Lage des Hamburger Taxengewerbes - Kommentare erwünscht

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C.L.
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Lage des Hamburger Taxengewerbes - Kommentare erwünscht

Beitrag von C.L. » 06.06.2009, 00:41

Hallo Kollegen,
erst vor einigen Tagen stieß ich auf auf folgenden Text.

http://union.punapau.dyndns.org/publish ... dc70682ac6

Hier kommentiert und interpretiert der Vorsitzende der Taxenunion Thomas Lohse die Situation des Hamburger Gewerbes. Dazu möchte auch ich als Unternehmer und Teil des Hamburger Taxengewerbes einen Kommentar abgeben. Auch deshalb, weil es so sein soll, dass Herr Lohse durch die Republik reist und überall erzählt, in Hamburg wären die Geschäfte heute viel besser, als vor X Jahren.

Im Grunde genommen, muss man fast jeden Satz in diesen Text widersprechen, ich will es aber für`s Erste bei einigen Einwürfen belassen.
Als das Gutachten in Hamburg im März 2005 anlief hatten wir 3600 Taxen, Ende 2008 waren wir bei 3380 Taxen und sind heute bei geschätzten 3430 Taxen. Sicher haben Mehrwagenbetriebe Konzessionen abgeben müssen, die sich in der Konsequenz ihre Fahrer durch den Gang in die Selbständigkeit wiedergeholt haben. Etliche Neuunternehmer haben dabei einen Existenzgründerzuschuss bewilligt bekommen, was als Wettbewerbsverzerrung für das bestehende Gewerbes angesehen werden kann. Wer monatlich 600 € vom Staat bekommt, wann gewisse Dinge sicher lockerer sehen, als ein Taxenunternehmer, der nicht in der Lage ist, Rücklagen für irgendwas aus dem laufenden Geschäft zu bilden.
D.h. die Zahl der Taxen hat sich nicht relevant verändert, die Tariferhöhung von knapp 6% ist nur zum Teil in den Umsätzen zu finden und insgesamt ist der Umsatz im Gewerbe schlechter, als zu DM Zeiten (Kaufkraftverlust + Inflation). Ich sehe da keinen Erfolg des Gutachtens, weil ich keine Cent mehr verdiene. Gruß an Berlin in diesem Zusammenhang.

Es wird auch zukünftig ein frommer Wunsch bleiben, Fahrer angemessen bezahlen zu können. Wenn Einnahmen stagnieren und Löhne um 20% gekürzt werden, wird der Verdienst immer auf einem Niveau rumdümpeln, was ungenügend ist (3-6 €/std.). Dazu kommt, dass die als legal angepriesenen Mehrwagenbetriebe allesamt Fahrer beschäftigen, die in eklatanter Weise das Arbeitszeitgesetz verletzen. Niemand wird von 48 Stunden Taxifahren pro Woche Leben können. In der Regel arbeiten auch Fahrer 60 - 75 Stunden in der Woche. Vielleicht bedrohen gerade sie die Existenz der selbstfahrenden Unternehmer ?

Das Einwagenunternehmer vom Markt verschwinden und das es sich nicht mehr lohnt selber in seiner Taxi zu sitzen mag ich nicht so recht glauben. Noch ist es so, dass 80% der Taxenunternehmer in Hamburg ein Fahrzeug haben (1600 von 2000). Dieser Gruppe die Existenzberechtigung abzusprechen ist für einen Vorsitzenden eines Verbandes schon ein echter Hammer. Der Verfasser muss sich nämlich die Frage gefallen lassen, warum er und sein Verband nichts dagegen tut, das es sich zunehmend weniger lohnt seine Droschke zu bewegen ? Es waren ja wohl kaum selbstfahrende Einzelunternehmer, die den Ruf und die Qualität im Gewerbe in den letzten 20 Jahren suksessive demontiert haben. Sondern eher die MWU, die jeden Penner hinters Steuer gelassen haben, Hauptsache die Karre rollt. Man wird zwar immer Leute finden, die für ein Taschengeld Taxifahrer sein wollen, aber man wird ohne vernünftige Bezahlung nie Qualität in die Wagen bekommen.

Die Argumentation zugunsten von MWU findet sich ja auch direkt in den Kosten, die ein Unternehmer hat, will er beim Hansafunk seine Brötchen verdienen. Der Verband Taxenunion besteht zu 98% aus Hansa Unternehmern und Herr Lohse ist natürlich Genosse dort mit aktuell drei ? Fahrzeugen. Heute geht niemand mehr dorthin, um alleine seine Droschke zu bewegen. Undenkbar bei derartigen Beiträgen für Aufnahme und Funk, sowie ständigen Nachzahlungen.

Zuletzt kommt dann noch die Tarifentwicklung, von der Herr Lohse selber sagt, in den letzten 15 Jahren sind die Tarife weniger stark angestiegen, als die Kosten. Warum nur hat dann die Taxenunion berechtigte Interessen des Gewerbes zugunsten von Kundengeschenken nachrangig behandelt ? Von einer Tourenstatistik werden die Kollegen auch nicht satt.

Für mich läuft da argumentativ fast nichts zusammen.
Wir könnten in Hamburg ein funktionierendes Taxengewerbe haben und zwar bestehend aus Einzelunternehmern, die wenn sie wollen, mit Fahrern ihren Wagen auslasten. Mit Tarifen die kostendeckend sind und Spielraum für Rücklagen und Investitionen lassen. Mit zusätzlichen Serviceleistungen, die den Kunden vielleicht auch mal 50 Cent oder 1€ extra kosten würden. Und mit einer Auslastung, die dafür sorgt, dass man in jeder Schicht 200 - 300 € umsetzt und dann die Straße auch mal freimacht, für die anderen Kollegen.

Bin gespannt auf eure Kommentare.
C.L.
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Beitrag von Wikinger » 06.06.2009, 08:07

Es sind aber gerade die MWU, die Fahrer eher korrekt anmelden, als einzelne Unternehmer. Diese sind es, aus persönlicher Gier heraus, die die Sonderpreise anbieten, die die Fahrer weglocken, in dem sie unrealistische Prozente zahlen, nur um die Kiste am rollen zu halten. Das können die "Grossen" gar nicht, dafür ist der "Besuch" vom Amt zu häufig. Der Kleine fällt da eher durch, weil es sich da nicht lohnt...

Hallo CL, ich seh das anders.

Unser Problem ist, dass unser Geschäft, wie damals der Kohleabbau, ein Auslaufmodell ist. Und wir arbeiten alle kräftig daran, dass auch jeder merkt, dass es so ist.

Wer soll denn noch mit uns fahren? Krankenhäuser, Rehas, ja sogar Ärzte fahren heutzutage unsere Kunden "umsonst".

Hotels, Eventunternehmen, Airlines, Firmen machen das Gleiche.

Wer bleibt denn dann noch über??? Höchstens die Besoffenen, die auch von uns keiner so wirklich will.

Und hierauf soll unsere Existenz aufbauen?

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Beitrag von frontalier » 06.06.2009, 12:19

[OFF TOPIC] das die seiten der TAXEN UNION zu hause bei mario menzerolf gehostet wurden wusste ich auch noch nich... [BACK TO TOPIC]

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Beitrag von amebabrainobserver » 06.06.2009, 14:07

frontalier hat geschrieben:[OFF TOPIC] das die seiten der TAXEN UNION zu hause bei mario menzerolf gehostet wurden wusste ich auch noch nich... [BACK TO TOPIC]
Hättest Du aber können. :lol: Mario hat ja auf der dt Seite ganz stolz darauf hingewiesen, wer der Autor der der Selbsdarstellung des Hansaverbandes ist: "Man achte auf den Autor".

http://dastaxi.punapau.dyndns.org/publi ... 66a4cb7f27

Also: Der eloquente Visionär aus dem beliebten Youtube - Video (derzeitiger "das taxi" Vorstand) hat auch - im von uns allen seit Jahren hochgeschätzten Wichtigheimerstil - das gewerbepolitische Programm des Hansaverbandes verfasst.

Zitat:"Hier wird die betriebswirtschaftliche Perspektive des einzelnen Unternehmers in einem realistischen Kontext des Marktes mit seinem Geschäftsaufkommen gesehen."

Wow. Und welche Schlüsse werden daraus gezogen?

Meines Wissens geht der Hansaverband überregional mit Umsatzzahlen hausieren, die möglicherweise die Realität nicht vollständig widerspiegeln. :lol:

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Beitrag von frontalier » 06.06.2009, 14:24

amebabrainobserver hat geschrieben:Also: Der eloquente Visionär aus dem beliebten Youtube - Video (derzeitiger "das taxi" Vorstand) hat auch - im von uns allen seit Jahren hochgeschätzten Wichtigheimerstil - das gewerbepolitische Programm des Hansaverbandes verfasst.
ich wollte eigentlich anstatt des namens lediglich den you tube link posten. "erstaunlicherweise" wurde die anti-dt werbung inzwischen "privatisiert" und ist nicht mehr aufrufbar 8)

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Beitrag von amebabrainobserver » 06.06.2009, 14:53

Ein seltener Akt der Barmherzigkeit.

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Beitrag von amebabrainobserver » 07.06.2009, 03:20

Über die Lage des Hamburger Taxengewerbes und die Behebung dessen Probleme ließen sich ellenlange Traktate verfassen. Der Kollege Thomas Lohse hat’s getan. Er wird seine Gründe haben. Die haben aber sicher nichts mit dem Hamburger Taxengewerbe, sondern eher etwas mit seiner persönlichen Situation als Vertreter des Hansaverbandes und als Hansaunternehmer zu tun.

Auch andere Kollegen beschreiben ausufernd - unter anderem hier im Forum - die Situation des Gewerbes und wissen genau, wie man die Probleme löst. Erstaunlicherweise finden sich nur wenige Beiträge von Kollegen, die Informationen suchen, um sich ein Bild zu machen oder die Wege aus der unbefriedigenden Situation erkunden wollen. Das finde ich besonders deshalb erstaunlich, weil ich auch nach fast 30 Jahren Taxifahrens nicht das Gefühl habe, die geschäftliche Entwicklung im Gewerbe umfassend beurteilen zu können. Ich glaube auch nicht, dass das Gutachten die Realität widerspiegelt.

Dass gerade der Vertreter des Hansaverbandes die Parole „Einigkeit macht stark“ ausgibt, darf man getrost als Sinnbild für ein Hauptproblem ansehen: Der nahezu unverschämten Heuchelei innerhalb des Gewerbes. Die geschäftliche Strategie des Hansas mag den finanziellen Erfolg der Mitglieder als Ziel haben – der Rest des Gewerbes hat sicher keinen Nutzen davon. Wer seine Krümelpicker in Uniformen steckt und sie wie zweitklassige Kollegen behandelt, wirkt nicht besonders glaubwürdig bei der Forderung nach Solidarität.

Aber diese Solidarität wäre dringend nötig, um wieder etwas zum positiven zu verändern. Anstatt dass sich die verschiedenen Gruppen innerhalb des Gewerbes gegenseitig diffamieren, sollten sie akzeptieren, dass es unterschiedliche Geschäftsmodelle gibt und deren verschiedenen Erfordernissen in der Gewerbepolitik einen angemessenen Raum geben.

Martin B.
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Beitrag von Martin B. » 09.06.2009, 09:55

Hi C.L.!

Was erwartest Du vom "Stundenschreiber", wie Lohse Hansa-intern wegen der Abrechnung seiner Aufwandsentschädigung genannt wird.

Lohse ist doch nur Hansaverbandsvorsitzender, um auch mit einem Pöstchen versorgt zu sein. So findet Kruse seine ehemaligen Gegner ab.

Die Politik, die unser auf den ersten Blick so seriös wirkende Freund verkauft, ist nichts weiter als die Politik der BSU. Deshalb wird das "Hamburger Modell" so von ihm gepriesen. Bekanntlich bestand und besteht die Hansa-Politik immer nur darin, sich an die Kammer oder die Behörde ranzuschmeißen. Das ist es, wovon man sich Vorteile erhofft. Die Debatte auf Sachebene ist nur vorgetäuscht. So war es schon bei der Einführung der unseligen Tarifstruktur. Es spielt deshalb auch keine Rolle, was die Mehrheit der Hansis wirklich denkt.

Die gemeinsame BSU-IHK-Hansa-Konzessionspolitik läuft, wie langjährige Beobachter der Szene wissen sollten, nicht über die gesetzlich vorgesehen Maßnahmen (Deshalb findest Du in den Zwischenberichten des Gutachtens auch keine klaren Aussagen zur "Funktionsfähigkeit"), sondern über bewusstes Plattmachen per Dumpingtarif, wobei zunächst die bösen "Graupen" ins Visier genommen werden. Diese Strategie funktioniert zwar ansatzweise, ist aber mit zwei gravierenden Fehlern behaftet:
1. kommen immer wieder hoffnungslos naive Neue ins Gewerbe und machen sich selbstständig, wodurch die ruinierten Betriebe mehr als kompensiert werden, und
2. trifft der Dumpingtarif auch die Hansis und andere Funktaxenbetriebe, weshalb mein Mitleid mit am Rande der Pleite operierenden Funkzentralen und deren Unternehmen auch nicht besonders ausgeprägt ist.
Wenn man so eine Politk betreibt, muss man sie wenigstens einem Teil des Gewerbes schmackhaft machen. Da bleiben nur die Mehrwagenunternehmer, die den Druck durch Lohnsenkung kompensieren können und vielleicht hoffen, am Ende Gewinner dieser Entwicklung zu sein. Aber auch diese Rechnung wird nicht aufgehen, weil die Schmerzgrenze vieler angestellter Fahrer längst erreicht ist. Die denken sich zu recht, dass sie, bevor sie sich so ausnehmen lassen, auch ins Lager der Selbstausbeuter wechseln können, wie es jetzt ja auch verstärkt geschieht.
Das ganze Gelaber von Steuerehrlichkeit dient nur zur Ablenkung von der wahren Intention dieser durch und durch zynischen, gesetzeswidrigen und asozialen Politik.
Aber vielleicht ändert sich ja demnächst etwas beim Hansa und der neue Vorstand streicht dem Stundenschreiber wegen der Kassenlage die Zuschüsse. Dann wird es sehr schnell ruhig um Lohse, weil der für nix auch nix macht.
Zuletzt geändert von Martin B. am 09.06.2009, 12:01, insgesamt 1-mal geändert.
Martin Berndt

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Beitrag von Martin B. » 09.06.2009, 10:09

Wie traurig es auf Marios Konto aussieht, dass er sich vom Hansa anheuern lässt, kann ich nicht beurteilen. Wirklich erstaunt war ich über diese Kollaboration aber nicht, sitzt Chrstiane bei Anhörung doch auch immer so halb auf dem Schoß von Jürgen.

Ich verstehe deshalb auch diese hartnäckigen Versuch dt am leben zu erhalten nicht. Eine Fusion der Genossenschaften hätte doch für beide Seiten Vorteile. Der Hansa bekämme leidgeprüfte Genossen, die längst nicht mehr die Panik bekommen, wenn der Prüfungsverband mit der gelb-roten Karte winkt. So käme sehr viel Ruhe in den Laden und der Vorstand könnte noch Jahrzehnte so weitermachen. Umgekehrt würden die dt-ler auf für ihre ökonomischen Verhälnisse geradezu paradiesische Zustände treffen und erhielten einen nachweislich funktionierenden Datenfunk. 8)
Martin Berndt

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Beitrag von Martin B. » 09.06.2009, 11:00

Aus Meister Marios gewerbepolitschen Konzept:

"Vertretung einer metropolischen Auffassung im einer bundesweit provinziell orientierten Verbandslandschaft"

Der Spruch ist richtig geil! Ich sage: "Gott sei Dank reicht der Arm Hamburger Arroganz gerade mal bis zur Landesgrenze!" Spätestens im Bundesrat wird Olettas schwarz-grüne Truppe von Baden-Württemberg, Bayern und anderen voll ausgebremst. Taxentechnisch sind New-York, London und - wie ich kürzlich schrieb - auch Lübben Metropolen. Hamburg ist Schilda und nix Metropole!

In meinem Lieblingsfachorgan, der Zeitschrift TAXI der Licensed Taxi Driver Association (LTDA) schreibt Alf Townsend in Ausgabe 188 Seite 13 über das Londoner Gewerbe in Victorianischer Zeit und zitiert:

Even the Victorians understood the basic necessities of our trade – going by some of these quotes ‘…. others claim that the number of licenses issued – both to men and vehicles should be regulated and limited’. That rings a bell doesn’t it?
Another quote that’s relevant to-day,‘Any attempt to regulate the supply of cabs otherwise than according to the actual demand for them by the public in the streets, seems futile’.

Da läuten die Glocken, gell?

http://www.ltda.co.uk
Martin Berndt

q

Beitrag von q » 09.06.2009, 14:27

others claim that the number of licenses issued – both to men and vehicles should be regulated and limited’
Wie gut, dass wir Qualitätstaxifahrer alle des Englischen mächtig sind!

Ich denk mal, dass die Regulierung der number of men (ich nehme mal an, damit sind die Fahrer gemeint) ausreicht. The number of vehicles wird sich dann schon automatisch anpassen.

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