Fahrpreis muss steigen (Abendblatt)

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hjm
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Fahrpreis muss steigen (Abendblatt)

Beitrag von hjm » 10.09.2004, 19:37

Taxiverbände: Fahrpreis muss steigen

Heute treffen sich die Vertreter der Hamburger Taxiverbände und -zentralen mit den Fachleuten der Baubehörde, um über eine Erhöhung der Fahrpreise zu diskutieren. "Die Tarife müsse angehoben werden, vor allem wegen der drastisch gestiegenen Benzinpreise", sagte Helmuth Schultze vom Vorstand des Landesverbandes Hamburger Taxi-Unternehmer im Vorfeld des Treffens.

Die Behörde, die jeden Fahrpreisanstieg genehmigen muss, hatte eine Erhöhung um drei Prozent ins Spiel gebracht, was den meisten Unternehmern jedoch zu wenig ist. Zurzeit kostet Taxifahren pro Kilometer 1,53 Euro, ab dem 16. Kilometer 1,28 Euro. Verkehrsbedingte Standzeiten bis zu einer Minute sind kostenlos - was Schultze gerne streichen möchte. Die endgültige Entscheidung über eine Fahrpreiserhöhung muss der Senat fällen. kum

erschienen am 10. September 2004 in Hamburg

http://www.abendblatt.de/daten/2004/09/10/339157.html

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vanadiel
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Beitrag von vanadiel » 10.09.2004, 19:57

:?: ich weiss nicht recht...wenn die preise steigen, sind noch weniger leute bereit ein taxi zu nehmen. ob das bei der derzeitigen gesamtwirtschaftlichen lage der rechte weg ist.....ich weiss nicht recht :?:
Lebe so, das deine Freunde sich langweilen wenn du stirbst

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nowhereman
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korinthenkackerei

Beitrag von nowhereman » 10.09.2004, 20:23

och nee, oder? jetzt wird also wieder mal am tarif herumgepopelt...hier ein paar cent mehr, da ein paar cent weniger...was am ende dabei rauskommt, ist stundenlanges schlangestehen beim uhrmacher und/oder eichamt, gebühren abdrücken, verdienstausfall...muss denn das sein?
ich bin mit dem tarif zufrieden, so wie er ist, zumal niemand den ultimativen tarif, der alle gewerbeprobleme auf einen schlag löst, aus dem hut zaubern wird, aber das ist nur die meinung eines angestellten fahrers. vielleicht sollten sich die unternehmer, die mit den derzeitigen bedingungen nicht klarkommen, mal fragen, ob sie in diesem gewerbe richtig sind, und ihr unvermögen nicht immer den rahmenbedingungen in die schuhe schieben...ganz so, wie der eine seine kneipe zugrunde wirtschaftet und der, der sie übernimmt, mal so eben klarkommt und der dritte den laden zum brummen bringt...
"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?".(B. Brecht)

"Die Herren machen das selber, dass ihnen der arme Mann feind wird." (Thomas Müntzer)

ocean112233
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Beitrag von ocean112233 » 11.09.2004, 03:26

hallo,
laut Mopo vom 9.9.(s.11) soll nur der km preis für die ersten zehn km um 7cent angehoben werden, km 10-15 dafür auch auf 1,28? gesenkt werden...
letztendlich werden kurze touren teurer, also weniger kunden? da die presse auch noch das ganze mit Preiserhöhung titelt ist das wohl nich gut...
dazu kommen noch die ausfallzeiten durch umstellung, also vielleicht ist es doch besser es einfach zu lassen... ist auch für die kunden viel zu undurchsichtig... schon wieder weniger kunden???

Gast

Beitrag von Gast » 11.09.2004, 04:09

Bei uns kostet jeder km im Tagtarif (Mo bis Sa 6 bis 22 Uhr) 1,23 Euro (Anschlag 2,30 Euro).
In der Übrigen Zeit sind 1,38 Euro für jeden km fällig.

Die beantragte Erhöhung sieht eine Anhebung von 0,20 Euro je km für die ersten neun Kilometer vor.

Eine solche Tariferhöhung in einer Zeit, in der die Auftragslage immer weiter zurückgeht, ist schlicht und ergreifend unverantwortlich.
Als wenn wir nicht schon lange genug auf den nächsten Auftrag warten und warten und warten... :twisted:

MikeVeltel
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Beitrag von MikeVeltel » 11.09.2004, 07:47

Die "beantragte" Erhöhung in Düsseldorf ist längst durch und wird wohl noch in diesem Jahr greifen.

Diese Anpassung ist nach Jahren von teilweise exorbitanten Preissteigerungen im Bereich der Kfz-Kosten eine überaus mäßige Anhebung - eine solche mit Augenmaß! In die Entscheidung zur Tarifanpassung sind mit dem >> Gutachten << gerade in diesem Jahr eine Unmenge von knallharten Fakten eingeflossen. Die Erhöhung wird eindeutig von der Majorität der Beteiligten getragen.

Ulli ( = Taxidriver 4) ist Fahrer, und er muss diese enorme Preissteigerungswelle ja nicht kompensieren. Also hat er immer leicht reden - gemischt mit dem ubiquitären Negativen Denken in unserer Branche.

FAZIT: Die Düsseldorfer Tariferhöhung geht nach wohldurchdachter Abwägung aller Argumente vollkommen in Ordnung. Und das meint ganz gewiss nicht nur

Mike
Zuletzt geändert von MikeVeltel am 11.09.2004, 22:55, insgesamt 1-mal geändert.

Alexander Lux
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Beitrag von Alexander Lux » 11.09.2004, 10:29

Sonnabend, 11. September 2004
Hamburg



Taxifahrer drohen mit Blockaden


In der Frage der Taxi-Fahrpreiserhöhung droht ein Konflikt zwischen den Taxi-Verbänden und der Stadtentwicklungsbehörde. Die bei einem Gespräch am Freitag von der Behörde vorgeschlagene Erhöhung wird von den Verbänden abgelehnt. "Das ist zu wenig, um die Kostensteigerungen aufzufangen", sagte Karl-Heinz Neugebauer vom Taxiverband Hamburg. Der Vorschlag sah eine Erhöhung der Gebühr um zehn Cent auf 2,10 Euro sowie der Kilometerpreise um neun Cent auf 1,62 vor. Vom elften Kilometer an (bisher vom 16. an) soll es 1,28 Euro kosten.

Der Verband will 2,50 Euro für die ersten beiden Kilometer, 1,50 Euro bis zum achten und dann 1,20 Euro pro weiterem Kilometer. Ansonsten drohe die Pleite zahlreicher Unternehmnen. "Wir bemühen uns um ein Gespräch mit Senator Michael Freytag", sagte Neugebauer. Sollte der Senat dennoch wie geplant entscheiden, werde es Protestaktionen geben. Neugebauer: "Wir billigen das nicht, aber in Fahrerkreisen wird über eine Blockade des Flughafens nachgedacht." kum

erschienen am 11. September 2004 in Hamburg


Bei der von der Behörde angebotenen 3% Erhöhung (nach 10 Jahren !) werden nicht einmal die Kosten für Uhrumstellung und Eichen erreicht ! Es wird zugegeben, dass es nicht reicht - politisch jedoch mehr zur Zeit nicht gewünscht ist ! Diejenigen Verbandsvertreter, die sich mit den Problemen des Tarifes seit mehr als 4 Jahren intensiv beschäftigen, haben sich sehr wohl Gedanken über die Auswirkungen, sowohl auf Taxenunternehmerseite (Kosten <-> Ertrag) und Kundenseite gemacht und die Entwicklungen im Bund dazu beobachtet. Allen die lieber Kaffeesatzlesen und 'ich finde, ich meine' argumentieren empfehle ich, sich mit den vorliegenden Daten zu beschäftigen und sich danach eine fundiertere Meinung zu bilden.

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Tarife in Hamburg

Beitrag von pl » 11.09.2004, 14:12

Bei der hohen Taxenverfügbarkeit erscheint eine Tariferhöhung ein wenig befremdlich, auch wenn sie aus Sicht der Kosten/Ertragsseite dringend geboten erscheint - um die schert sich der Markt leider nur mittelbar.


Die Wirkung auf Angebot und Nachfrage läßt sich kaum zuverlässig quantifizieren, die Wirkungsrichtung jedoch ist klar auf Kompensation einer Erhöhung gerichtet.

Wir hatten einen beachtlichen Taxenrückgang. Das sagt mir zweierlei:
Erstens scheint im Taxenbereich selbst in diesem desolaten Arbeitsmarkt die Grenze des Erträglichen erreicht.
Zweitens schließe ich daraus, daß der Rückgang geringer ausgefallen wäre, wenn wir eine spürbare Tariferhöhung gehabt hätten - mit der Folge, daß diese nicht den Inhalt unserer Geldbeutel, sondern nur die ohnehin schon sehr üppige Taxenverfügbarkeit weiter erhöht hätte.

Unser Einkommen wird vor allem von einem bestimmt: bis herunter zu welchem Stundensatz findet sich noch jemand, der sich dafür auf den Bock setzt?

Deshalb greift der wirksamste und direkteste Weg zu einer Einkommensverbesserung genau dort an und nicht beim Tarif.

Wenn man dennoch die Tarife erhöhen möchte, wären 3% nachgerade albern. Wir hätten den Schaden, den eine Tariferhöhung immer anrichtet - Uhrumstellung, eichen, Unruhe im Markt, schlechte Presse (unsere Verbände sich einfach zu blöd, das richtig zu verkaufen) - ohne eines Nutzens teilhaftig zu werden, den eine "richtige" Tariferhöhung im Idealfalle bescherte (der, wie oben ausgeführt, wohl nicht eintreten wird).

Auch diese Dengelei an der Tarifstruktur ist äußerst kontraproduktiv.
Bereits der Nachlaß bei weiten Touren ist ein Zugeständnis an die schlechte Auslastung. Eigentlich müßten die sogar teuerer sein, wegen der zusätzlichen Leer-km und des erhöhten MwSt-Satzes - falls den jemand abrechnet. Solche Ferntarife gibt (oder gab) es tatsächlich!
Mit diesem Zugeständnis werden wir bis auf weiteres leben müssen. Nicht aber mit "attraktivierten" Kurztouren - albern, etwas attraktiver zu machen, was keiner fahren will. Wir sind keine Händler, die mit Dumpig-Lockangeboten Leute in den Laden locken können, um ihnen dann noch alles mögliche andere zu verkaufen - wir können nicht unter Preis fahren, weil wir nur eine Tour zur Zeit fahren können.
Demnächst stellt wahrscheinlich jmd fest, daß nun die mittleren Touren zu teuer sind...

Ich bin im Grundsatz ein Anhänger der traditionellen Tarifstruktur mit angemessenem Anschlag und linearem km-Satz, weil der einfach ist und doch eine degressive Struktur (kurz=teuer, lang= billiger) ergibt. Wegen der plakativen Wirkung des Anschlages (den hat der Kunde immer vor der Nase, den km-Preis nie) würde ich ev. einen Teil des Anschlages im ersten (nur im ersten) km unterbringen.

Wenn es denn also eine Tarifanpassung geben soll, dann wenigstens 8%, sonst lieber keine. Und so, daß wir wieder zu einer normaleren Struktur kommen - diese Dengelei muß aufhören.
Also zB:
Anschlag auf 2,50, erster km auf 2,50.
sonst nix.

Wären bei 10,- Durchschittstour immerhin 15%...

Oder nur erster km auf 2,50, immer noch 10% und fällt nicht so auf.

Sowas ist auch für den Kunden einfach: jede Tour 1 Euro mehr - egal wie weit.

--pl.

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Besonderheiten des Taxengewerbes

Beitrag von pl » 11.09.2004, 16:57

Vielleicht ist dies der rechte Ort und die rechte Zeit, einmal einen Blick auf entscheidende Besonderheiten des Taxengewerbes zu werfen.

Gallia est omnis divisa in partes tres – das Taxengewerbe ist vor allem gekennzeichnet durch drei Gruppen, nämlich Fahrer, selbstfahrende „Unternehmer“ (zu diesen zähle ich) und Mehrwagenbetriebe mit angestellten Fahrern, die unterschiedliche Interessenlagen haben und logischerweise auch aus diesen heraus argumentieren.

In „normalen“ Branchen findet der Konkurrenzkampf in der Beziehung zum Kunden statt. Man wirbt um Kunden, versucht, möglichst viele zu bekommen und zu halten und verhandelt mit ihnen um Preise und Konditionen – in Konkurrenz zu den Mitbewerbern..

Im typischen Hamburger Mehrwagenbetrieb tritt an Stelle des Kunden das Fahrpersonal.

Der Unternehmer hat mit den eigentlichen Kunden praktisch nichts zu tun, allenfalls schließt er seine Fahrzeuge an eine Funkvermittlung an. Der eigentliche Konkurrenzkampf findet um das Fahrpersonal statt – alles, was der „normale“ Betrieb in Hinblick auf Kunden tut, tut der Taxenbetrieb in Hinblick auf Fahrer.

Formal steht zwar das Fahrpersonal beim Unternehmer in Lohn und Brot. Faktisch jedoch ist es eine Kundenbeziehung – der Fahrer erwirbt beim Unternehmer das Arbeitsmittel Taxe und zahlt dafür einen Preis.
Von daher war mir die Aufregung um die Vermietung von Taxen immer ein wenig suspekt. Aus meiner Sicht und wohl auch aus Sicht der umsatzprovisionierten Fahrer macht es keinen wirklichen Unterschied – es ist nur eine andere Preisgestaltung für das Arbeitsmittel Taxe, die die Anlehnung an die formale Struktur aufgibt und der faktischen Struktur Rechnung trägt. Für den Mehrwagenunternehmer bedeutet solches Tun allerdings einen Konkurrenzvorteil, weil er zusätzliche Möglichkeiten zur Gestaltung von Preisen und Konditionen hat.
Es wäre wohl an der Zeit, daß auch die gesetzlichen Regelungen diesen faktischen Strukturen Rechnung tragen, denn nur so lassen sie sich überhaupt gesetzlich kanalisieren.
Es ist eigentlich immer dasselbe Spiel: Marktkräfte sind keine Erfindung von Leuten, die gern ein solches System wollen; sie sind einfach da, ob wir wollen oder nicht – und sie sind so stark, daß sie sich auch bei Androhung von Todesstrafe nicht aus der Welt schaffen lassen, wie uns alle Schwarzmärkte dieser Welt immer wieder zeigen. Aber sie lassen sich, wie alle Kräfte, kanalisieren, wenn man ihre Eigenheiten kennt und vor allem ernst nimmt.

Eine Tariferhöhung verlangen vor allem die Mehrwagenunternehmer. Sie erhoffen sich davon eine Entlastung vom zweifellos vorhandenen Kostendruck. Es kann ihnen egal sein, ob die Umsätze dabei stagnieren – in diesem Falle geht ja der Absatz zurück und damit auch die Kosten, so daß der Ertrag steigt. Und sie sparen sich die Auseinandersetzung mit ihrer Kundschaft, dem Fahrpersonal.

Was aber, wenn es keine Tariferhöhung gibt?
Dann müssen sie sich mit ihrer Kundschaft, dem Fahrpersonal, auseinandersetzen und höhere Preise durchsetzen, was für umsatzprovisionierte Fahrer eine Kürzung der Provision bedeutet und bei (illegaler) Vermietung eine Erhöhung der Mietpreise. Da aber die Vermietungen üblicherweise exclusive Kraftstoff erfolgen und dort die größten Kostensteigerungen zu verzeichnen sind, sind auch hier die Vermieter wieder im Vorteil. Sie müssen gar nichts tun, die Kostensteigerungen hat eh der Mieter an der Backe.

Viele Fahrer begreifen sich als lohnabhängig Beschäftigte und machen sich über diese Zusammenhänge logischerweise keine Gedanken. Sollten sie aber – Vogel-Strauß-Politik ist selten hilfreich.

--pl.

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Beitrag von jr » 11.09.2004, 22:32

Yes!

MikeVeltel
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Beitrag von MikeVeltel » 11.09.2004, 23:17

"Gallia est omnis divisa in partes tres."
Zu deutsch:
"Gallien ist in drei Regionen aufgeteilt."

--------------------------------------------------------------------------------

Hallo pl,
insgesamt ein sehr durchdenkenswerter Essay. - Vielen Dank und beste Grüße nach Wedel!

Gast

Beitrag von Gast » 12.09.2004, 05:26

Zitat Mike Veltel:

"Ulli ( = Taxidriver 4) ist Fahrer"

Es könnte hier der Eindruck entstehen, dass Mike Unternehmer ist.
Er ist, wie ich seit 22 Jahren, Fahrer.

Mike,
Beleidigungen o.ä. wirst Du von mir hier nicht mehr lesen.

Deine Lohnvorstellungen, die Du bei diversen Bewerbungsgesprächen in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt hast, lassen aber die Vermutung aufkommen, dass Du über die Höhe der Lohn- und Lohnnebenkosten schlecht informiert bist.

Meine Vermutung wird nach deinen Beiträgen zum Thema Fiskaltaxameter zusätzlich untermauert.

Mal HÜÜ, mal HOTT - so funktioniert das nicht ... :!: :!: :!:

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Beitrag von jr » 12.09.2004, 19:25

Die entspannende Wirkung von pl´s Worten hat offenbar doch Grenzen.

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Rolf
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Fahrpreis

Beitrag von Rolf » 12.09.2004, 22:55

Vielleicht ist dies der rechte Ort und die rechte Zeit, einmal einen Blick auf entscheidende Besonderheiten des Taxengewerbes zu werfen.
Hallo pl

Deine ausgezeichnete Analyse deckt sich fast nahezu 100%tig mit meiner Erfahrung (selber fahrender Unternehmer mit noch zwei Fahrzeugen, zur Zeit nicht mehr an eine Funkvermittlung angeschlossen).

Hier in Zürich betreiben momentan rund 800 Unternehmer ca. 1400 Taxis, davon sind etwa 700 Wagen einer der drei Funkvermittlungen angeschlossen, welche also selber keine Taxis besitzen. Seit ich mich erinnern kann, sind die Funkvermittlungen für eine Erhöhung des Fahrpreises bestrebt, während die Unternehmer ohne Anschluss an eine Vermittlung eher an einem für die Kundschaft günstigeren Fahrpreis interessiert wären. Die Anschlussgebühren belaufen sich jetzt im Schnitt auf 600 Euro pro Wagen und Monat.

Skandalös ist hier der Umgang mit den Lohnabhängigen. Durch die Praxis, ca. 42% der Fahrgeld-Einahmen als Brutto-Lohn einzusetzen ohne Fixum gegen unten, wird auch noch gleich das Unternehmer-Risiko ausgelagert (Hat das Fahrpersonal keine Fahrten, wird auch kein Lohn bezahlt). Andererseits fühlen sich die Lohnabhängigen wie selbstständig Erwerbende, so dass sich der perfide Kreis schliesst.

:(

shortie2004
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Beitrag von shortie2004 » 12.09.2004, 23:35

Hi , Rolf .
Mal n kleines Lob an Dich - perfekt analysierte , gut vorgetragene Beiträge .
Mfg shortie2004

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Beitrag von pl » 13.09.2004, 02:05

@jr:

Das liegt in der Natur des unentspannten Lesers :-))

Ich dachte eigentlich auch nicht, daß der Beitrag unbedingt zur Entspannung Anlaß gibt, sind doch keine Tariferhöhung für den Mehrwagenunternehmer und Lohnkürzung für den Fahrer durchaus Reizworte, die bei ihnen eher zum Gegenteil Anlaß geben könnten.

Ich habe mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, daß solche Reaktionen bisher ausgeblieben sind - kann aber ja noch kommen.

(Natürlich plädiere ich nicht für Lohnkürzungen, jeder Unternehmer muß selbst seine Preise und Konditionen kalkulieren. Ich denke nur, daß er bei weiteren Kostensteigerungen dazu gezwungen wird.)

@Rolf:

Die Umsatzprovisionierung ohne Fixum nach unten ist bei uns genauso üblich, mit etwas höheren Provisionen (bis zu 50%). Ich würde das so skandalös nicht sehen. Denn einmal kommt es praktisch nicht vor, daß es über einen längeren Zeitraum keine Fahraufträge gibt - daß ein Monat unterm Strich mehr als 25% unter dem Durchschnitt liegt, ist schon extrem unwahrscheinlich. Zum anderen sind es auch durchaus die Fahrer, die das so wollen. So haben sie mehr Freiheit - mit Fixum bedürfte es ja doch irgendwie einer Verpflichtung und Überwachung, daß sie auch genügend und genügend engagiert fahren. Eine der Attraktionen des Taxengewerbes ist es ja, daß gerade das im Gegensatz zu fast jedem anderen Job nicht stattfindet.

Die Buchführung wird dabei zumeist frei erfunden und den Fahrern ein recht niedriger Lohn bescheinigt. So haben sie geringe Abgaben und kommen zusammen mit Tip und Schwarzeinnahmen auf ein ordentliches Netto (freilich bei beachtlicher Arbeitszeit) und sind extrem kostengünstig zumindest auf niedrigem Niveau sozial abgesichert.
Auch das wird zumeist von den Fahrern so gewollt.

Ich kenne tatsächlich einen, der das Gegenteil gewollt und auch bekommen hat. Der hat sich jetzt selbständig gemacht.

--pl.

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Rolf
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Umsatzprovision

Beitrag von Rolf » 13.09.2004, 09:18

@pl

Deinen Ausführungen zur Umsatzprovisionierung kann ich zustimmen unter dem Vorbehalt, dass sie sich auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage beziehen.

Bei uns stehen nun auf der Angebotseite fast doppelt so viele Taxis zur Verfügung wie bei der seit 3 Jahren sinkenden Nachfrage nötig wären. Dies hat zur Folge, dass viele unter ein Brutto von 2335 EUR gerutscht sind, wie es von Gewerkschaften als Mindestlohn definiert wird. Für diesen Mindestlohn müssten Lohnabhängige 6000 EUR Umsatz erreichen, was bei vielen nicht mehr der Fall ist. Das Unternehmer-Risiko liegt also klar bei den Lohnabhängigen, selbst wenn diese eine solche Lohnabrechnung wollten. Wenn Mehrwagenbetriebe verpflichtet würden, Mindestlöhne zu bezahlen, müssten sie Kapazität abbauen, was sich für die anderen in höheren Einnahmen niederschlagen könnte.

Da sich bei uns die Alters-Rente aus einem staatlichen Teil und einer lohnabhängigen Pension zusammensetzt, ist heute schon absehbar, dass ein grosser Teil des Taxi-Fahrpersonals zu Sozialhilfeempfängern wird, wenn sie in Rente geht, sofern nicht bereits früher um finanzielle Unterstützung nachgesucht werden muss.

@shortie2004

Danke für die "Blumen"


:(

Alexander Lux
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Beitrag von Alexander Lux » 13.09.2004, 10:02

Hallo Rolf,

Deine Zahlen sind für uns in HH nicht zu erreichen. Interessant wäre Euer Tarif im Vergleich zum Hamburger. Dann argumentiert es sich besser.

Alexander Lux
Alexander Lux

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Beitrag von jr » 13.09.2004, 14:13

Grundgebühr 6,00 Fr / 3,90 EUR
Fahrpreis 3,50 Fr / 2,25 EUR je km
Wartezeit 63,00 Fr / 40,50 EUR je Stunde
Kein GRT-Zuschlag aber
Kombi normal 5,00 Fr / 3,20 EUR
Kombi mit umgeklappter Rücvksitzlehne 10,00 FR / 6,45 EUR

http://www.zueritaxi.ch/tarif.htm

Traumpreise oder Alptraumpreise? Das Niveau der Lebenshaltungskosten ist allerdings ein anderes als in HH.

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Mindestlohn

Beitrag von Rolf » 13.09.2004, 21:47

In Zürich beträgt der Mindestlohn z.B. für Verkaufspersonal der Grossverteiler (Kasse, etc.) 2335 EUR bzw. 3500 CHF.

Der persönliche Grundbedarf bei Sozialhilfe wird für ein menschenwürdiges Dasein mit 720 EUR gerechnet.

Das Existenzminimum liegt bei ca. 1400 EUR für Alleinstehende (Grundbedarf + Wohnungs-Mietkosten).

Breite Teile des ansässigen Taxigewerbes sind den "working poor" zuzurechnen. Selbst bei Ausreizung der gesetzlich erlaubten Höchstarbeitszeit von 57 Stunden pro Woche (über den Fahrtenschreiber kontrolliert!), wird kaum noch genug verdient, um die laufenden Ausgaben decken zu können.

In der Not wird auch nach jedem Zusatzverdienst gegriffen. Immer öfter sieht man Fahrpersonal nachts schlafend am Taxiposten hinter dem Steuer. Der Körper holt sich seinen Schlaf, wenn er ihn nicht erhält. Meines Erachtens ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko für die Kundschaft.

:(

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