörigkeit muss der Chef jede Kündigung auf Verlangen begründen. Das ist dein Vorteil, denn wenn er versucht, dich zu kündigen, weil du den Mindestumsatz nicht erwirtschaftest, kannst du ihn verklagen. Das ist nämlich kein gültiger Kündigungsgrund. Arbeitsverweigerung, das ist der einzige Kündigungsgrund. Trifft auf dich aber nicht zu, weil du Arbeitsbereitschaft zeigst. Dein Chef wird versuchen dir was unterzustellen, einen Kündigungsgrund erfinden, was auf dich gar nicht zutreffen kann. Wenn das passiert, informiere sofort deinen Anwalt und zerre deinen Chef nochmals vor Gericht. Auch wird dein Chef versuchen dir eine Arbeitsanweisung zu geben, die dich auffordert nach einem Auftrag Pause zu machen. Informiere auch hier sofort deinen Anwalt und protokolliere, wie sich seine Arbeitsanweisung auf dein zugesprochenes Gehalt auswirkt.

Wenn du unsicher bist, ob du diesen Schritt wagen sollst, siehe dich nach einer anderen Arbeitsstelle um. Dann hast du "Rückendeckung".

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Guter_Kollege » 03.03.2016, 14:30

Seit dem Start des gesetzlichen Mindestlohns versuchen einige Arbeitgeber Lohnkosten zu sparen, indem sie ihren Beschäftigten einen Teil der Arbeitszeit nicht bezahlen.

http://www.dgb.de/themen/++co++84aa4830 ... 540023ef1a

Talbot
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Talbot » 03.03.2016, 18:43

Hallo Mainfranke, das ist bei mir - auch ländlicher Raum - genauso. Ich nehme das Taxi mit nach Hause und kann dort tun und lassen was ich will, nur wenn ein Anruf kommt muss ich los. Und für die Zeit, die ich auf dem Sofa liege oder sogar schlafe bekomme ich kein Geld - find ich auch logisch. Am Wochenende, wenn es mehr oder weniger durchläuft bekomme ich 30 % bzw. umgerechnet auf die Stunden 10 € pro Stunde. Ich kann meine Zeiten selbst bestimmen, sage dann heute Abend fange ich erst um 23 Uhr an und in Absprache mit dem Wochenendkollegen kann ich auch bestimmen, wenn nichts mehr los ist höre ich auf.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von SindSieFrei? » 03.03.2016, 19:06

@ Mainfranke: Hier wird ja immer behauptet, das es solche illegalen Machenschaften nicht gibt!!! Schön, das wir das mal schwarz auf weiß lesen!

Rufbereitschaft unterscheidet sich klar von der Bereitschaftszeit. Aus tarifvertraglichen Vereinbarungen findet man sowas häufig im Gesundheitsbereich bei Ärzten, etc., die (bei bestimmten Kompetenzen, wie Chefarzt oder Oberarzt), auf Stand-By stehen MÜSSEN! Eine Reduzierung der Vergütung auf 1,50 € statt 8,50 €, wäre es Rufbereitschaft, halte ich für sittenwidrig! Diese Vergütung muss arbeitsvertraglich/Tarifvertraglich klar definiert werden.
...Allerdings bekommen wir unseren Mindestlohn bis 20 Uhr nur, wenn wir fahren. Für die Bereitschaftszeit erhalten wir einen Stundenlohn von 1,50 €...
DU schreibst aber selber von Bereitschaftszeit, ich gehe also davon aus, das das in deinem AV als solche definiert ist und NICHT als Rufbereitschaft. Ist es tatsächlich als solche definiert, hast Du Anspruch auf den ML, klarer Fall. Alles weitere hat Löwenzahn beschrieben! Frage also einen versierten Arbeitsrechtler, um dich endgültig abzusichern, wir sind hier alle nur blöde Klassenkämpfer. :mrgreen:

LG
Dura lex, sed lex.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von ilkoep » 03.03.2016, 20:04

Rufbereitschaft ist keine Bereitschaftzeit und kann daher minder entlohnt werden als normale Arbeitszeit. Nie jedoch weniger als € 8,50/h.

Ist doch eigentlich gar nicht so schwierig.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von schleicher » 03.03.2016, 21:00

Der grundlegende Irrtum:
Die Arbeit ist nicht fuer das
Arbeitszeitgesetz da, sondern umgekehrt. Darauf hinzuweisen waere Aufgabe des bzp (gewesen). Weg mit diesem Verband!
Zuletzt geändert von schleicher am 03.03.2016, 21:19, insgesamt 3-mal geändert.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Wikinger » 04.03.2016, 01:12

Wie ich schon sagte, grundlegend besteht der Lohnanspruch von 8,50 Euro. Mindestens. Auf den Punkt gebracht. Nun wird diskutiert, ob es sich um Rufbereitschaft handelt. Um dann festzustellen, dass auch für diese mindestens 8,50 bezahlt werden muss :mrgreen: Das meinte ich mit eloquenter Schwallerei... 8)

Und natürlich solltest du ganz schnell zum Anwalt. Natürlich erst, wenn du einen anderen Job hast. In einer Kleinstadt. Hättest du einen anderen Job, bräuchtest du nicht zu fragen... :roll:

Und je nach Grösse des Unternehmens kann dir aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt werden. Und niemand kann einen Unternehmer zwingen, einen Angestellten zu beschäftigen! Da können hier wieder alle Klassenkämpferisch auftrumpfen, trotzdem...nöö!

Kleinstadt, jeder kennt jeden, willst du unter Umständen Krieg?

Wohlgemerkt, dein Recht besteht aus 8,50 pro Stunde, egal ob du fährst, oder zu Hause bist, usw. Pausen, die du einhalten musst, gehen natürlich runter. Kann dein Chef dich nicht bezahlen, hast du eben die Wahl, die Sache zu beenden, oder auf kleiner Flamme die Suppe zu köcheln.

So, und nun wieder Feuer frei für das rote Gesox :mrgreen: :mrgreen: :mrgreen:

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Guter_Kollege » 04.03.2016, 01:30

Talbot hat geschrieben:Am Wochenende, wenn es mehr oder weniger durchläuft bekomme ich 30 % bzw. umgerechnet auf die Stunden 10 € pro Stunde.
Super! Hast Du Dir das selbst ausgerechnet, oder entspricht das der Stundenlohnermittlung Deines Arbeitgebers/Lohnabrechnung? Und mal Hand aufs Herz (ohne verschränkte Finger hinterm Rücken): Steht da auch was von Mehrverpflegungsaufwand darinnen? Na gut, sags besser nicht.

Ich denke nicht, dass solches arbeiten als Modell taugt, als Vorbild für andere Gewerbe/Berufszweige.
Es würde die Gesellschaft spalten, in solche die Arbeit haben und solche die keine. Der Untergang des Solidarprinzips,
der sozialen Marktwirtschaft.

Guter_Kollege
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Guter_Kollege » 04.03.2016, 04:23

Wikinger hat geschrieben:Kleinstadt, jeder kennt jeden, willst du unter Umständen Krieg?
Wohlgemerkt, dein Recht besteht aus 8,50 pro Stunde, egal ob du fährst, oder zu Hause bist, usw. .....
Kann dein Chef dich nicht bezahlen, hast du eben die Wahl, die Sache zu beenden, oder auf kleiner Flamme die Suppe zu köcheln.
So, und nun wieder Feuer frei für das rote Gesox
Rotes Gesocks? Lass das mal nach, Wikinger, ich hätte sonst ein paar Bezeichnungen für Dich und Deine Haltung, dass Dir die Halsschlagader platzt. So cool bist Du nicht wie Du tust, verlass Dich drauf..... (ohne Mr. Green).

Das Problem ist erstens, daß Mainfrankes Beschreibung seiner Arbeitszeit/Arbeitsperformance, etwas ungenau/merkwürdig ist.
Was soll das heissen 'Bereitschaftszeit von 8:30 Uhr bis 21 Uhr' und 'kommt man höchstens auf 4 bis 5 Stunden'(Anm.:Arbeitszeit)?
Arbeitszeit zusätzlich zur "Bereitschaftszeit"? Also 11 ½ Stunden + 4 ½ Vollzeitstunden = 16 Stunden Arbeitszeit?
Oder 11 ½ Stunden inklusive 4 ½ Stunden Vollarbeitszeit für diese dann 8,50 € gezahlt werden + 6 ¼ x 1,50 € ?
Ersteres wäre ein klarer Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz und seine vorgeschriebenen Ruhezeiten und kein Klassenkampfargument.
Wenn sowas einreisst, dann können wir das ArbZG mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen, oder es gleich ganz abschaffen.

Die zweiter Variante ergibt, dass hier abzgl. gesetzlicher Pausenzeit von einer ¾ Stunde und angenommener "Vollarbeitszeitzeit" von 4 ½ Stunden, für 6 ¼ Stunden "Bereitschaftszeit" ein Entgelt von 1,50 €/Stunde gezahlt wird.
Oder tatsächlich noch weniger? Zitat: "Samstags ........ erhalte ich gerade mal 3 Stunden Lohn (einschließlich der Rufbereitschaftszeit) bei einer Arbeitszeit von 8:30 Uhr bis 20:00 Uhr." (zuerst: 21 Uhr)

So strittig möglicherweise Bereitschaftszeit im Taxigewerbe definiert und diskutiert sein mag (ist es nur für diejenigen, die sich nicht
damit auskennen), ist aus der Beschreibung von Mainfranke zu entnehmen, dass es sich tatsächlich nicht um Rufbereitschaft handelt.
Natürlich ist die nicht mit 8,50 € zu entlohnen, evtl. - je nach den näheren Umständen - gar nicht oder mit 1,50 € korrekt und angemessen entlohnt.
Man kann hin und her diskutieren wie man will; Wir haben in Deutschland und Europa gewisse (Arbeits-)rechtsstandards, die man nicht
nach Belieben mal anwenden kann und mal nicht. Mainfranke selbst hat (inzwischen) 2 wichtige Hinweise gegeben, die auf
Bereitschaftszeit schliessen läßt, nicht auf Rufbereitschaft.
Zitat: "Arbeitsvertrag .... in dem Rufbereitschaftszeiten nicht erwähnt werden"
Zitat: "Für die Bereitschaftszeit erhalten wir einen Stundenlohn von 1,50 €."
Zitat: "...wenn sonst keine Fahrt rein kommt, erhalte ich gerade mal 3 Stunden Lohn"

1) Eine Rufbereitschaft die lt. Arbeitsvertrag nicht spezifiziert ist, ist keine solche.
2) Ein Entgelt von 1,50 €/Stunde für Bereitschaftszeit ohne Tätigkeit gibt es im Taxigewerbe nicht, und würde bei Gericht keinen Bestand haben (Arbeitsgericht Aachen 1 CA 448/15h v. 21.04.2015).
3) Das Verhältnis von Rufbereitschaft (Arbeit auf Abruf) ist an strenge Vorgaben gebunden (Kollege SSF erwähnte es). Kollege Mainfranke hat die näheren Umstände nicht genannt. Jedoch ist alleine schon das auffällige Mißverhältnis von "Vollzeitarbeit" und "Bereitschaftszeit", letztere man hier leichtfertig mit Rufbereitschaft verwechseln kann, maßgebend dafür, dass es nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Az: 5AZR 535/04 v. 7.12.2005) keine Rufbereitschaft ist, sein darf.
Zitat BAG: Die bei einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeit des Arbeitnehmers darf nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen.
Jeder kann selbst nachrechnen, dass das hier nicht passt, folglich: keine Rufbereitschaft. Nebenbei: Auch die nicht am Arbeitsplatz verbrachte Bereitschaftszeit
unterliegt dem ArbZG und seinen Pausen- und Ruhezeit Regelungen, da sie Arbeitszeit ist. Auch die möglicherweise tricky ins Belieben des AN gestellte freie
Entscheidung über den Umfang des Einsatzes von Rufbereitschaft, ändert daran nichts; Erstens, weil das mit Rufbereitschaft per definitionem nicht geht; Zweitens, weil selbst wenn es so ginge, wären die Vorgaben zur Ausführung eng gefasst.

Zudem, der Fakt, lt. Aussage, Zitat: "...wenn sonst keine Fahrt rein kommt, erhalte ich gerade mal 3 Stunden Lohn" dürfte, wenn wahr, sittenwirdrig sein (BGB § 138 Abs. 2, § 612, § 632, möglich sogar § 316).

Das war noch längst nicht alles und ist nicht von roten Socken erfunden, sondern Grundlage unserer bürgerlichen Gesellschaft.
Nun ist es zwar unstreitig, das Gerangel mit Arbeitgebern in einer überschaubaren Stadt/Gemeinde, sich schnell rumspricht und überhaupt
unangenehm ist. Ich weiss konkret von einem Fall eines Kollegen aus Nürnberg, der als Taxifahrer kaum einen Fuss mehr ins Gewerbe bekam.
Besonders weil er damit auch beim örtlichen Monopoltourenmakler Taxi-Zentrale Nürnberg unten durch war, weil bei die allermeisten Taxiunternehmer
organisiert sind.
Auch mich hat es mal ähnlich erwischt. Zwar nicht ganz so hart, weil in Hamburg gibt es viele Alternativen. Aber tatsächlich hatte mein Exchef bei den
relevanten Tourenmaklern HFT, Autoruf und selbst bei Das Taxi persönlich insistiert. Ja, mir sogar wortwörtlich gesagt "Ich sorge dafür, daß Du als Taxifahrer in Hamburg kein Bein mehr auf die Erde bekommst."
Das ist aber erst mal nur das worst case scenario. Arbeitsverträge sind dazu da, sich beim Vertragen zu helfen, damit man über Dinge nicht unnötig
streiten muss, die man schwarz auf weiss nachlesen kann. So wie der AG auf Einhaltung der Vertragsbedingungen besteht, so kann und sollte es auch der
AN tun. Inhalte die dort nicht niedergeschrieben und der Beliebigkeit unterworfen sind, können zwar mal für die eine oder andere Seite von Vorteil oder Nachteil sein. Weil, dann tritt die gesetzliche Regelung anstelle der fehlenden ein. Bei unterschiedlichen Ansichten über fehlende oder unklare Regelungen aber, ist Streit oft vorprogrammiert. Und leider ist hier oftmals der Arbeitnehmer in der schwächeren, weil abhängigen Position.
Dennoch sollte man die vertraglich und gesetzlich geregelten Punkte ansprechen und klären. Das schafft auch Respekt beim Gegenüber. Und ist gutes Recht.
Irgendwann kann aber auch mal der Zeitpunkt gekommen sein, wo man entscheiden muss, auch gegen den erklärten Unwillen des Anderen seine berechtigten Forderungen durchzusetzen.
Notfalls auch mit dem Risiko unangenehmer Konsequenzen. Wir leben nicht in Hottentottenland und solches Gebaren wie hier aufgezeigt darf man nicht durchgehen lassen.
Zuletzt geändert von Guter_Kollege am 04.03.2016, 04:48, insgesamt 3-mal geändert.

Wattwurm
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Wattwurm » 04.03.2016, 07:47

Hallo Mainfranke, es handelt sich ganz klar in Deinem Fall um Rufbereitschaft. Rufbereitschaft unterliegt nicht dem Mindestlohngesetz und kann abweichend vom Mindestlohngesetz bezahlt werden. Das einzige was mich an der Sache stört ist, dass in Deinem Arbeitsvertrag eine Rufbereitschaft nicht erwähnt wird. Darüber müßest Du mit Deinem Arbeitgeber noch einmal reden, dass er die Rufbereitschaft mit in den Arbeitsvertrag aufnimmt. Vielleicht kann man bei der Gelegenheit auch über eine moderat höhere Pauschalvergütung ( 1,75 € ) der Rufbereitschaft verhandeln. Ansonsten verhält sich Dein Arbeitgeber absolut rechtskonform.

http://www.vv-suedbaden.de/index.php?op ... Itemid=532

In vielen ländlichen Räumen, mit sehr überschaubaren und zumeist auch planbaren Tourenaufkommen wie z.B. Schulfahrten oder Dialysefahrten, ist das Mittel der Rufbereitschaft die einzige Möglichkeit überhaupt noch eine Bedienbarkeit, wenn auch unter Einhaltung von Vorlaufzeiten, sicher zu stellen. Ohne die Möglichkeit der Rufbereitschaft, wäre das Taxigewerbe in vielen ländlichen Gegenden überhaupt nicht mehr existent. Zumeist handelt es sich dabei um Nebenerwerbsbetriebe. Also der fränkische Landwirt aus Kleinrinderfeld bei Würzburg mit angeschlossenem Demeter-Hofladen der noch 2 Taxen auf Bestellung vorhält. Im übrigen die einzigen Taxen im Umkreis von 20 Kilometern. DAS liebe Hamburger und Berliner gibt es tatsächlich.

Und zwischen Lübeck und Wismar herrscht auch akuter Taxinotstand. Dazwischen ist überhaupt nichts. Der einzige Taxiunternehmer zwischen Lübeck und Wismar geht gerade völlig tiefenentspannt mit seinem Riesenschnauzer Bruno Gassi und spielt "Hol das Stöckchen". Habe ich Recht André?
Zuletzt geändert von Wattwurm am 04.03.2016, 08:11, insgesamt 1-mal geändert.

Löwenzahn
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Löwenzahn » 04.03.2016, 07:58

Sehr gut, Guter Kollege.

Will man heutzutage Gerechtigkeit, dann müssten alle Arbeitnehmer einer Firma den Chef vor Gericht ziehen, weil nur so erreicht wird, dass dieser seinen Laden dicht machen kann. Will man es jedoch einfach angehen, dann kündigt man wortlos selbst und sucht sich einen anderen Job. Und wenn man weiß, dass es keine Alternativen gibt, dann muss man mit dem Leben, was man hat.

Es ist einfach so.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Löwenzahn » 04.03.2016, 08:04

Wattwurm hat geschrieben: In vielen ländlichen Räumen, mit sehr überschaubaren und zumeist auch planbaren Tourenaufkommen wie z.B. Schulfahrten oder Dialysefahrten, ist das Mittel der Rufbereitschaft die einzige Möglichkeit überhaupt noch eine Bedienbarkeit, wenn auch unter Einhaltung von Vorlaufzeiten, sicher zu stellen.
Mir kommen die Tränen... Arbeitnehmer sollen dafür bluten, dass kleine Knirpse in die Schule kommen und Kranke ins Krankenhaus.

Ich will dir mal eins sagen, Herr Wattwurm:
Wenn das Ausbeuten so weiter geht, wird es in ferner Zukunft keine Kinder geben und die Taxifahrer werden selbst diejenigen sein, die ins Krankenhaus müssen.

Wer kümmert sich denn um uns? Ich pfeife auf Bedienbarkeit! :twisted:

Wattwurm
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Wattwurm » 04.03.2016, 08:17

Zuletzt geändert von Wattwurm am 04.03.2016, 08:27, insgesamt 2-mal geändert.

KlareWorte
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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von KlareWorte » 04.03.2016, 11:14

Wattwurm lass bitte das Gesabbelt. Du hast keine Ahnung von der Provinz, also lass es einfach.

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Re: Bereitschaftszeiten

Beitrag von Guter_Kollege » 04.03.2016, 12:42

Ich schliesse mich dem an.
Bitte verwirre nicht Leute hier mit Falschinformationen, Wattwurm.

@Mainfranke,
enthält Deine Lohnabrechnung etwa auch einen steuerfreien Mehrverpflegungsaufwand?
Zuletzt geändert von Guter_Kollege am 04.03.2016, 12:52, insgesamt 1-mal geändert.

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