SPIEGEL: Der Streit ums Elfenbein

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hjm
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SPIEGEL: Der Streit ums Elfenbein

Beitrag von hjm » 13.07.2004, 18:22

17. Juli 2003 Druckversion | Versenden | Leserbrief

DISKUSSION ÜBER TAXIFARBE

Der Streit ums Elfenbein

Von Thomas Joppig

Einheitliche Elfenbeinfarbe oder bunte Reihe? Diese Frage spaltet das wirtschaftlich angeschlagene Taxigewerbe und seine Verbände. Während die einen an der bundesweiten Farbvorschrift für die Wagen rütteln, fürchten die anderen um den Wiedererkennungseffekt. Nun soll der Bundesrat entscheiden.
Die Argumentationsliste kam als sechsseitiges Sonder-Fax. Versorgt wurden damit die Chefs jener Taxizentralen, die dem Deutschen Taxi- und Mietwagenverband (BZP) angehören. Nichts wäre für dessen Geschäftsführer und überzeugten Elfenbein-Befürworter Thomas Grätz in diesen Tagen unangenehmer als Querschläger aus den eigenen Reihen. Um die Mitglieder für Presseanfragen "zu wappnen", hat er auf den sechs Seiten eine übersichtliche Tabelle zusammengestellt. Links die Argumente der Farbfreunde in Kurzfassung, rechts eine ausführliche Erläuterung, weshalb der vertraute Farbton "Hell-Elfenbein" bleiben muss.

Erbitterter Glaubenskampf

Gesetzliche Einheitsfarbe oder freie Auswahl? Diese scheinbar banale Frage sorgt in der Branche derzeit für einen erbitterten Glaubenskampf. Der BZP als Interessenverband einflussreicher Taxizentralenbesitzer kämpft für den Erhalt des bundesweiten Farb-Gesetzes. Der Taxiverband Deutschland (TVD) hingegen, dem auch etliche kleinere Taxiunternehmen angehören, hält die Abschaffung der Vorschrift für dringend nötig - vor allem aus Kostengründen.

Die Farbfolie in Hell-Elfenbein koste rund 800 Euro pro Wagen, das Entfernen vor dem Weiterverkauf abermals knapp 500 Euro, sagt der TVD-Vorsitzende Peter Kristan. Ihm seien zudem Einzelfälle bekannt, bei denen beim Abziehen der Folie der darunter liegende Schutzlack zum Teil gleich mit entfernt wurde.

Zudem seien beispielsweise schwarze oder silberne Karossen mit abnehmbarem Taxischild vielseitiger einzusetzen: "Wenn es gelingt, die bislang getrennten Konzessionen für Taxis und Mietwagen gesetzlich zusammenzuführen, könnten Taxiunternehmer zudem künftig auch einen Limousinenservice anbieten", so der TVD-Chef.

Eine solche Forderung hält Thomas Grätz nicht für sinnvoll: "Taxi- und Limousinenservice sind zwei verschiedene Bereiche." Wenn plötzlich jeder Taxifahrer mit seinem Wagen auch einen Limousinenservice anbieten könne, seien Qualitätsverluste für die Limousinen-Fahrgäste zu erwarten. "Das wäre schon aus Gründen des Verbraucherschutzes problematisch."

Wiedererkennungseffekt durch Farbe

Der Hauptgrund für Hell-Elfenbein sei aber die Erkennbarkeit: "Viele Firmen geben Millionen dafür aus, um eine Corporate Identity zu erzeugen. Wir haben solche Wiedererkennungseffekte durch die einheitliche Farbe der Taxen. Es wäre unsinnig, einen solchen Vorteil aufs Spiel zu setzen", sagt Grätz.

Für den TVD ist das kein Argument: "Die meisten Taxen werden ohnehin nicht per Handzeichen, sondern per Telefon bestellt oder an zentralen Orten wie Bahnhöfen oder Flughäfen bestiegen, sagt Peter Kristan. Zudem seien Deutschland und Portugal die einzigen Länder Europas, in denen es ein Gesetz zur Taxifarbe gebe.
Thomas Grätz möchte jedoch an genau dieser juristischen Besonderheit festhalten: Dank ihrer hellen Farbe seien die Wagen im Straßenverkehr gut zu erkennen und daher sicherer. Und auch die sehbehinderte "Oma auf dem Balkon", so Grätz, könne so schon von weitem sehen, dass ihr Taxi vorfährt. Ein weiterer Grund: "Durch die einheitliche Farbe der Taxen ist klar, dass sie, im Gegensatz zu Privat-Pkw auch Busspuren benutzen dürfen." Ein Ende der Farbbindung, so Grätz, würde mehr Privatleute auf die Busspuren locken, weil dies nicht mehr so auffällig sei.

Schon bald könnte das Thema sogar den Bundesrat beschäftigen. Dort will das Saarland einen so genannten Entschließungsantrag gegen das bundesweite Farbgesetz einbringen. "Hell-Elfenbein" ist seit 1970 in der "Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr" als Einheitsfarbe vorgeschrieben; zuvor mussten alle Taxis schwarz sein.

Warnung vor Regulierungswut

Hanspeter Georgi, saarländischer Wirtschaftsminister, hält es für überflüssig, Taxifahrern vorzuschreiben, welche Farbe ihr Wagen hat: "Nicht die Farbe, sondern das Taxischild am Dach ist Erkennungsmerkmal eines Taxis", sagt der Christdemokrat.

Im Bundesverkehrsministerium sieht man das anders: "Jedes Kind erkennt ein Taxi an seiner Farbe", sagt Ministeriumssprecher Felix Stenschke. "Die Farbgebung hat sich bewährt, sie erhöht die Verkehrssicherheit und ist ein gängiges Erkennungsmerkmal."

Die FDP warnt unterdessen vor zu viel Regulierungswut: "Wenn die Regierung des Saarlands meint, dass die Farbe des Taxis eine unternehmerische Entscheidung ist, dann sollte dies die Bundesregierung akzeptieren", sagt der liberale Verkehrsexperte im Bundestag, Horst Friedrich.

Ungeachtet solcher Bedenken, haben sich Taxifahrer schon jetzt vereinzelt der Farbe mit dem Sanitätshaus-Image ade gesagt: Im aufrührererischen Saarland gab es mehrere Ausnahmegenehmigungen; in Baden-Württemberg denkt man über eine pauschale Ausnahmegenehmigung nach. Die wird vom Taxi- und Mietwagenverband Stuttgart und vom Verkehrsverband Südbaden gefordert. Vorab soll eine Untersuchung der Fachhochschule Nürtingen bis September Klarheit darüber bringen, ob die Farbbindung nötig ist, damit die Wagen sicherer fahren und problemlos erkennbar sind.

Peter Kristan rechnet damit, dass beide Fragen mit Nein beantwortet werden. Er hofft, dass, dass die ersten silbernen, schwarzen oder blauen Taxen Ende des Jahres durch Baden-Württemberg fahren können.


http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,15 ... 16,00.html
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Leserbriefe:

Verlust des Wiedererkennungswertes?

Da freut sich doch der Bürger. Endlich mal eine bewegende Änderung in Deutschland, die uns wirklich weiterbringt. Und der weitere Verlauf der Geschichte scheint angesichts der Beiträge der Betroffenen und der Unbetroffenen davon abzuhängen.

Sieht die Oma am Balkon noch die Taxis? Kommt es zu verstärktem Befahren von Busspuren in den deutschen Großstädten (was die lokale Polizei wiederum mit Bußgeldern bestrafen könnte)? Und die besten Bedenken betreffen die Frage, ob Leute, die es sich leisten können, einen Chauffeur zu bestellen, ihren Verbraucherschutz verlieren, wenn die Taxis bunt sind.

Die Farbe der Taxis ist mir wurscht. Der Fahrer darf nicht blau sein. Und nun das alles entscheidende Argument, das ich als Kunde, Verbraucher und vor allem Großstadtbürger haben kann: Ich finde Elfenbein einfach schöner! So einfach ist das.

Aber ich bin sicher, dass wir - unseren Status als innovativer Wirtschaftsstandort wahrend - nach Inanspruchnahme hunderter Experten die richtige Lösung finden werden. Und wenn wir einst in ein paar tausend Jahren regelmäßig zum Mond oder Mars fliegen, wissen wir, dass der farbliche Urspung der elfenbeinfarbenen Raketen (weiß dann noch jemand, was Elfenbein ist?) in den späten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts liegen.

Freundliche Grüße aus dem überregulierten München

Ralph Seeliger




Ich bin bestimmt kein Freund von alten Bewahrungs-Institutionen, aber in diesem Fall haben die Traditionalisten Recht.

Als regelmäßiger Nutzer möchte ich nicht jedes Mal zweimal hinschauen müssen, ob die Taxe denn nun eine Taxe ist oder nicht. Schon gar nicht, wenn ich sie heran winke. Das mag's im Schwäbischen oder an der Saar nicht geben, in Großstädten wie Hamburg oder Berlin ist es nach wie vor üblich.

Und als Autofahrer bin ich bei Taxen, die beim Warten oder beim Bezahlen eines Kunden etwas im Weg stehen, wesentlich gnädiger als bei anderen Verkehrsteilnehmern.

Das wichtigste Argument aber ist die Marke: Tempo ist blau, Strom ist gelb (das hat noch nicht geklappt) und Taxen sind Elfenbein. Punkt.

Marcus Warnke
Hamburg

http://www.spiegel.de/leserbriefe/0,1518,258152,00.html

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