Urteil zum Thema Betriebssitz

Der virtuelle Taxitreff.
Antworten
Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Urteil zum Thema Betriebssitz

Beitrag von Wattwurm » 16.02.2011, 09:08

Es gibt ein ziemlich eindeutiges Urteil zum Thema Betriebssitz! Und das ist sogar noch halbwegs aktuell! Ob die Klägerin gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt hat, ist mir allerdings nicht bekannt!

VG Frankfurt 6. Kammer, Urteil vom 02.10.2009, Az.: 6 K 902/09.F

:arrow: Urteil des VG Frankfurt zum Thema Betriebssitz

Mod: Link aktualisiert!
Zuletzt geändert von Gruppenmoderator am 29.10.2016, 21:19, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Taxi Georg
Vielschreiber
Beiträge: 10632
Registriert: 10.06.2007, 09:09
Wohnort: Düsseldorf am Rhein
Kontaktdaten:

Beitrag von Taxi Georg » 16.02.2011, 10:59

Habe ich das richtig verstanden?
Es darf nicht einfach nur ein Briefkasten angebracht werden?

Wir haben hier in Dus sehr viele Einzelunternehmer, die in Monheim, Hilden und Umgebung wohnen aber einen Briefkasten bei TDeG haben.
Dies wird auch als Betriebssitz angegeben!

Wenn ich das Urteil richtig verstanden habe, wäre dies unzulässig!

Bitte um Aufklärung!

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Beitrag von Wattwurm » 16.02.2011, 14:56

Ich denke mal das hast Du richtig gelesen, jedenfalls läßt sich das ohne Mühe aus dem Urteil konstruieren! Es reicht nicht bei einer Taxizentrale einen Briefkasten anzuschrauben und einen Bürohocker davor zu stellen! Das ist kein Betriebssitz!

Voraussetzung hierfür sei, dass sich dort die Leitung über den Einsatz der Fahrzeuge befinde, die telefonischen Beförderungsaufträge entgegengenommen und an die Fahrer weitergeleitet würden und außerdem die Unterlagen über die Fahrzeugdisposition und den Fahrereinsatz geführt würden. Allein die Anbringung eines Briefkastens sowie die Anmeldung des Gewerbes des Fahrzeuges unter der Anschrift reichten zur Begründung eines Betriebsitzes nicht aus

Dazu gehören Entgegennahme und Weiterleitung der Beförderungsaufträge an die Fahrer, die Fahrzeugdisposition, die buchmäßige Erfassung der Beförderungsvorgänge, die Aufbewahrung der Aufzeichnungen und die Möglichkeit der Fahrzeugrückkehr (Urteil vom 16.6.1993 – I ZR 140/91, NJW-RR 1993, 1322, 1323). Nach einer Entscheidung des Baden-Württembergischen VGH ist Mindestvoraussetzung für die Anerkennung eines Betriebssitzes, dass sich dort die Leitung über den Einsatz der Fahrzeuge befindet, die telefonischen Beförderungsaufträge entgegengenommen und an die Fahrer weitergegeben werden und außerdem die Unterlagen über die Fahrzeugdisposition und den Fahrereinsatz geführt werden, die der Genehmigungsbehörde zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtstätigkeit jederzeit zugänglich sein müssen (Urteil vom 28.9.1994 – 3 S 1443/93, zitiert nach Juris Rdnr. 28

Die Genehmigungsbhörde muß in der Lage sein vor Ort zu prüfen, welcher Fahrer und welches Fahrzeug, um welche Uhrzeit und an welchem Tag, welchen Fahrgast aufgenommen hat! Daraus läßt sich ableiten das zumindest Auftragsbücher und Schichtzettel sich am Betriebssitz befinden müssen!

Besonders interessant wird diese Geschichte, wenn ein Taxigutachten die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes gemäß §13 (4) PBefG als gestört bescheinigt! Dann müßte man eigentlich denjenigen die lediglich über einen Briefkasten als Betriebssitz verfügen sofort ihre Konzession einkassieren!

Mir ist nicht bekannt ob gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt wurden, aber wenn das Urteil rechtsgültig ist, dann birgt das Urteil ziemlich explosiven Sprengstoff! Gerade in den Großstädten und Ballungszentren!

eichi
Vielschreiber
Beiträge: 3968
Registriert: 16.06.2009, 13:25
Wohnort: Hamburg Nord

Beitrag von eichi » 16.02.2011, 15:33

Obwohl die Metropolenverhältnisse in dem Urteil nicht richtig abgebildet werden. Hier wird wohl von einem ländlichen Unternehmen gesprochen.
Wenn z.B. der Briefkasten bei der Funkzentrale hängt, die die Funktourenversorgung mehrerer hundert Fahrer in einer Großstadt übernimmt, läuft der Passus ins Leere. Die Schichtabrechnungen, Lohnabrechnungen etc. sind dann aber wohl ausschlaggebend!
Die Überprüfung der für den Taxenbetrieb gelisteten Telefonnummer könnte auch überraschende Ergebnisse bringen!
Es ist so bequem, unmündig zu sein. (Immanuel Kant)

N-scho-schi
Vielschreiber
Beiträge: 724
Registriert: 19.10.2010, 00:47
Wohnort: in einer kleinen Stadt in NRW

Beitrag von N-scho-schi » 16.02.2011, 15:57

Ui, ui, wenn sich das mal rumspricht, sind etliche Unternehmen schlicht weg bald nicht mehr vor Ort da!

Da fallen mir so einige ein :roll: , wo gerade bei Mietwagenunternehmen der "Betriebsitz" mehr die nächste freie Bushaltestelle oder Aldi-Parkplatz ist, weil es so gesehen zwar eine Adresse, aber keine betriebliche Anfahrmöglichkeit gibt!
Höre alles, glaube nix!

Ich liebe meinen Beruf! Ich verehre meinen Chef! Ich bin zufrieden mit meinem Gehalt! Ich lüge ohne rot zu werden...

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Beitrag von Wattwurm » 16.02.2011, 16:49

Was mich immer wieder wundert: Es gibt gerade in Schl.-Holstein viele kleinere Ortschaften ohne einen einzigen Taxibetrieb! Derjenige der im Ort wohnt hat seinen Betriebssitz in die 15 oder 20 Kilometer entfernte Stadt verlegt und fährt dort Taxi! Kommt er nach Hause will er seine Ruhe haben und nimmt keine Touren mehr an! Diesbezüglich gibt es hier jede Menge weiße Flecken auf der Taxilandkarte!

Wenn ich zum Beispiel in Adorf mit seinen 800 Einwohnern wohnen würde, würde ich mir dort meine Kundschaft aufbauen und nebenbei auch noch Bdorf mit seinen 500 Einwohnern und Cdorf mit seinen 400 Einwohnern bedienen und müßte mich nicht mit den "Stadtratten" herumschlagen! Das diese Strategie vielleicht sogar mehr Umsatz schafft, scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben!

Und so muß Otterndorf ( war hier mal Gegenstand eines Threads ) weiterhin auf einen Taxiunternehmer verzichten, weil die sich alle zumindest mit ihrem Betriebssitz in Form eines Briefkasten zum Geld verdienen nach Cuxhaven oder nach gleich nach Hamburg verdünnisiert haben! Alles drängt wie die Motten um das Licht in die Großstadt, obwohl sich in der Provinz vielleicht sogar mehr Geld verdienen läßt! Muß wohl der Herdentrieb sein...!

Benutzeravatar
Thomas-Michael Blinten
Vielschreiber
Beiträge: 7332
Registriert: 03.02.2005, 17:52
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag von Thomas-Michael Blinten » 17.02.2011, 05:52

Watti, hier in Düsseldorf (mit nur zwei Zentralen ist die von dir genannte Bedingung "Voraussetzung hierfür sei, dass sich dort die Leitung über den Einsatz der Fahrzeuge befinde, die telefonischen Beförderungsaufträge entgegengenommen und an die Fahrer weitergeleitet würden und außerdem die Unterlagen über die Fahrzeugdisposition und den Fahrereinsatz geführt würden." durchaus gegeben.
Die Vermittlung und Disposition der Fahrzeuge wird an eben diesem Ort erbracht.
Die Planung hingegen kann durchaus woanders stattfinden.
Damit ist es durchaus als Betriebssitz anzuerkennen :wink:

Zur Erklärung: Beide Zentralen arbeiten mit einer elektronischen Einbuchung sowohl der Wagen als auch der Fahrer und übernehmen somit nach außen die Disposition der Taxen.
„Alle sind irre, aber wer seinen Wahn zu analysieren versteht wird Philosoph genannt" (Ambrose Bierce)

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Beitrag von Wattwurm » 17.02.2011, 07:26

Wenn die Aufsichtsbehörde zu diesen Daten jederzeit Zugang hat, und daraus ersichtlich ist, welcher Fahrer wann auf welchem Taxi gesessen hat und welche Fahrten er wann gefahren hat, müßte das laut Urteil reichen! Zumindest gilt diese Aussage dann für diejenigen die einer dieser beiden besagten Zentralen angeschlossen sind!

Wenn ich das Urteil richtig interpretiere, dann müssen zwar wesentliche Teile der Geschäftsführung jederseits einsehbar sein, aber nicht alle! Das heißt die komplette Buchhaltung muß nicht am Betriebssitz vorgehalten werden...!

Benutzeravatar
Thomas-Michael Blinten
Vielschreiber
Beiträge: 7332
Registriert: 03.02.2005, 17:52
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag von Thomas-Michael Blinten » 17.02.2011, 16:50

Richtig, und die genannten Daten (wer ist wann, auf welchem Taxi wo unterwegs und hat welche Fahrt ausgeführt) ist im Protokoll der Zentrale jederzeit nachprüfbar.
Also kann die TFZ/RT Zentrale Betriebssitz sein und der Briefkasten ist Rechtmäßig :wink:
„Alle sind irre, aber wer seinen Wahn zu analysieren versteht wird Philosoph genannt" (Ambrose Bierce)

Benutzeravatar
am
Moderator
Beiträge: 13151
Registriert: 18.03.2005, 17:29
Wohnort: Hansestadt Lübeck
Kontaktdaten:

Beitrag von am » 17.02.2011, 18:01

Und wer erfasst und dokumentiert Haus- und Telefontouren?
Es gibt kein gefährliches Halbwissen, aber zu viele schlechte Informationen.

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Beitrag von Wattwurm » 17.02.2011, 20:36

Rundschreiben der Hamburger Aufsichtsbehörde ( BSU ) an alle Taxiverbände und Zentralen!

Quelle: Taxen Union Hamburg



Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen eines gerichtlichen Streitfalls zum Vorhandensein eines Betriebssitzes eines Hamburger Taxenunternehmens wurden von Seiten des Klägers die Betriebssitze von Taxenunternehmen bei Verbänden und Funkzentralen ins Feld geführt.

Ich möchte dieses zum Anlass nehmen Sie erneut darauf hinzuweisen, dass an einen Betriebssitz gewisse Anforderungen geknüpft sind. Ich hatte hierüber bereits im Jahr 2006 informiert, Sie hatten zum Teil in Ihren Zeitschriften berichtet.

An den Betriebssitz eines Hamburger Taxenunternehmens stellen wir die folgenden Anforderungen:

* Hinweis auf das Taxenunternehmen (Name) im Eingangsbereich.
* Vorhandener Arbeitsplatz (beispielsweise Schreibtisch, Stuhl, PC).
* Regelmäßige postalische Erreichbarkeit mindestens jeden dritten Tag.
* Am Betriebssitz müssen die aktuellen betrieblichen Unterlagen wie Jahresabschlüsse der letzten 3 Jahre,

Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) und aktuelle Schichtzettel aufzufinden sein, es sei denn, diese befinden sich gerade in Bearbeitung beim Steuerberater.

Beachten Sie bitte, dass als Sitz des Unternehmens der Ort gilt, von dem aus die Geschäfte dauerhaft geleitet werden, also der örtliche Mittelpunkt des Betriebs. Der Sitz bestimmt sich alleine danach, von welchem Ort aus tatsächlich die Geschäfte des Unternehmens geführt werden oder wo der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit liegt. Konkretisierend erfordert die Annahme eine Betriebssitz im Taxenverkehr, dass an ihm die Leitung des Einsatz der Taxen durchgeführt wird, die telefonischen Beförderungsaufträge entgegengenommen und an die Fahrer weitergeleitet und die Unterlagen über die Fahrzeugdisposition und den Fahrereinsatz geführt werden. Es ist allerdings insbesondere in Kleinunternehmen üblich, dass die Entgennahme von Beförderungsaufträgen oder der Kontakt zu den Fahrern über mobile Kommunikationsmittel aus der Taxe des selbstfahrenden Unternehmers erfolgt.

Beachten Sie bitte auch, dass die Unterlagen und der Betriebssitz der Genehmigungsbehörde, also uns- zur Wahrnehmung der Aufsichtstätigkeit gemäß §§ 54, 54a PBefG jederzeit zugänglich sein müssen.


Ich bitte Sie um Beachtung und Weitergabe an die betroffenen Unternehmen und verbleibe mit freundlichem Gruß

Dirk Ritter
Freie und Hansestadt Hamburg
Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt

* Rechtsamt -

Verkehrsgewerbeaufsicht
Stadthausbrücke 8, D - 20355 Hamburg
Telefon: + 49 (0)40.42840 - 3067
Telefax: + 49 (0)40.42840 - 2355
mailto:dirk.ritter@bsu.hamburg.de
http://www.bsu.hamburg.de

Wattwurm
Vielschreiber
Beiträge: 11156
Registriert: 14.07.2007, 20:40

Beitrag von Wattwurm » 17.02.2011, 20:41

§ 5 Bokraft: Auswärtige Unternehmen

(1) Hat ein Unternehmer seinen Sitz (Wohnsitz) nicht am Ort des Betriebssitzes, kann ( Anm. von mir: muß aber nicht ) die Genehmigungsbehörde anordnen, daß er zur Wahrnehmung der ihm nach § 3 obliegenden Aufgaben einen am Ort des Betriebssitzes ansässigen Vertreter bestellt. Die Genehmigungsbehörde kann dem Unternehmer zur Erfüllung der Anordnung eine angemessene Frist setzen.

(2) Die Bestellung des Vertreters bedarf der Bestätigung durch die Genehmigungsbehörde. Sie darf nur ausgesprochen werden, wenn der Vertreter zuverlässig und fachlich geeignet im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Personenbeförderungsgesetzes ist.

(3) Die Bestätigung ist zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 nicht vorgelegen hat. § 4 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Die Bestätigung ist zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung der Zuverlässigkeit weggefallen ist.

Die Behörde kann darauf bestehen das ein Betriebsleiter am Betriebssitz benannt werden, der seine Fachkundeprüfung abgelegt hat und zuverlässig ist!

Antworten